Berlin. Interessierte sollten ihre Uni oder Hochschule mit Bedacht auswählen. Die Lehrpläne in Informatik setzen unterschiedliche Schwerpunkte.

82.000 IT-Fachkräfte fehlen in Deutschland, hat der Digitalverband Bitkom für das Jahr 2018 ermittelt. Ein sprunghafter Anstieg: 2017 waren „nur“ 55.000 Stellen unbesetzt. Grund dafür ist die Digitalisierung, die in allen Branchen rasant voranschreitet – vor allem in Bereichen wie Datensicherheit und künstliche Intelligenz.

Der Mangel an Fachkräften ist die eine Perspektive, die andere die hervorragenden Berufsaussichten, die sich dadurch für Hochschulabsolventen ergeben.

Wer sich für ein Studium im Bereich Informatik interessiert, hat die Qual der Wahl. Allein im Raum Berlin und Potsdam bieten die verschiedenen staatlichen und privaten Hochschulen rund 50 entsprechende Bachelor- und Master-Studiengänge an. Außer den Inhalten machen auch die Zugangsvoraussetzungen einen Un­terschied.

400 Erstsemester im Bachelorstudium Informatik

Die Technische Universität (TU) Berlin hat zum laufenden Wintersemester in ihrem Bachelor-Studiengang Informatik 400 Studienanfänger aufgenommen. Pro­­fessor Uwe Nestmann ist Studiengangsbeauftragter für Informatik und Computer Science.

Nestmann wirbt für sein Fach: „Die TU ist gut ausgestattet, die Lage des Campus sorgt für kurze Wege, wir haben das größte Lehrangebot, und vor allem im Master wird das durch die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie An-Instituten noch bereichert.“

Sogenannte An-Institute sind Einrichtungen, die zwar mit einer Hochschule eng verflochten, aber dennoch eigenständig sind.

Viel theoretische Informatik auf dem Lehrplan

Nestmann weist alle Studieninteressierten aber auch darauf hin, dass in der klassischen Informatik viel Theorie und Mathematik auf dem Lehrplan steht. Das würden viele Studienanfänger nicht erwarten.

Informatik ist vor allem Rätsellösen, effiziente Wege finden, und logisch argumentieren, warum das Lösungswege sind“, erklärt der Professor.

Benjamin Michéle hat an der TU Technische Informatik studiert und als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich IT-Sicherheit sowie IT-Consultant gearbeitet. Aktuell gründet er mit zwei Freunden das Start-up sopher.io, eine Plattform für sichere Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams.

Die Entscheidung für sein Studium, das Elektrotechnik und Informatik kombiniert, fiel ihm damals leicht: „Beides hat mich schon immer interessiert“, erzählt der 38-jährige Berliner.

„Aber es geht bei diesem Studiengang nicht nur um die Inhalte aus den beiden Fächern im Einzelnen“, erklärt Michéle. Gelehrt werde auch, wie man beides verknüpft, zum Beispiel bei der Entwicklung eines Com­puter-Chips.

Informatikstudium statt Modebranche

Caterina Mandel (20) hatte zuerst mit der Modebranche geliebäugelt. Sie machte Praktika und stellte fest: „Ich wollte lieber was studieren, was mich mehr fordert.“ Ihr Vater, auch in der Informatik tätig, riet ihr zum Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam.

Caterina Mandel studiert IT-Systems Engineering am Hasso-Plattner-Institut (HPI).
Caterina Mandel studiert IT-Systems Engineering am Hasso-Plattner-Institut (HPI). © Massimo Rodari | Massimo Rodari

Nach einer Studienberatung war sie sicher: „Auch wenn ich mit dem Fach bis dahin nichts zu tun hatte, war mir das alles hier so sympathisch, dass ich das einfach ausprobieren wollte.“ Mathematik sei ihr in der Schule immer leichtgefallen und technisch interessiert war sie ohnehin.

Herausfinden, wie Informatik im Alltag funktioniert

Mandel findet die Informatik „spannend, weil wir uns eigentlich ständig damit beschäftigen. Ich wollte herausfinden, wie das funktioniert“. Inzwischen studiert sie im dritten Semester IT-Systems Engineering.

Sie ist begeistert: „Im ersten Semester musste ich schon viel machen, um mitzukommen. Aber seitdem macht alles in jedem Semester immer noch mehr Spaß.“

„Wie der Name IT-Systems Engineering schon sagt, schauen wir mit einer ingenieurwissenschaftlichen Perspektive auf das Fach“, erklärt Professor Holger Giese, Studienberater am HPI.

Es werde auch abstraktes und theoretisches Wissen vermittelt. „Aber wir versuchen, das im Studium schon so zu kombinieren, dass man auch praxisnah anwendbare Kenntnisse und Fertigkeiten entwickelt.“

Das motiviere die Studierenden mehr als Theorie. Der Praxisbezug gipfelt im zwei Semester dauernden Bachelor-Projekt, das für einen externen Partner aus Industrie, Verwaltung oder einem gemeinnützigen Verein als „Auftraggeber“ erarbeitet wird.

