Berlin . Der Blutzoll für den Ukraine-Krieg ist hoch. Zahlen über Verluste sind spekulativ, die Angst russischer Soldatenmütter ist es nicht.

  • Der Krieg in der Ukraine fordert Opfer auf allen Seiten
  • Allerdings ist es schwierig, die Anzahl der Gefallen verlässlich zu benennen
  • Wie viele russische Soldaten sind bisher gefallen?

Wer kennt die Wahrheit, die bittere Wahrheit über die getöteten russischen Soldaten im Ukraine-Krieg? Ihre Mütter?

In jedem Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Es ist unmöglich, während des militärischen Konflikts Angaben über russische Opfer zu überprüfen. Auffällig ist, wie extrem Zahlen über den Blutzoll voneinander abweichen.

  • Am 2. März hat Russland zu seiner "Spezialoperation" erstmals offizielle Zahlen genannt: 498 Soldaten seien gestorben.
  • Vom "größten Schlag für die russische Armee seit Jahrzehnten" spricht Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyi: 12.000 Todesopfer. Die Verluste in den eigenen Reihen gab er mit 1300 Soldaten an.
  • Laut "New York Times" wird die Zahl der getöteten russischen Soldaten "vorsichtig" auf mehr als 7000 geschätzt. Bislang lagen die US-Geheimdienste im Verlauf dieses Konflikts oft richtig.
  • Die "Washington Post" berichtet unter Berufung auf Angehörige, dass Todesfälle von den Behörden vertuscht und verleugnet werden.
  • Unter den getöteten Gegnern sollen ukrainischen Angaben zufolge hohe Militärs sein, darunter der hochdekorierte Generalmajor Andrej Suchowezkij. Er soll in Mariupol Opfer eines Scharfschützen geworden sein.

Beiden Seiten wird Propaganda unterstellt. "Aber vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte", so Alexander Graef vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. "Fest steht wohl, dass Russland bisher mehr Verluste hat hinnehmen müssen als erwartet", sagte er der "Tagesschau".

Auch sprachliche Unterschiede können zur Verwirrung beitragen. Wenn im Englischen von Casualties die Rede ist, können sowohl kampfunfähige Militärs als auch Tote gemeint sein.

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Indes gibt es zwischen den Kriegsparteien einen Unterschied: Die Ukrainer listen die Namen der gefallenen russischen Soldaten auf der Internetseite "Suche deine Verwandten" auf. Sie wird nicht zufällig in Russland blockiert.

Russische Verluste – verzweifelte Mütter und Ehefrauen

Trotzdem verschaffen sich viele Mütter und Ehefrauen einen Einblick, wenn sie seit Langem nichts von in ihren Männern beim Militär gehört haben. Wer Verwandte auf der Liste findet, ruft oft genug beim legendären russischen Komitee "Soldatenmütter" an.

Hunderte Anrufe würden täglich eingehen, erzählte die Vorsitzende Svetlana Golub der britischen Zeitung Guardian. Denn: "Die Familien wurden im Dunkeln gelassen und hatten keine Kenntnis von der Militäroperation in der Ukraine."

Die Geheimniskrämerei ist groß – und keineswegs verwunderlich. Erstens führt Russlands Präsident Wladimir Putin nach eigenem Verständnis keinen Krieg, sondern eine "Spezialoperation". Sie hat zweitens zum Ziel, das "Brudervolk" zu befreien und die ukrainische Führung zu "entnazifizieren".

Todeszahlen: Sie werden frisiert

Zu Putins alternativen Fakten passt keine hohe Zahl von Verlusten. Denn sie bedeutet, dass der Widerstand allgemein groß und die ukrainische Armee schlagkräftiger als vermutet; und in vielen Situationen vielleicht sogar im Vorteil ist. Solches Wissen ist für die Kampfmoral verheerend.

"Es geht sowohl darum, durch Angabe geringer Verluste die Moral der eigenen Truppen zu stärken, als auch in der Öffentlichkeit ein bestimmtes, möglichst positives Bild des Kriegsverlaufs für die eigene Seite zu zeichnen", analysiert Graef.

Erst ins Manöver, dann in den Krieg

Viele Soldaten haben laut Geheimdiensten gar nicht gewusst, dass sie in den Krieg ziehen wüden. Die meisten wurden bereits vor Monaten verlegt, anfangs zu Manövern. Irgendwann wurde daraus blutiger Ernst.

Für das Komitee Soldatenmütter ist es schon der elfte Krieg. Es hat Büros in mehreren Regionen Russlands und bekommt viele Anrufe, häufig anonym, zuletzt auffällig oft aus Wolgograd und Nischniy Nowgorod.

Die "taz" zitiert eine Vertreterin des "Moskauer Komitees der Soldatenmütter", Olga Larkina, mit Kritik an der Methoden der Rekrutierung. "Sie werden nicht gefragt, manche stellt man einfach in einer Reihe auf und lässt sie unterzeichnen. Da muckt doch keiner auf."

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.