Frankfurt/Main. Flugausfälle, Kofferberge, Urlaubsfrust: Lufthansa-Vorständin Christina Foerster erklärt, wie der Konzern jetzt um seinen Ruf kämpft.

Nicht eine Minute Wartezeit an der Sicherheitskontrolle, Abflug auf die Minute pünktlich. Die Anreise zum Interview in der Lufthansa-Zentrale am Frankfurter Flughafen verläuft untypisch für diesen Sommer, in dem Tausende Urlauber am Flugchaos verzweifeln. Konzernvorständin Christina Foerster erklärt, wie die Airline ihren Ruf retten will.

Frau Foerster, der Lufthansa-Konzern hat gerade erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie einen Gewinn verbucht. Der Betrieb läuft aber mit Tausenden Flugabsagen in diesem Sommer alles andere als rund. Wie beenden Sie das Flugchaos?

Christina Foerster: Die Talsohle ist durchschritten, der Flugbetrieb ist weitgehend stabilisiert. Dafür haben alle bei uns mit angepackt. Aus der Verwaltung helfen mehr als 500 Mitarbeiter an den Flughäfen aus. Kollegen aus der ganzen Welt unterstützen oft auch dezentral etwa beim Umbuchen von Tickets. Aber dennoch haben wir es in diesem Sommer mit einem Krankenstand zu tun, der sich nicht so einfach kompensieren lässt. Das betrifft nicht nur die Lufthansa, sondern zum Beispiel auch die Bodendienstleister an den Flughäfen. Daher müssen wir uns jeden Tag neuen Herausforderungen stellen.

Wie lange ist noch mit kurzfristigen Flugstreichungen zu rechnen?

Foerster: Das kann leider immer passieren, zum Beispiel bei einem Gewitter. Insgesamt aber gehen wir davon aus, dass der Flugplan jetzt stabil ist. Natürlich beobachten wir sehr aufmerksam die Pandemieentwicklung und die damit einhergehenden Krankenquoten. Denn die haben natürlich auch Einfluss auf unseren Flugbetrieb.

Wann kann man wieder zuverlässig reisen?

Foerster: 99 Prozent aller Ferienflüge finden statt. Trotz der vielen schmerzhaften Flugplanstreichungen fliegen wir 95 Prozent unseres gesamten Sommerflugplans. Die Situation bleibt herausfordernd. Aber die Lage hat sich stabilisiert. Wenn der Flugplan angepasst wird, dann meist bei innerdeutschen Verbindungen, wo es alternative Verbindungen oder mehrere Flüge am Tag gibt. Zum Winterflugplan Ende Oktober wird es dann eine deutliche Entlastung geben.

Christina Foerster ist im Lufthansa-Konzernvorstand zuständig für Kundenbeziehungen.
Christina Foerster ist im Lufthansa-Konzernvorstand zuständig für Kundenbeziehungen. © Lufthansa Group | Lufthansa Group

Bilder von Tausenden gestrandeten Koffern sind Horror für jeden Reisenden. Wie groß ist die Gefahr, dass die Sachen wirklich weg sind?

Foerster: Es gibt ein weltweites Nachverfolgungssystem für Koffer. Aber das ist für die aktuelle Ausnahmesituation in der internationalen Luftfahrt nicht ausgelegt. Und so lassen sich derzeit leider nicht immer die Eigentümer zu den jeweiligen Koffern finden. Je früher uns ein Verlust gemeldet wird, umso eher lässt sich ein Gepäckstück finden. Wir haben es zum Beispiel in Frankfurt geschafft, seit Anfang Juli 90 Prozent der gestrandeten Koffer an ihre Besitzer zu übergeben.

Wer von Flugstreichungen betroffen ist, hängt zum Umbuchen stundenlang in Warteschleifen. Kunden sind frustriert. Riskiert die Lufthansa ihren guten Ruf?

Foerster: Wir nehmen die Beschwerden sehr ernst. Gerade bei Privatreisenden, die zwei Jahre auf eine große Reise gespart haben, ist das ein sehr emotionales Thema.

Und wie verbessern Sie die Situation für die Reisenden?

Foerster: Wegen der Unregelmäßigkeiten, Flugstreichungen und des Streiks hat es bei den Hotlines teilweise extreme Nachfragespitzen gegeben. Da investieren wir massiv in Personal. Die Anzahl unserer Callcenter-Agenten haben wir bereits verdoppelt und werden sie bis Ende des Jahres verdreifachen.

