Wolfsburg. Corona-Kosten und Investitionsdruck für das Unternehmen, Wunsch einer Lohnerhöhung für die Beschäftigten nach langem Warten: Dies ist das Spannungsfeld in den Tarifgesprächen bei VW. Der Zeitdruck wächst.

Nach der dritten Verhandlungsrunde zum neuen Haustarif für die gut 120.000 westdeutschen Volkswagen-Beschäftigten hält die IG Metall Warnstreiks bei Europas größtem Autobauer für zunehmend wahrscheinlich.

"Da VW nicht in der Lage oder willens ist, auch nur einen Millimeter auf uns zuzukommen, sind die Kolleginnen und Kollegen mittlerweile ziemlich verärgert", sagte der Bezirkschef der Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger, am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur.

Zuvor waren die Gespräche mit dem Management ohne ein konkretes Tarifangebot zu Ende gegangen. Damit sei "die Wahrscheinlichkeit, dass wir im März Warnstreiks haben werden, gestiegen", so Gröger. Man werde die Beschäftigten jetzt entsprechend mobilisieren, kündigte er an. Bisher sei kein Datum für eine vierte Runde vereinbart worden. Die IG Metall fordert vier Prozent mehr Geld, mehr Möglichkeiten für eine Umwandlung in freie Tage und weitere Ausbildungsgarantien.

VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel bekräftigte, es müssten weiterhin die besonderen Auswirkungen der Corona-Krise berücksichtigt werden. Trage man dem Rechnung, schaffe dies "die Basis für ein Angebot". Er betonte: "Volkswagen ist an einem tragfähigen, fairen und zukunftsfesten Abschluss interessiert." Nötig sei dafür aber Kostendisziplin angesichts gleichzeitig hoher Investitionen. "In den nächsten Jahren kommt es darauf an, uns im Bereich Software und Digitalisierung eine Spitzenposition zu erarbeiten", erklärte Meiswinkel. Dies sichere dann auch Standorte und Jobs.

Aus Sicht der Gewerkschaft sind diese Positionen hinlänglich bekannt. Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte dem Unternehmen schon vor dem Treffen eine Hinhaltetaktik vorgeworfen. "Das ewig gleiche Gerede von den angeblich schwierigen wirtschaftlichen Vorzeichen können die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr hören", hieß es in einem Brief an die Mitglieder. Nun ergänzte er: "Wenn die Unternehmensseite dieses Versteckspiel nicht bald beendet, werden wir dafür sorgen müssen."

Die IG Metall fühlt sich gestärkt, weil derzeit auch der Flächentarif der Metall- und Elektrobranche im VW-Stammland Niedersachsen verhandelt wird. Hier legten die Arbeitgeber inzwischen Eckpunkte eines Angebots vor. Demnach könnten die Beschäftigten 2022 eine noch nicht näher bezifferte Einmalzahlung und ab dem zweiten Halbjahr 2022 eine Tabellenerhöhung der Entgelte erhalten. Aber eine Nullrunde 2021 hält Gröger für inakzeptabel. Die Friedenspflicht endet am 1. März.

Zum Thema Ausbildung erklärte Volkswagen, hier seien Ergebnisse einer Arbeitsgruppe diskutiert worden. Auch Gröger sagte, man habe sich mit der Lage und Zukunft der Lehrlinge "intensiv auseinandergesetzt".

Eigentlich hätte es bereits im Frühjahr 2020 einen Abschluss geben sollen, doch die Tarifpartner klammerten im damaligen "Notvertrag" wichtige Fragen aus. Für das abgelaufene Jahr meldete VW trotz aller Corona-Folgen einen Betriebsgewinn von rund zehn Milliarden Euro.

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