Berlin. In vielen Bereichen des Lebens müssen Hartz-IV-Empfänger mehr Geld ausgeben. So hart trifft die Corona-Pandemie viele Geringverdiener.

  • Hartz-IV-Empfänger und andere Geringverdiener müssen durch die Corona-Krise tiefer in die Tasche greifen
  • Immer wieder gibt es deshalb Forderungen nach Zuschlägen in der Krise
  • Doch die Politik macht bislang wenig Zugeständnisse – am Donnerstag gab es aber gute Nachrichten für Hartz-IV-Empfänger

„Ich bin wütend“, sagt Jacinta Nandi am Telefon. Das Geld reiche einfach nicht. Im Hintergrund ist ihr dreijähriger Sohn zu hören. Die zweifache alleinerziehende Mutter lebt in Berlin. Seit vergangenen Mai ist die 40-Jährige in Hartz IV.

Der Autorin und Künstlerin brachen in der Corona-Pandemie die Aufträge weg. Seither lebt sie mit ihrer Familie von der Grundsicherung. Doch bald habe sie gemerkt, dass sie nicht über die Runden kommt. „Mein großer Sohn ist 16, ein Teenager. Die essen einfach viel.“ Lesen Sie hier: Keine Grundsicherung ohne Arbeit? Gesamtmetall-Chef fordert Hartz-IV-Reform.

Corona verschärft Lage in ärmeren Haushalten

Mit einer Online-Petition will Nandi nun Druck auf die Politik machen, in der Pandemie mehr für ärmere Familien zu tun. „Ohne Hunger durch die Corona-Krise: Mittagessen für arme Kinder jetzt“, heißt es dort. Die Forderung: Für alle Kinder mit Anspruch auf ein kostenloses Mittagessen soll der Staat Einkaufsgutscheine in Höhe von 20 Euro pro Kind und Woche bereitstellen.

Rund 20.000 Unterzeichner gibt es bereits. Der Aufruf hat einen Nerv getroffen. Je länger die Pandemie dauert, desto mehr wird deutlich, wie sehr Corona die Lage in ärmeren Haushalten verschärft. Es trifft Hartz-IV-Haushalte, aber auch Geringverdiener und Rentner. Lesen Sie auch: Corona: Koalition berät über Zuschuss für Hartz-IV-Empfänger

Schulen geschlossen: Kostenloses Mittagessen entfällt

Ernährung:

  • Weil die Schulen geschlossen sind und somit auch das kostenlose Mittagessen für ärmere Kinder wegfällt, müssen Familien von ihrem knappen Budget deutlich mehr für die Mahlzeiten zu Hause ausgeben.
  • Der Bund unterstützt zwar Essenslieferungen an bedürftige Kinder. Doch oft scheitert dies an der Logistik.

Erschwerend kommt hinzu: Viele Tafeln, bei denen es verbilligte Lebensmittel gibt, haben wegen der Pandemie geschlossen, auch weil Helfer fehlen. Viele der Freiwilligen sind älter und zählen zur Risikogruppe. Sie bleiben fern, weil sie Angst vor Ansteckung haben – genauso wie betagte Bedürftige. Wo die Tafeln dagegen noch geöffnet haben, kommen mehr und mehr Jüngere, die wegen Corona in Finanznot geraten sind. Lesen Sie hier:Hartz IV: Verbände fordern mehr Geld – 600 Euro Regelsatz?

Selbstständige und Minijobber rutschen in Hartz IV

Einkommen:

  • Die Pandemie trifft auch die zuletzt 1,95 Millionen Kurzarbeiter, die deutliche finanzielle Einbußen haben.
  • Auch Selbstständige und Minijobber trifft es. Sie erhalten kein Kurzarbeitergeld und rutschen direkt in Hartz IV.
  • Um Härten abzumildern, hat die Regierung den Zugang zur Grundsicherung erleichtert. Dies gilt jedoch nur bis Ende März.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will daraus eine dauerhafte Regelung machen. Die Union ist dagegen. Heil hat zudem einen Pandemiezuschuss für Bedürftige vorgeschlagen. Die Erfolgschancen sind auch hier offen. Immerhin gab es einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind, der bei Hartz-IV-Familien nicht verrechnet wurde.

Der Sozialflügel der Union hält wenig von weiteren Sonderzahlungen. Durch die Absenkung der Mehrwertsteuer bis Ende 2020 und den Kinderbonus hätten Hartz-IV-Empfänger „coronabedingte Mehrausgaben mehr als ausgleichen“ können, sagt CDA-Bundesvize Alexander Krauß unserer Redaktion. Zudem seien Maskengutscheine ausgegeben worden.

Immerhin: Hartz-IV-Empfänger sollen je zehn kostenlose FFP2-Masken bekommen. Wie Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag in Berlin mitteilten, sollen rund fünf Millionen Bezieher von Grundsicherung jeweils zehn FFP2-Masken bekommen.

Lesen Sie auch: Kostenlose FFP2-Masken für Hartz-IV-Empfänger - was muss man wissen?

Homeschooling: Schüler aus ärmeren Familien haben es oft schwerer

Bildung:

  • Homeschooling kann teuer werden.
  • Denn Schüler benötigen einen internetfähigen Computer und Wlan-Anschluss. Bei den Leistungen für bedürftige Kinder ist dies nicht berücksichtigt.
  • Viele Schulen vergeben Leihgeräte.

Dennoch: „Die Grätsche in der Bildung wird in der Pandemie größer“, beobachtet Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung.

Die Politik hat im vergangenen Jahr 500 Millionen Euro Corona-Hilfen für Schulen und Schüler bereitgestellt. Doch das Geld ist vielerorts noch nicht angekommen. Mehrfach mussten Hartz-IV-Familien die Übernahme der Computerkosten durch das Amt sogar einklagen.

Besonders Sorgen bereiten Hintze Schüler aus Familien von Geringverdienern. „Diese Kinder fallen bei der Bildung schnell durchs Raster“, bei ihnen greife das Teilhabepaket nicht. Es wäre daher wichtig, das Hilfsprogramm auch für diese Kinder und Jugendlichen zu erweitern.

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Gewerkschaften fordern mehr finanzielle Hilfe für ärmere Menschen

Die Gewerkschaften fordern mehr Hilfe der Regierung. „Corona hat das Leben für arme Menschen merklich teurer gemacht“, sagt auch DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel unserer Redaktion. Doch abgesehen vom Kinderbonus hätten arme Menschen „bislang keinen einzigen Cent zusätzlicher Hilfe in der Krise erhalten“.

Das Versprechen der Koalition, dass niemand durch die Pandemie in existenzielle Not gerate, müsse endlich eingelöst werden. „Menschen in Hartz IV brauchen dringend eine Soforthilfe von 100 Euro“, forderte Piel. Wer wie die Union den Weg für zusätzliche Hilfen verstelle, „befördert die weitere Spaltung der Gesellschaft“.