Berlin. Die Deutschen müssen sich auf neue Ausstände im öffentlichen Dienst einstellen. Die Gewerkschaften riefen Beschäftigte zu Streiks auf.

Schulen, Kliniken, Kitas, Ämter: Im öffentlichen Dienst drohen neue Warnstreiks, die Deutschen müssen sich auf neue Ausstände einstellen.

Die Gewerkschaften riefen die Beschäftigten am Montag nach dem ergebnislosen Auftakt der Tarifverhandlungen in Berlin zu ersten Aktionen auf, wie Verdi und der Beamtenbund dbb mitteilten. Als wahrscheinlich galt, dass noch ab Januar beispielsweise Kitas in den Stadtstaaten bestreikt werden, genauso Universitätskliniken, Ämter und Schulen.

Länder lehnten Forderungen als überzogen ab

Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Verhandelt wird laut dbb für eine Million Tarifbeschäftigte der Länder außer Hessen, das eigene Tarifverhandlungen führt.

Übertragen werden solle der Abschluss auf rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger. Die Länder lehnten die Forderungen als überzogen ab. Beide Seiten wollen am 6. und 7. Februar sowie 28. Februar und 1. März erneut zusammenkommen, dann in Potsdam.

Öffentlicher Dienst verhandelt Tarife neu – das Wichtigste in Kürze:

  • Im öffentlichen Dienst soll es neue Tarife geben
  • Aufgrund der erwarteten harten Verhandlungen drohen Streiks
  • Aus der Politik wird Kritik an den Forderungen der Gewerkschaft laut

Die Gewerkschaften wollen auch eine Aufstockung um 300 Euro in der Gehaltstabelle für die Krankenpflege. 100 Euro mehr pro Monat soll es für Azubis und Praktikanten geben. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen.

Wo der Abstand des öffentlichen Dienstes zur Privatwirtschaft besonders groß sei, sollten die Betroffenen die Verbesserung besonders deutlich spüren, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. „Da geht es um Techniker, Meister, Ingenieure, qualifizierte Fachhochschulabsolventen“, so Bsirske. „Da muss man ran und das verbinden mit einer deutlichen Erhöhung bei den unteren Lohngruppen.“

Bsirske: Fachkräftemangel eklatant

„Wir reden im Moment über 17,1 Milliarden, die erstmal noch im Säckel da sind zum Verteilen“, sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach. So hoch seien die Steuerüberschüsse der Länder. Die Gewerkschaftsforderungen kosteten 6,4 Milliarden Euro. Das Geld sei – wenn die Länder den Forderungen folgten – gut angelegt. „Neben der Infrastruktur muss das Personal leistungsfähig geschaltet werden.“

Bsirske sagte: „Wir sind in einer Situation anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs, und zwar gestützt auf den Binnenmarktmotor, der sich wiederum einer guten Lohnentwicklung verdankt.“ Dieser Motor müsse angesichts von Brexit und Handelskonflikten rund um die USA stabilisiert werden. Der Fachkräftemangel sei zudem in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes eklatant.

Streiks drohen in „Steuerverwaltungen und Finanzämtern“

Dass man sich schnell einig wird, scheint ausgeschlossen. Vorsorgliche warnte Ulrich Silberbach, Chef des Deutschen Beamtenbundes (DBB), bereits vor drei Wochen vor Streiks. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nannte Silberbach als Beispiel für mögliche Streikeinsätze „Steuerverwaltungen und Finanzämter“– eine für den Staat durchaus empfindliche Stelle.

„Für die Öffentlichkeit ist das unsensibel, für die Politik hochsensibel. Wir würden an den entscheidenden Stellen Nadelstiche setzen“, begründete Silberbach die Auswahl. Außerdem könne er sich vorstellen, dass sich „viele Menschen darüber freuen, wenn sie mal ein paar Wochen keinen Steuerbescheid erhalten.“

TdL-Verhandlungsführer hält Forderungen für „nicht finanzierbar“

Zunächst rechnen die Länder schon einmal anders. „Wenn man das Paket zusammenrechnet, liegt es bei zehn Prozentpunkten in einem Jahr“, sagte ihr Verhandlungsführer, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und amtierender Chef der Länder-Tarifgemeinschaft TdL, über die Forderungen. „Und das ist zuviel.“ Jeder Prozentpunkt mache 1,3 Milliarden Euro aus.

Und sie argumentieren mit ihrem Schuldenberg und dem endgültigen Greifen der Schuldenbremse ab 2020. Das bedeute, dass es Vorgaben an die Länder gebe, von ihren rund 570 Milliarden Schulden etwas zurückzubezahlen, so Kollatz. „Es muss unter einen Hut gebracht werden, dass wir mehr Leute einstellen wollen (...), das Zweite ist, jawohl, es soll mehr für die Beschäftigten geben und als Drittes: Es muss möglich sein, dem Investitionsbedarf Rechnung zu tragen und dem Schuldendeckungsbedarf.“

Übernahme des Tarifabschlusses mit 7,5 Prozent mehr Geld sei ausgeschlossen

Die Arbeitgeber seien daran interessiert, „auf dem Verhandlungsweg“ und ohne Arbeitsniederlegungen zu einem Ergebnis zu kommen. Er hoffe, dass dies auch für die Gewerkschaften gelte, sagte Kollatz.

Eine Übernahme des Tarifabschlusses, den Bund und Kommunen im vergangenen Frühjahr aushandelten, schloss Kollatz aus. Damals hatten Arbeitgeber und Gewerkschaften nach einer identischen Forderung ein Lohnplus von insgesamt 7,5 Prozent in drei Stufen bis März 2020 vereinbart.

„Die Bundesländer haben mehr als doppelt so viel Personal wie Bund und Kommunen zusammen. Die Länder müssen deshalb viel stärker aufs Geld schauen“, sagte der TdL-Verhandlungsführer.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) führt die Tarifgespräche im öffentlichen Dienst.
Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) führt die Tarifgespräche im öffentlichen Dienst. © picture alliance/dpa | dpa Picture-Alliance / Gregor Fischer

Kollatz: Privatwirtschaft wird immer mehr zahlen

Beim Werben um Nachwuchs und um Fachkräfte wollen die Bundesländer nicht in einen Bezahlwettbewerb mit privaten Unternehmen treten. „Diesen Wettbewerb können wir nicht gewinnen“, sagte Kollatz.

„Die Bezahlung spielt eine Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers, aber wir werben mit qualitativen Merkmalen: Männer und Frauen bekommen im öffentlichen Dienst bei derselben Tätigkeit denselben Lohn.“ Es gebe auch mehr Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten. (phn/tki/dpa/les)