Tokio. Ab Montag dürfen Wale nach japanischem Recht wieder legal für den Verzehr geschossen werden. Weltweite Kritik daran bleibt ungehört.

Für viele Wale vor den Küsten Japans hat die letzte Stunde geschlagen. Während sich das Hightech-Land am Wochenende stolz als Gastgeber des Gipfels der Top-Wirtschaftsmächte (G20) in der Stadt Osaka präsentierte, trafen seine Walfänger im hohen Norden des Landes die letzten Vorbereitungen zur großen Jagd. Sobald am Montag nach dem G20-Gipfel Japans Austritt aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) formal in Kraft tritt, wollen sie vom Hafen Kushiro mit wehenden Fahnen in See stechen.

Zwar hat Japan schon bisher jedes Jahr Hunderte Wale getötet – nach offizieller Darstellung zu „wissenschaftlichen Zwecken“, was trotz des seit 1986 geltenden Moratoriums erlaubt ist. Doch nun beginnt die drittgrößte Volkswirtschaft erstmals seit drei Jahrzehnten wieder mit der kommerziellen Jagd auf die Meeressäuger. Da mag es aus aller Welt noch so viel Kritik geben.

„Wir wollen unsere Kultur der Waljagd wieder aufleben lassen“, frohlockt der Bürgermeister der alten Walfangstadt Shimonoseki. Auch aus seinem Hafen sollen Walfangschiffe in See stechen. Fortan will man sich auf Japans eigene territoriale Gewässer und exklusive Wirtschaftszone beschränken. Wie aus der Regierung verlautete, stehen auf der Abschussliste Zwerg-, Sei- und Brydewale. Wie viele Tiere bis Ende August sterben werden, steht noch nicht fest. Bislang hat das Fischereiministerium noch keine Quoten bekannt gegeben.

Walfang brachte Japan in den 1960ern jährlich 200.000 Tonnen Fleisch

Wurden in den 1960er-Jahren rund 200.000 Tonnen jährlich in Japan gegessen, kamen aus dem „wissenschaftlichen Walfang“ zuletzt noch rund 5000 Tonnen jährlich auf den Markt. Obwohl noch keine genauen Fangzahlen bekannt sind, schätzen Walfänger das Angebot im Zuge der nun bevorstehenden Aufnahme der kommerziellen Jagd nächstes Jahr auf etwa 2000 Tonnen. Das vergleichsweise geringe Angebot könnte damit zusammenhängen, dass Japan seine bisherige „Forschungsjagd“ in der Antarktis einstellen wird.

2006 vor Australien: Ein harpunierter Wal wird im Atlantischen Ozean an Bord des japanischen Walfangschiffes „Yushin Maru“ gezogen.
2006 vor Australien: Ein harpunierter Wal wird im Atlantischen Ozean an Bord des japanischen Walfangschiffes „Yushin Maru“ gezogen. © dpa | Jeremy Sutton-Hibbert

Der für Umwelt zuständige EU-Kommissar Karmenu Vella zeigte sich in einem Interview mit der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo jedoch darüber besorgt, dass es nun auch noch zu verstärkten Exporten von Walprodukten nach Japan aus Island und Norwegen kommen könnte. Beide Staaten jagten in der Vergangenheit ebenfalls Wale, auch zu kommerziellen Zwecken.

Norwegen hatte gegen das Walfang-Moratorium Einspruch erhoben, Island Vorbehalte angemeldet. Beide sind zwar keine EU-Mitglieder, doch hatte das EU-Parlament die EU-Kommission per Resolution aufgefordert, die Nutzung von Häfen von EU-Mitgliedsstaaten für die Ausfuhr von Walfleischprodukten nach Japan zu verhindern, so Kyodo weiter.

Japan drängte immer wieder auf Reform des Walfang-Moratoriums

Tokio hatte seit vielen Jahren beklagt, dass es einigen Mitgliedsländern der IWC nur um Walschutz gehe. Die ursprüngliche Aufgabe der IWC sei aber die Erhaltung der Bestände und die nachhaltige Nutzung der Tiere. Japan drängte immer wieder auf eine Reform des Gremiums. Am Ende riss der Regierung der Geduldsfaden: Sie trat aus der Organisation aus.

Doch Japan weiß, dass es jetzt nicht einfach walten und schalten kann, wie es will. Auch künftig gelten für Japan internationale Gesetze. Man werde weiter einer internationalen Kooperation für ein angemessenes Management maritimer Ressourcen verpflichtet sein, hieß es. So will Japan als Beobachter den Beratungen der IWC beiwohnen.

Dennoch sind Umweltschützer besorgt. Die Überfischung sowohl in japanischen Küstengewässern als auch in Gebieten auf hoher See habe zum Schwund vieler Walarten geführt, so Greenpeace. Die Organisation OceanCare befürchtet, dass Japans Austritt aus der IWC das Überleben einiger Walpopulationen auch im Nordwestpazifik gefährden wird.

OceanCare widersprach zudem Japans Behauptung, bestimmte Walarten wie etwa die Zwergwale hätten sich wieder deutlich erholt. Hier müsse genauer hingeschaut werden. Zwergwale kämen in „komplexen Populationsstrukturen“ vor. So gelte ein Zwergwalbestand im Nordwestpazifik als stark gefährdet. „Einer direkten kommerziellen Bejagung wird diese Population nicht standhalten. Wir werden daher diese und vermutlich auch andere Walpopulationen verlieren“, kritisierte Nicolas Entrup, Ocean-Policy-Experte bei OceanCare.

Wal-Markt gilt bei Unternehmen als schwierig

Walfang ist für Japan schon seit Langem zu einer Frage der nationalen Souveränität geworden. Zunächst war es jedoch die amerikanische Besatzungsmacht gewesen, die Japan nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg dazu gedrängt hatte, für die hungernde Bevölkerung Wale zu schlachten, um sie mit Proteinen zu versorgen. Doch das ist lange her, heute findet das dunkle Walfleisch nur wenige Liebhaber.

Das wird sich nach Meinung der Regierung jedoch dank der nun beginnenden kommerziellen Jagd schnell ändern. Die Leute müssten nur auf den Geschmack gebracht werden, meint sie. Dann werde auch wieder mehr Wal gegessen.

Wie schwierig der weltweite Markt ist, zeigt eine Nachricht, die am Wochenende die Runde machte: Erstmals seit 17 Jahren werden auf Island nach Angaben des Rundfunks in diesem Sommer keine Wale gejagt. Wie der isländische Rundfunksender Rúv berichtete, wird auch keine Jagd auf Zwergwale gemacht.

Der Betrieb IP Utgerd, der demnach Zwergwale für den Verzehr auf Island fängt, will den Fang dieser Art diesmal aussetzen. Hvalur, das einzige Unternehmen, das Finnwale für den Export nach Japan fängt, ist nach Rundfunkangaben darüber hinaus zu der Einschätzung gelangt, dass die Marktbedingungen in dem asiatischen Land zu schwierig seien.

Die Tierschutzorganisation Pro Wildlife bezeichnete das als „äußerst gute Nachrichten“. Bis zu 209 Finn- und 217 Zwergwalen bleibe so der qualvolle Tod durch Explosivharpunen erspart. So viele Wale hat das isländische Meeresforschungsinstitut als jährliches Maximum für die Jagd empfohlen. Laut dem Rundfunksender wurde die Waljagd in isländischen Gewässern nach einer mehrjährigen Unterbrechung im Jahr 2003 zu wissenschaftlichen Zwecken wieder aufgenommen. Der kommerzielle Walfang wurde demnach 2006 wieder gestartet. (fmg/dpa)