Berlin. Nach einer Infektion bildet der Körper in der Regel Abwehrstoffe. Das gilt auch für Corona. Wie lange dieser natürliche Immunschutz hält, ist allerdings unklar. Das liegt vor allem daran, dass das Virus erst seit gut einem Jahr grassiert. Es gibt aber immer mehr Hinweise.

Es ist eine gute Nachricht, aber eine mit vielen Unwägbarkeiten: Eine Corona-Infektion könnte neuen Studien zufolge monatelang vor einer Neuansteckung mit dem Virus schützen.

Seit Ausbruch der Pandemie untersuchen Wissenschaftler immer wieder Blut einst Infizierter auf Antikörper und andere Abwehrstoffe. Je länger Corona grassiert, desto mehr können sie über den Verlauf sagen.

Viele Fragen sind bislang aber allenfalls ansatzweise beantwortet. Und eines macht Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, deutlich: Der natürliche Immunschutz infolge von Infektionen schwindet mit der Zeit. Ohne das Impfen würde die Gesellschaft nie ausreichend geschützt sein.

Der Körper hat verschiedene Möglichkeiten, sich gegen Krankheiten zu wappnen. So bildet er sogenannte T-Killerzellen gegen einen neuen Erreger. Sie zerstören Körperzellen, in denen sich das Virus eingenistet hat. Sogenannte B-Zellen stellen Antikörper her, die an den Erreger binden und ihn damit unschädlich machen.

Forscher aus den USA haben jüngst eine Studie im Fachblatt "Science" veröffentlicht, wonach sie auch mehr als ein halbes Jahr nach einer Infektion Antikörper gegen einen wichtigen Virus-Baustein - das sogenannte Spike-Protein, das dem Coronavirus seinen kronenhafte Hülle verleiht - im Blut nachweisen konnten. Sechs Monate nach den ersten Symptomen habe es zudem mehr B-Gedächtniszellen gegeben als nach einem Monat. Die Zahl der T-Zellen habe hingegen abgenommen.

Die Immunantwort nach einer Corona-Infektion ist aber eine komplexe Sache. Und sie verläuft sehr unterschiedlich, wie Watzl und Uwe-Gerd Liebert sagten, der bis zum vergangenen Jahr Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Leipzig war. Manche Menschen bildeten gar keine Antikörper trotz Infektion, so Liebert. Wie viele Antikörper ein Infizierter entwickle, hänge in der Regel mit der Schwere der Erkrankung zusammen, erklärte Watzl. Wer beispielsweise keine Symptome zeige, bilde oft wenige bis keine Antikörper.

So oder so - mit der Zeit sinke auch deren Zahl, sagte Watzl. Damit verliere der Immunschutz an Wirkung. Wie lange einmal Infizierte immun sind, lasse sich derzeit noch nicht sicher sagen. Studien zur Immunität über längere Zeiträume sind bislang schlicht nicht möglich, da es Sars-CoV-2 noch gar nicht so lange gibt. Auch auf mutierte Virentypen könnten nicht mehr alle Antikörper anspringen, so Watzl.

Jene Antikörper, die gerade auf das Spike-Protein spezialisiert sind, seien allerdings weniger stabil als Antikörper gegen andere Proteintypen, sagte Liebert. Das hätten Untersuchungen von Europa über die USA bis nach China gezeigt. "Das ist eine Nachricht, die uns nicht erlaubt zu sagen, es ist alles in bester Butter."

Auch wird vereinzelt von Fällen berichtet, in denen Menschen ein zweites Mal erkrankten. "Das sind aber absolute Ausnahmen", sagte Watzl. Das Robert Koch-Institut spricht ebenfalls von "nur wenigen Fällen". Es verweist zudem darauf, dass es zu vielen Fragen noch keine endgültigen Antworten gebe. Bisher vorliegende Studien lieferten eher Hinweise, dass Reinfektionen möglich seien.

Eine Studie aus England berichtet von 44 potenzielle Reinfektionen bei 6614 Teilnehmern, die positiv auf Antikörper getestet worden waren. Dabei unterscheiden die Forscher zwischen 2 "wahrscheinlichen" und 42 "möglichen" Reinfektionen. "Dies entspricht einer Schutzrate von 83 Prozent vor einer erneuten Infektion." Ferner kommen sie zu dem Schluss, dass eine Covid-Erkrankung mindestens fünf Monate lang einen gewissen Schutz biete. Allerdings weisen die Experten darauf hin, dass auch immune Menschen das Virus übertragen könnten.

Die Möglichkeit besteht ebenso nach einer Impfung. Zumal es hier noch weniger Erfahrungswerte gibt, da Impfstoffe deutlich kürzer vorliegen als das Virus im Umlauf ist. Gegen Ostern könne man vielleicht abschätzen, ob der Antikörper-Spiegel auch nach einer Impfung sinkt, sagte Liebert. Davon abhängig sei, wie oft man nachimpfen müssen.

Will man beispielsweise gegen die Grippe geschützt sein, muss man sich jedes Jahr impfen lassen, weil auch hier die Antikörper mit der Zeit verschwinden. Bei Masern dauert es laut Liebert hingegen zehn Jahre oder mehr, bis der Antikörperspiegel anfange abzusinken. Bei Corona geht er davon aus, dass man alle zwei bis drei Jahre nachimpfen muss. "Vor allem müssen wir uns darauf einstellen, mit dem Sars-Virus die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu leben."

Watzl schätzt vorsichtig, die Immunität nach einer Corona-Impfung könnte fünf bis zehn Jahre anhalten. Der Antikörper-Spiegel sei höher als jener nach einer Infektion. Der Vorteil zur natürlich erzeugten Immunreaktion sei aber vor allem, dass die möglichen Nebenwirkungen der Impfung kein Vergleich zu Krankheitsverläufen bei Covid seien.

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