Berlin. Die deutsche Wirtschaft ist auf Wachstumskurs. Der Staat hat volle Kassen. Doch es gibt mahnende Stimmen – wegen der globalen Krisen.

Der Aufschwung in Deutschland hält an: Immer mehr Menschen haben eine Arbeit und geben noch mehr Geld aus. Die Unternehmen investieren und die Baubranche boomt. Das alles beschert dem Staat einen Überschuss in Rekordhöhe.

Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen haben in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Überschuss von 48,1 Milliarden Euro verbucht. Das hat das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten errechnet. So voll waren die Kassen des Staates noch nie seit der Wiedervereinigung. Im gesamten Jahr 2017 lag der Überschuss der öffentlichen Kassen bei insgesamt 34 Milliarden Euro.

Steigende Einnahmen bei Steuern und Sozialbeiträgen füllen die Kassen des Staates. Der Haushaltsüberschuss liegt damit bei 2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. In den Euro-Staaten ist nach den „Maas­tricht-Kriterien“ eine jährliche Neuverschuldung von drei Prozent erlaubt. Zuletzt riss die Bundesrepublik als größte Volkswirtschaft Europas diese Marke 2010, als das Land mit den Folgen der Banken- und Wirtschaftskrise kämpfte. Seit 2014 kommt der Bund ohne neue Schulden aus.

Wirtschaft entwickelt sich weiter stark

Neben den Rekordeinnahmen des Staates entwickelt sich auch die Wirtschaft in Deutschland weiter stark. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Ende Juni nach Angaben der Statistiker um 0,5 Prozent gegenüber dem ersten Quartal. Neben steigenden Ausgaben des Staates und steigenden Löhnen trugen Investitionen der Unternehmen maßgeblich zum Wachstum bei. In den ersten drei Monaten hatte die Wirtschaftsleistung bereits um 0,4 Prozent zugenommen.

Auch der ungebrochene Bauboom trägt zum Wirtschaftswachstum in Deutschland bei. Wohnraummangel in den Metropolen und billige Kredite bescheren der Branche volle Auftragsbücher. Die Umsätze der Bauindustrie summierten sich im ersten Halbjahr auf 35 Milliarden Euro – 8,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und der höchste Wert seit 1995. Der Auftragseingang liegt auf ähnlich hohem Niveau. Somit ist eine Flaute nicht in Sicht. Nach Angaben des Zentralverbands Deutsches Bauhauptgewerbe beschäftigten die Betriebe im Juni 20.000 Menschen mehr als vor einem Jahr.

Die Rekordeinnahmen des Staates wecken Begehrlichkeiten. Verbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Arbeitgeberverband BDA bestehen auf Steuerentlastungen. Sie haben CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auf ihrer Seite.

Er spricht sich in der „Bild“ für eine komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages in dieser Wahlperiode aus. „Das darf jetzt kein Tabuthema mehr sein“, sagt er. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hält sich jedoch zurück. Auch im kommenden Jahr soll der Bundeshaushalt ohne neue Schulden auskommen. Ein Ministeriumssprecher verweist auf zumeist schlechter ausfallende Einnahmen des Staates im zweiten Halbjahr und steigende Ausgaben etwa wegen der Rentenerhöhung.

Einige Exportpartner Deutschlands durch Sanktionen geschädigt

Wie üblich gibt es bei guten Konjunkturdaten auch mahnende Stimmen. „Das deutsche Wachstum bleibt solide, aber die globalen Risiken sind beachtlich“, betont etwa Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der staatlichen KfW-Bank. Mit Sorge blickt er auf die von den USA ausgehenden Handelskonflikte, die der gesamten Weltwirtschaft schaden könnten.

Das sieht auch Carsten Brzeski, Chefökonom der ING-Diba, so. „Die Reihe der deutschen Exportpartner, die durch Sanktionen, Zölle oder Wirtschaftskrisen geschädigt werden, wird immer länger“, sagt er. Dies gelte zum Beispiel für die Länder China, Russland, Türkei, den Iran oder potenziell auch für Großbritannien. Dem Land drohen mit einem möglichen ungeordneten Austritt aus der Europäischen Union im kommenden Frühjahr wirtschaftliche Verwerfungen.