Berlin. Die Bürger bei den hohen Energiekosten zu entlasten, ist vollkommen richtig, meint Theresa Martus. Aber bitte nicht per Spritrabatt.

In Deutschland hat ein Foto-Motiv in den letzten Tagen eine steile Karriere hingelegt: In vielen Teilen der Republik dokumentieren die Menschen die Benzin- und Dieselpreise an der Tankstelle, ungläubig über das, was sie das sehen – und häufig in Sorge darüber, was diese Preise für sie bedeuten.

Das Gefühl, das viele beim Blick auf das Tankstellenschild haben, ist ihnen bekannt vom Blick auf die Gasrechnung oder die Preise im Supermarkt. Essen, Heizen, Mobilität: An vielen Stellen sind Grundbedürfnisse des Alltags teuer geworden, für viele auch zu teuer. Es ist richtig, dass die Bundesregierung da helfen will. Nur ist ausgerechnet ein Spritrabatt für alle der vollkommen falsche Weg, und das aus mehreren Gründen.

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Theresa Martus, Politik- Korrespondentin
Theresa Martus, Politik- Korrespondentin © Reto Klar | Reto Klar

Steuergeld für Leute, die es nicht brauchen

Ausgerechnet ein Finanzminister von der FDP – sonst sehr auf die Effizienz von Subventionen und haushalterische Disziplin bedacht – schlägt da eine Maßnahme vor, mit der sehr viel Steuergeld überwiesen würde an Leute, die es nicht brauchen.

Zwar gibt es die vielbeschworene Krankenpflegerin, die auf dem Land wohnt und weite Wege zur Arbeit mit dem Auto pendeln muss. Doch es gibt auch nicht wenige Großstadtbewohner, die trotz guter ÖPNV-Anbindung die Wege lieber mit dem Auto zurücklegen, weil es bequemer ist.

Kosten von 550 Millionen Euro im Monat

Das können sie auch weiterhin tun. Aber es gibt keinen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft das bezahlt. Ein Spritrabatt, wie Christian Lindner ihn plant, würde den Staat für 10 Cent pro Liter 550 Millionen Euro im Monat kosten. Und Lindner will mehr als 10 Cent, für mehr als einen Monat.

Die Milliarden, die da aufgebracht werden müssen, zahlen am Ende alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – auch die vielen mit kleinen und mittleren Einkommen, die gar kein Auto haben, die Preissteigerung im Moment aber an anderen Stellen schmerzlich spüren, ohne dass es dafür Ausgleich gibt.

Benzin so teuer wie nie

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    Einladung für die Mineralölkonzerne

    Währenddessen können die Mineralölkonzerne Lindners Einsatz dafür, den Spritpreis künstlich auf zwei Euro zu drücken, nur als Einladung verstehen, ihn weiter hochzusetzen. Schließlich bekommen sie die Differenz vom Staat bezahlt.

    Nicht zuletzt hebelt der FDP-Vorsitzende mit diesem Vorschlag en passant eine klimapolitische Grundlinie seiner Partei aus, die vor allem auf Preissignale setzt, um Verhalten zu ändern.

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    Das Fahrzeug auch mal stehen lassen

    Statt zu überlegen, wie man diejenigen unterstützt, die zwingend auf das Auto angewiesen sind, und es allen anderen möglichst leicht macht, das Fahrzeug auch mal stehen zu lassen, ist der Finanzminister bereit, über Nacht Milliarden in fossile Treibstoffe zu versenken. Als hätte sein Parteikollege Volker Wissing nicht schon genug damit zu tun, den Verkehrssektor auf 1,5-Grad-Kurs zu bekommen.

    Dass es auch anders gehen kann, zeigt zum Beispiel Neuseeland, dass kurzerhand entschieden hat, auf die Spritpreise zu reagieren, in dem es die Preise im öffentlichen Nahverkehr halbiert.

    Der metaphorischen Krankenschwester helfen

    In einem hat Christian Lindner recht: Die aktuelle Preisentwicklung erfordert eine Reaktion der Bundesregierung. Die Entlastungen, die vor einigen Wochen beschlossen wurden, sind ein Anfang, aber nicht genug.

    Der metaphorischen Krankenschwester muss geholfen werden, und mit ihr allen anderen, für die eine höhere Gasrechnung, steigende Preise im Supermarkt oder an der Tankstelle nicht nur ein Ärgernis sind, sondern eine echte Bedrohung. Aber das kann nicht per Spritrabatt passieren. Eine Entlastung per Tankstelle mag gut gemeint sein. Gut gemacht wäre sie nicht.