Damit die Reisenden sich selbst helfen können, investieren wir auch in automatisierte Self-Services. Seit Juli können sich unsere Kunden selbst Bahnfahrkarten und Gutscheine für Hotels und Verpflegung ausstellen. Der Chat-Assistent konnte im Januar bei 10.000 Anfragen im ganzen Monat helfen. Heute sind es bis zu 10.000 erfolgreich abgeschlossene Anfragen am Tag.

Und wer eine Pauschalreise über ein Reisebüro bucht, sollte sich auf unserer Homepage eine Reise-ID anlegen, damit wir bei Unregelmäßigkeiten direkt mit den Kunden Kontakt aufnehmen können.

Kunden klagen über lange Wartezeiten auf Erstattungen und Ausgleichszahlungen für Verspätungen. Wann erhalten sie ihr Geld?

Foerster: Bei Ticket-Erstattungen haben die Reisenden das Geld in der Regel spätestens nach sieben Tagen zurück – viele auch früher. Bei den Kompensationsleistungen haben wir digitale Möglichkeiten geschaffen, um die Auszahlung noch zu beschleunigen. Komplizierte Einzelfälle müssen individuell bearbeitet werden, was Zeit in Anspruch nimmt. Wir arbeiten an einer weiteren Automatisierung, aber das ist nicht von einem Tag auf den anderen gemacht. Bei Beschwerden haben wir noch Rückstände, die wir abarbeiten.

Wegen des jüngsten Streiks des Lufthansa-Bodenpersonals musste die Airline einen Tag lang fast alle Flüge absagen. Jetzt hat die Fluggesellschaft eine Einigung erzielt.
Wegen des jüngsten Streiks des Lufthansa-Bodenpersonals musste die Airline einen Tag lang fast alle Flüge absagen. Jetzt hat die Fluggesellschaft eine Einigung erzielt. © dpa | Frank Rumpenhorst

Die Verbraucherschutz-Ministerin droht der Branche, das Vorkasse-Prinzip in der Luftfahrt zu beenden. Was für Folgen hätte das?

Foerster: Schon heute hat der Kunde die Wahl: Wer früh bucht, fliegt günstig und hat dadurch Vorteile. Aber es steht dem Kunden natürlich frei, auch ohne lange Vorauszahlungszeiten seinen Flug zu buchen. Durch die aktuelle Regelung können Airlines besser planen, die Flugzeuge auslasten, was auch nachhaltig ist und sie können den Gästen ein breites Angebot machen. So ist es übrigens auch bei anderen Dienstleistern üblich, zum Beispiel bei Hotels oder bei der Bahn.

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Lufthansa-Betriebsräte kritisieren, dass in der Krise zu viel beim Service gespart wurde. Auf Dauer werde Lowcost-Service zum Premiumpreis nicht funktionieren.

Foerster: Wir haben in der Corona-Pandemie den Bordservice eingeschränkt, der persönliche Kontakt wurde reduziert. Zudem gab es Qualitäts- und Personalprobleme beim Caterer, immer wieder waren wichtige Produkte nicht an Bord. In den vergangenen Monaten haben wir das Essen in allen Klassen in Bezug auf Qualität und Quantität deutlich aufgewertet. Insgesamt haben wir allein in diesem Jahr zusätzlich einen zweistelligen Millionenbetrag investiert.

Passagiere bemängeln auch die in die Jahre gekommene Kabinenausstattung.

Foerster: Eigentlich wollten wir 2020 mit der Boeing 777X auf der Langstrecke in allen Klassen ein neues Bordprodukt einführen. Die Auslieferung dieses Flugzeugtyps verspätet sich. Die Produktoffensive beginnt deshalb im zweiten Halbjahr 2023, zunächst mit werksneuen Airbus A350 und Boeing 787. Insgesamt werden 108 Flugzeuge mit 31.000 neuen Sitzen in allen Klassen ausstattet oder erneuert, inklusive First und Business Class. Das ist die größte Investition, die Lufthansa in die Kabinenausstattung tätigt. In jeder Klasse gibt es Differenzierungen. In der Economy Class gibt es zum Beispiel Plätze mit mehr Beinfreiheit. In der Business Class wird es Plätze geben, die sich speziell zum Arbeiten oder Schlafen eignen. Aber um die Zeit zu überbrücken, haben wir bereits gehandelt und bieten seit einigen Monaten ein aufgewertetes Business-Class-Produkt auf ausgewählten Langstreckenflugzeugen. Bei unseren Kunden kommt das sehr gut an.

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Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.