Berlin. Eine aktuelle Insa-Umfrage legt nahe, dass die Mehrheit der Wahlberechtigten schon weiß, wem sie ihre Stimme gibt. Das folgt daraus.

  • Der Tag der Bundestagswahl rückt näher
  • In den Umfragen liegt die SPD derzeit vorne, die Union kämpft gegen den Abwärtstrend an
  • Laut einer aktuellen Umfrage hat sich die Mehrheit der Wähler schon für eine Partei entschieden - das bedeutet diese Entwicklung für die Wahl

In weniger als drei Wochen wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Für die Parteien bedeutet das: Endspurt im Wahlkampf. Doch wie viel bringt dieser Sprint, wenn ein großer Teil der Wählerinnen und Wähler vielleicht schon festgelegt hat, wo er die zwei Kreuzchen auf dem Stimmzettel setzt? Eine aktuelle Umfrage legt nahe, dass das der Fall sein könnte.

Laut einer Online-Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa könnten sich nahezu dreiviertel der Wähler schon für Partei und Kandidaten entschieden haben. Die Frage „Haben Sie sich bereits entschieden, wie Sie zur Bundestagswahl abstimmen wollen?“ bejahten Anfang September 74 Prozent der repräsentativ Befragten.

Bundestagswahl: Deutlich mehr Wähler schon entschieden als 2017?

Das sind deutlich mehr als beispielsweise bei der letzten Bundestagswahl 2017. Damals gaben selbst zwei Wochen vor der Wahl nur 46 Prozent in einer Allensbach-Erhebung für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" an, dass sie noch nicht wissen, für wen sie am 24. September stimmen sollten. Dass bei dieser Bundestagswahl nun schon so viele Wahlberechtigte scheinbar festgelegt sind, und das laut der Erhebung mehr als drei Wochen vor der Wahl, könnte darauf hindeuten, dass sich am aktuellen Stimmungsbild nur noch wenig verändern könnte.

Experten sehen zwar, dass es bei jeder Umfrage Wanderungen zwischen den einzelnen Parteien gibt. Allerdings könnte das hohe Briefwahlaufkommen zusätzlich dazu beitragen, dass viele Wähler sich in diesem Jahr schon deutlich früher entscheiden, welchem Kandidaten sie ihre Erststimme und welcher Partei sie die Zweitstimme geben.

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Wahlforscher: Briefwahl führt zu einem Trägheitsmoment

Der Wahlforscher Thorsten Faas beschreibt das Phänomen so: „Wenn Sie so wollen, ist das eine der Paradoxien dieses Wahljahres. Einerseits haben wir so viel Dynamik, so viel Volatilität wie selten zuvor, aber zugleich schaffen die hohen Briefwahlanteile natürlich ein Trägheitsmoment.“ Zwar könnten die Briefwahlanteile die Belastbarkeit der Umfragen verbessern – die kleinen Wanderungen bei den Zustimmungswerten genaue Vorhersagen aber gleichzeitig erschweren, so der Politologe.

Insbesondere für CDU und CSU könnte die frühe Wahlentscheidung, sei es wegen Briefwahl oder politischen Präferenzen, zu einem Problem werden. Bisher schlägt sich die Union in den Wahlumfragen nicht sonderlich gut, verliert Woche um Woche bei verschiedenen Instituten ein oder zwei Prozentpunkte. In einer neuen Forsa-Umfrage trennen die Konservativen nur noch zwei Prozent von den Grünen.

Briefwahl: Wahlabsicht könnte bei vielen schon Wahlentscheidung sein

Bei den Umfragen zur Wahlabsicht wird meistens gefragt, welche Partei man wählen würde, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Dieses Mal stellt sich – angesichts des erwarteten Briefwahlrekords – auch die Frage, inwiefern hier bei einem großen Teil der Wähler tatsächlich noch von der Absicht die Rede ist. Vor dem 26. September könnten schon ungefähr die Hälfte der Befragten per Brief abgestimmt haben. Lesen Sie dazu auch: Briefwahl hat begonnen: Fällt jetzt schon die Wahlentscheidung?

Deshalb veröffentlichen einige Meinungsforschungsinstitute, wie beispielsweise die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen derzeit nur noch eine Projektion für die Sonntagsfrage und keine zur politischen Stimmung. „Seit kurzem ist Briefwahl möglich, Befragte könnten daher schon jetzt Angaben zu ihrer Briefwahlentscheidung machen. Nach Auffassung des Bundeswahlleiters ist das bereits als Veröffentlichung von Wählerbefragungen zu werten, die nach § 32 Absatz 2 BWG vor 18 Uhr am Wahlsonntag verboten ist“, heißt es auf der Webseite des Instituts.

Politikwissenschaftler Faas: Umfrageergebnisse nicht überbewerten

Thorsten Faas rät generell zur Vorsicht: Umfrageergebnisse seien zwar immer spannend und interessant, sollten aber eben auch nicht überbewertet werden. „Einerseits sind die methodischen Herausforderungen in der Durchführung von repräsentativen Umfragen größer geworden; vor allem aber bewegen wir uns in einem reaktiven Umfeld. Das heißt: Viele Menschen nehmen Umfragen wahr, manche reagieren vielleicht sogar darauf und verändern ihr Wahlverhalten“, so der Wahlforscher. Dies könne auch noch bis zum letzten Tag passieren.

Ob dieser Effekt bei der Bundestagswahl tatsächlich durch Briefwahl und vorzeitige Wahlentscheidungen stark abgeschwächt sein wird, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Sollten sich tatsächlich schon 74 Prozent der Wählerinnen und Wähler sicher sein, wo sie ihr Kreuz setzen, dürfte es aber deutlich weniger Spielraum für die Parteien geben, im Endspurt noch deutlich etwas an den aktuellen Zustimmungswerten zu ändern.

Faas ist vorsichtig, was die Interpretation der Insa-Umfrage angeht: "Selbst dieses Viertel der Unentschlossenen ist jetzt natürlich entscheidend, quasi das Zünglein an der Waage." Dieser Teil der Wählerinnen und Wähler könnte beispielsweise die geringen, aber häufigen Verluste und Zugewinne in den aktuellen Umfragen auslösen.