Berlin. Die neuen Corona-Impfstoffe von Valneva und Novavax kommen bald auf den Markt und versprechen vieles. Doch Experten sind skeptisch.

  • Mit Novavax wird demnächst ein weiterer Corona-Impfstoff in Deutschland und der EU zur Verfügung stehen
  • Das erst vor wenigen Tagen zugelassen Vakzin basiert nicht auf der mRNA-Technologie
  • Es besteht die Hoffnung, dass einige Impfskeptiker sich damit impfen lassen – Experten haben jedoch Vorbehalte

Mit „VLA2001“ und „Nuvaxovid“ könnten schon bald zwei neue Corona-Impfstoffe eine EU-Zulassung erhalten. Der eine ist – vereinfacht gesagt – ein Totimpfstoff, der andere einer auf Proteinbasis. Für viele Skeptiker, die der vergleichsweise jungen mRNA-Technologie misstrauen, könnten diese Vakzine eine Lösung im Kampf gegen Corona sein. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Valneva und Novavax: Wie sinnvoll ist es, auf die Impfstoffe zu warten?

Virologinnen und Virologen, aber auch Mediziner und das Robert-Koch-Institut raten dringend davon ab, mit einer Impfung zu warten, bis die neuen Vakzine zur Verfügung stehen. Ebenso äußerte sich der Chef des Totimpfstoff-Produzenten Valneva. „Ich rate niemandem, auf unseren Impfstoff zu warten. Das wäre ethisch inakzeptabel“, sagte Thomas Lingelbach dem „Spiegel“.

Angesichts der aktuellen Infektionswelle mit der Delta-Variante und der zu erwartenden Infektionswelle mit der Omikron-Variante von Sars-CoV-2 rufe er dazu auf, sich schnell mit den vorhandenen Vakzinen impfen zu lassen. Ungeachtet davon geben einige der Impfskeptiker laut Umfragen immer wieder an, die mRNA-Technologie abzulehnen. Und auch Valneva-Chef Lingelbach erklärte, täglich eine Vielzahl entsprechender Zuschriften zu bekommen.

Experten halten die Skepsis für unangebracht: Die mRNA-Impfstoffe seien weltweit mehrere Milliarden Mal verimpft worden, sagte Impfstoffexperte Florian Krammer vom Mount Sinai Hospital in New York dem Science Media Center Deutschland (SMC). Wirksamkeit und Sicherheit seien aufgrund dieser großen Datenlage bekannt.

Corona: Wie unterscheiden sich die neuen Vakzine von den bisherigen?

Über den Begriff des Totimpfstoffs hat es viele Missverständnisse gegeben. „Alle Impfstoffe, die nicht abgeschwächte Lebendimpfstoffe sind – wie zum Beispiel die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken –, sind Totimpfstoffe“, erklärt das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Nur gebe es hier unterschiedliche Klassen.

Novavax: Alle wichtigen Fragen und Antworten zum Impfstoff

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    Die vier bisher zugelassenen mRNA- und Vektor­impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson) seien – streng genommen – genbasierte Totimpfstoffe. „VLA2001“ des französisch-österreichischen Herstellers Valneva und „Nuvaxovid“ von US-Hersteller Novavax gelten wiederum als „echter“ Tot- beziehungsweise Proteinimpfstoff. Sie basieren auf anderen Technologien.

    Das Valneva-Vakzin enthält ein komplett inaktiviertes Sars-CoV-2-Virus, das sich im Körper nicht mehr vermehren kann. Der Impfstoff von Novavax beinhaltet winzige Partikel einer im Labor hergestellten und somit künstlichen Version des Spike-Proteins von Sars-CoV-2. „VLA2001“ und „Nuvaxovid“ gelten deshalb als „klassisch“, weil die ihnen zugrunde liegenden Technologien im Kern seit Jahrzehnten angewendet werden.

    Valneva und Novavax: Wie wirksam sind die Impfstoffe?

    „Was die Frage nach der besseren Immunantwort angeht – das müssten die Daten aus den klinischen Prüfungen und dann der Einsatz im realen Leben live zeigen“, erklärt das PEI. Valneva selbst berichtet, dass an der noch laufenden Phase-3-Studie in Großbritannien bis Anfang Dezember 4679 über 18-Jährige teilgenommen haben. Dabei wurden Probanden entweder zwei Mal mit dem Astrazeneca-Impfstoff oder zwei Mal mit dem Vakzin von Valneva geimpft.

    Ersten Zwischenergebnissen zufolge habe der Valneva-Impfstoff im Vergleich zu Astrazeneca deutlich besser abgeschnitten. Zwei Wochen nach Verabreichung der zweiten Impfdosis hätten die Valneva-Probanden im Schnitt signifikant mehr neutralisierende Antikörper im Blut gehabt.

    Auch der Novavax-Impfstoff konnte in einer Phase-3-Studie mit über 30.000 Teilnehmenden in den USA und Mexiko gute Ergebnisse erzielen. Nach einer Impfung reduzierte sich das Risiko für symptomlose Infektionen oder leichte Erkrankungen um mindestens 83 Prozent, das Risiko für mittelschwere bis schwere Erkrankungen um mindestens 87 Prozent, wie aus der Vorveröffentlichung der Studienergebnisse hervorgeht.

    Impfstoffe: Schützen sie auch gegen Omikron?

    Da die Omikron-Mutante die Antikörperantwort des Immunsystems teilweise umgehen kann, vermuten Wissenschaftler, dass auch die Wirksamkeit von Tot-und Proteinimpfstoffen stärker nachlassen könnte, womöglich sogar noch stärker als die von Vektor- und mRNA-Impfstoffen. Das jedenfalls sagte Impfstoffexperte Florian Krammer dem SMC: „Ich würde annehmen, dass die Wirksamkeit der Immunantwort durch die Impfung bei ihnen am stärksten abnimmt.“ Um dies besser beurteilen zu können, fehlten aber Daten.

    Novavax erklärte, die Wirksamkeit des Vakzins gegen die Omikron-Variante aktuell zu untersuchen. Zudem habe man bereits mit der Entwicklung eines omikronspezifischen Vakzins begonnen.

    Corona: Wann könnten die neuen Vakzine zugelassen sein?

    Beide Vakzine befinden sich im Zulassungsverfahren der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Diese entschied am Montag, dass sie die Zulassung des Impfstoffs von Novavax für Erwachsene ab 18 Jahren empfiehlt. Nun muss noch die EU-Kommission zustimmen. Dies gilt als Formsache.

    Auch über die Studien zum Valneva-Impfstoff hält sich die EMA auf dem Laufenden, um schnell entscheiden zu können. Die Phase-3-Studie läuft aber noch bis ins nächste Jahr. Die Zulassung kann erst erfolgen, wenn alle Studienergebnisse vorliegen und bewertet wurden.