Berlin. In den vergangenen Jahren sind Hunderttausende Zuwanderer nach Deutschland gekommen. Doch ausgerechnet Fachkräfte ziehen wieder weg.

Ihre Motivation für die Zuwanderung ist so unterschiedlich wie ihre Nationalität. Junge Leute kommen gerne zum Studieren, Berufstätige oder Familien suchen in Deutschland neue Herausforderungen oder eine bessere wirtschaftliche Basis.

Dazu zählen Computerspezialisten aus Indien genauso wie Saisonkräfte, Erntehelfer oder Pflegekräfte aus Osteuropa. Die meisten Zuwanderer hierzulande stammen derzeit aus Europa, gefolgt von Asien und Afrika. Doch keineswegs wollen alle hier auch dauerhaft bleiben.

So sind in den vergangenen Jahren zwar viele Menschen zugewandert, doch zahlreich haben sie Deutschland auch wieder den Rücken gekehrt: Allein im Jahr 2017 kamen 1,39 Millionen Ausländer nach Deutschland, darunter waren 850.000 EU-Bürger. Gleichzeitig wurden 708.000 Fortzüge registriert. Das ergab eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Unterm Strich blieben damit hierzulande nur 680.000 Zuwanderer, wovon wiederum zwei Drittel aus EU-Staaten kamen.

Ökonom: Zuwanderung von Fachkräften wird immer wichtiger

Die Nettozuwanderung lag somit seit 2014 jeweils über einer halben Million. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer stieg seit 2012 von 2,2 Millionen auf 3,5 Millionen.

„Die Zuwanderung von Fachkräften wird für Deutschland in Zukunft immer wichtiger, um die Folgen des demografischen Wandels am Arbeitsmarkt und bei den Sozialversicherungen abzumildern“, sagt Wido Geis-Thöne, IW-Ökonom und Autor der Studie. Spätestens in zehn Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gingen, müsse die Zahl der Arbeitskräfte hierzulande deutlich erhöht werden. Umso wichtiger sei es deshalb, zugewanderte Arbeitskräfte im Land zu halten.

Insgesamt haben von jenen Ausländern, die vier bis zehn Jahre in Deutschland waren, 2017 rund 8,6 Prozent das Land verlassen. Darunter waren laut IW besonders viele Fachkräfte. „Gleichzeitig ist jeder fünfte erwerbstätige MINT-Akademiker bereits heute ein Zuwanderer.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wer verlässt Deutschland, und was sind die Gründe dafür? Diesem Problem ist das IW-Institut anhand einer Befragung von Zugewanderten im Rahmen des Sozioökonomischen Panels (SOEP) nachgegangen. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei offenbar die familiäre Situation und die Verwurzelung in der Gesellschaft. So wollen zugewanderte Familien mit zwei und mehr Kindern im Haushalt deutlich seltener das Land wieder verlassen. Vielmehr möchten sich zahlreiche von ihnen einbürgern lassen, um ihren heranwachsenden Kindern eine Perspektive in Deutschland zu bieten.

Gerade hochqualifizierte Singles sind häufig auf dem Absprung

Wichtig ist zudem, wie wohl sich die Zuwanderer hierzulande fühlen und sich mit Deutschland identifizieren, so die Studie: „Je weniger sich Personen mit Migrationshintergrund selbst als Deutsche sehen, desto eher ist mit einer Abwanderung zu rechnen.“ Dabei wollen sich West- und Südeuropäer deutlich seltener einbürgern lassen als Personen aus östlichen EU-Mitgliedsländern oder aus Drittstaaten.

Hochqualifizierte ohne Familie sind dagegen deutlich häufiger auf dem Absprung – und liebäugeln damit, in ein weiteres Land oder zurück in ihre Heimat zu gehen. Studierende und Saisonarbeiter zählen wiederum generell zu jenen Gruppen, die besonders viel Bewegung in die Statistik bringen, da sie sich in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum hierzulande aufhalten wollen. Die große Mehrheit der Flüchtlinge (95 Prozent) gibt laut Studie unterdessen an, für immer in Deutschland bleiben zu wollen.

Mit Blick auf die Überalterung unserer Gesellschaft und den demografischen Wandel ist es aus Sicht der Ökonomen wichtig, nicht nur Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, sondern auch dafür zu sorgen, dass sie langfristig im Land bleiben. Wichtige Schritte dazu seien das Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte sowie flankierende Programme, Menschen in Deutschland besser zu integrieren. Dazu gehöre es auch, Fachkräfte möglichst gleich mit ihren Familien zu gewinnen, empfiehlt Geis-Thöne. Dies erhöhe die Chance, dass die Menschen sich stärker in Deutschland verwurzeln und hierblieben.

Allerdings bräuchten die Familien am Anfang auch die nötige Unterstützung, um am deutschen Arbeitsmarkt oder im Bildungssystem Fuß zu fassen. Deutschland sollte aus Sicht des IW-Ökonomen die Zuwanderung durch Werbung gezielt fördern.