Berlin. Die 2010er-Jahre waren das Jahrzehnt des SUV. Die Pkw-Riesen sind der meistverkaufte Autotyp. Das hat Auswirkungen auf die CO₂-Bilanz.

  • Die Deutschen lieben ihre großen Autos – SUV verkaufen sich derzeit besonders gut
  • Das ist ausgesprochen ungünstig für die Umwelt, denn ihre CO2-Bilanz ist finster
  • Warum die Hersteller trotz neuer Grenzwerte durchkommen werden
  • Welche Alternativen es schon bald geben soll zum Klima-Killer

Trotz aller Klimadebatten kaufen die Deutschen mehr und größere Autos. So sinken die CO₂-Emissionen bislang nicht. Im Gegenteil: Seit 2014 steigt der Ausstoß der kompletten Neuwagenflotte wieder und liegt heute wieder über dem Niveau von 2010. Schuld daran ist nicht zuletzt der steile Aufstieg des SUV, wie eine Auswertung unserer Redaktion auf Grundlage der offiziellen Neuzulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamts (KBA) zeigt.

Modelle wie VW-Tiguan, Ford Kuga oder Mercedes GLK sind Verkaufsschlager – ausgerechnet Autos mit überdurchschnittlichem CO₂-Ausstoß. Im vergangenen Jahr haben mit 1.127.611 Neuzulassungen erstmals die Millionengrenze geknackt. Damit endeten die 2010er-Jahre nicht nur mit Klimaprotesten, sondern auch als das Jahrzehnt des SUV.

Die Pkw-Riesen haben seit 2010 gleich drei Fahrzeugsegmente mit durchschnittlich weniger CO₂-Ausstoß übersprungen: neben der jahrzehntelang vorherrschenden Kompaktklasse (VW Golf, Skoda Octavia, Ford Focus) auch die Kleinwagen (VW Polo, Mini, Opel Corsa) und Autos der Mittelklasse wie VW Passat, Mercedes C-Klasse oder Audi A4. Heute ist fast jeder dritte neu zugelassene Pkw ein SUV oder Geländewagen.

Fahrzeugzulassungen: Experten rechnen mit noch mehr SUVs

Und Autoexperten erwarten, dass ihr Anteil weiter steigt. „Treiber bleiben aus Kundensicht der Wunsch nach einfachen Einstiegen und einer hohen Übersichtlichkeit sowie das subjektive Sicherheitsempfinden“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Doch der deutsche Automarkt muss nun runter vom CO₂. Denn für 2020 gelten neue EU-weite Grenzwerte von durchschnittlich 95 Gramm CO₂ pro Kilometer- zunächst nur 95 Prozent Neuzulassungen, ab 2021 für die komplette Flotte. Das entspricht einem Verbrauch von 3,6 Litern Diesel oder 4,1 Litern Benzin auf 100 Kilometer.

Hersteller können CO₂-Ausstoß auf dem Papier senken

Diese Werte werden laut der Auswertung unseres Interaktiv-Teams im Durchschnitt von keiner Automarke erreicht – mit Ausnahme von Tesla. Doch deutsche Autobauer zeigen sich optimistisch, den Klimazielen nahe zu kommen. Volkswagen erwartet daher einen Zielwert „etwas oberhalb“ der EU-Marke von 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer, Mercedes geht von 105 Gramm aus.

Für die Hersteller gibt es zahlreiche legale Tricks, den durchschnittlichen CO₂-Wert auf dem Papier zu senken. So gibt es einen Rabatt für Hersteller, die besonders viele schwere Autos mit großem Spritdurst verkaufen. Der Schlüssel sind aber Elektroautos.

Sie gehen mit null Gramm CO₂ in die Berechnung ein – unabhängig vom tatsächlichen Strommix, der sie antreibt. Und sie können noch bis 2023 mehrfach angerechnet werden – diese sogenannten Supercredits gelten für alle Fahrzeuge unter 50 Gramm.

Elektro-Wende erwartet – auch bei den SUVs

Branchenexperten erwarten nun eine Elektro-Wende, zumindest beim Angebot. „Die 2020er-Jahre stehen im Zeichen der Elektrifizierung“, sagt Automobilexperte Bratzel. Der Druck der CO₂-Gesetzgebung zwinge die Hersteller ab 2020 zunehmend dazu. Für mehr Klimaschutz im Verkehr hat sich zudem Anfang Februar Bundesumweltministerin Svenja Schulze für ein Bonus-Malus-System beim Kauf von Autos ausgesprochen. Dies würde schwere Fahrzeuge mit hohem Spritverbrauch teurer und Elektroautos günstiger machen.

Und tatsächlich kommen nun etliche neue, massentaugliche Elektromodelle. So will VW mit vollelektrischen Modellen wie dem ID.3 seinen Elektro-Anteil 2020 auf vier Prozent steigern. Den weiteren Aufstieg des SUV wird das wohl nicht stoppen. „Hersteller werden die SUVs zunehmend elektrifizieren und sie dadurch wieder ‚gesellschaftsfähiger‘ machen“, sagt Auto-Experte Bratzel. So hat nun auch Mercedes mit dem EQC 400 4MATIC sein erstes Elektroauto – ein SUV.

Mehr zum Thema SUV und einer möglichen Elektro-Wende:

Die Hersteller müssen den Verkauf von Elektroautos massiv ankurbeln. Schaffen Elektro-Autos 2020 endlich den Durchbruch? Sogar der Ford Mustang kommt jetzt als E-Version. Und ganze neue Player drängen auf den Markt, wie die türkische E-Automarke TOGG.

Nicht zuletzt wird ja auch Tesla ein Hersteller in Deutschland: So könnte die Tesla-Fabrik in Deutschland aussehen. Die SUV-Debatte wird anhalten. Sie betrifft nicht allein das Klima, sondern auch die Flächengerechtigkeit in den Städten und die Sicherheit im Stadtverkehr - wie der Berliner Fall des Porsche-SUV-Fahrers zeigt.