Test soll Studierfähigkeit von Bewerbern prüfen

Die 80 Studienplätze im Bachelorstudiengang IT-Systems Engineering am HPI sind sehr begehrt, das Bewerbungsverfahren ist anspruchsvoll: Der Abitur-Durchschnitt zählt zu 51 Prozent, die Schulnoten in den Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch und – wenn belegt – Informatik machen weitere 24 Prozent aus.

Aber auch die Motivation und studienspezifische Kompetenzen, festgestellt in einem sogenannten Studierfähigkeitstest, werden mit 25 Prozent berücksichtigt.

Alexander Ernst hat 2017 seinen Masterabschluss am HPI gemacht. „Was viele über das Trockene am klassischen Informatik-Studium erzählt haben, hatte mich abgeschreckt“, so der 27-Jährige.

Alexander Ernst ist IT-Berater.
Alexander Ernst ist IT-Berater. © Christine Persitzky | Christine Persitzkv

Am HPI habe ihn der Praxisbezug überzeugt. Für ihn, der inzwischen als IT-Consultant bei der Unternehmensberatung Netlight ar­beitet, war das die optimale Vorbereitung auf den Berufseinstieg. Klar fände jeder Informatiker irgendeinen Job, sagt Alexander Ernst. Aber: „Es ist dann eben so, dass man wählerisch sein kann.“

Informatikstudium mit „sozialer Komponente“

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin bietet sieben Bachelor- und sechs Masterstudiengänge in Informatik an. Für den Studienberater Andreas Raulfs ist auch die Art und Weise des Studierens ein Kriterium bei der Wahl der Hochschule.

„Viele mögen es etwas persönlicher“, so seine Erfahrung. „Wenn wir in einem Studiengang 80 Studienplätze haben, werden die in zwei Gruppen aufgeteilt“, erklärt Raulfs. Das Studium bekommt so eine „soziale Komponente“ und das wollten viele.

Brandon Mandzik studiert an der HTW im dritten Semester im internationalen Studiengang Medieninformatik. An Lösungen zu knobeln, liege ihm sehr, sagt der 20-Jährige. Algorithmisches Denken sei einfach seins.

Brandon Mandzik studiert Medieninformatik an der HTW Berlin.
Brandon Mandzik studiert Medieninformatik an der HTW Berlin. © Christine Persitzky | Christine Persitzky

Unterrichtet wird teilweise auf Englisch. Ein Fachpraktikum von mindestens 19 Wochen muss im Ausland absolviert werden. Auch die HTW-Professoren kennen sich in der Praxis aus: Sie müssen mindestens fünf Jahre in der Praxis tätig gewesen sein.

Gebühren an der privaten Hochschule

Während TU, HTW und HPI gebührenfrei sind, kostet das Informatikstudium an der privaten Code University of Applied Sciences Gebühren. Manuel Dolderer ist einer der drei Gründer, 2017 wurde die Hochschule eröffnet.

„Wir sind davon überzeugt, dass die klassische Art der Bildung oder Ausbildung, wie sie an Universitäten und Schulen heute stattfindet, nicht mehr zeitgemäß ist“, sagt Dolderer.

In einem Orientierungssemester probieren sich die Studierenden in Teams zunächst in allen drei Fachrichtungen, erst dann entscheiden sie sich für einen der Studiengänge Software Engineering, Interaction Design oder Product Management.

Das Studium ist international ausgerichtet, die Studierenden kommen aus mehr als 40 Ländern. Die Unterrichtssprache ist Englisch. Gezahlt wird entweder während des Studiums (750 Euro pro Monat) oder später, wenn man seinen ersten lukrativen Job hat. Dann ist ein festgelegter Prozentsatz des Einkommens fällig.

Erst programmieren, dann die Theorie lernen

Selma Illig hatte bereits einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft, als sie an die Code University kam. Inzwischen ist die angehende Software-Entwicklerin im dritten Semester. „Wir programmieren wahnsinnig viel“, erzählt sie.

Die angehende Software-Entwicklerin Selma Illig studiert an der Code University.
Die angehende Software-Entwicklerin Selma Illig studiert an der Code University. © Christine Persitzky | Christine Persitzky

Die Studierenden beginnen mit der Praxis und lernen erst anschließend die Theorie. Das bringe schnell Erfolgserlebnisse, findet die 23-Jährige.

Völlig unabhängig von Studienrichtung oder Arbeitsschwerpunkt sind sich alle in einem Punkt einig: Arbeiten als Informatiker, Software-Entwickler oder IT-Ingenieur, das geht heute nur noch im Team.

Das Klischee vom Nerd, der isoliert im abgedunkelten Zimmer hockt, sei passé. Die wichtigsten Eigenschaften, die man ins Studium mitbringen oder spätestens dort lernen sollte, seien Kommunikations- und Teamfähigkeit.