Berlin. Deutschland soll bei künstlicher Intelligenz führend werden. Forscher erhalten Zugriff auf mehr Daten. Doch reicht das als Förderung?

Hollywood hat sie früh als Bedrohung ausgemacht: Maschinen, die eigenständig denken und sich schließlich irgendwann gegen ihre Erschaffer erheben, sind von „Terminator“ bis zu „I, Robot“ lange beliebte Themen für Drehbuchautoren und Regisseure gewesen. Die Realität künstlicher Intelligenz (KI) ist bisher weit unspektakulärer, aber dafür um einiges praktischer: Von der Google-Suche bis zu digitalen Assistenten wie Alexa und Siri hat sie längst Einzug gehalten in den Alltag vieler Menschen.

Bisher kommen die Firmen dahinter allerdings vor allem aus den USA und China. Das will die Bundesregierung jetzt ändern – so schnell wie möglich. Am Mittwoch hat sie Eckpunkte ihrer Pläne zum Thema vorgestellt. Bis zum Ende dieses Jahres soll auf dieser Grundlage eine offizielle „Strategie Künstliche Intelligenz“ entstehen.

Deutschland soll eine führende Rolle einnehmen

Die zentrale Botschaft des Papiers: Deutschland soll bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz endlich ganz vorne mitspielen. Die Technologie sei „eine Basis-Innovation, die unsere Wirtschaft und unser Leben insgesamt verändern und verbessern wird“, erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Schon jetzt sind lernende Systeme in vielen Lebensbereichen präsent: Facebook erkennt bei hochgeladenen Fotos die Gesichter und schlägt vor, den identifizierten Nutzer zu markieren, bei Online-Einkäufen leiten Algorithmen aus den ausgesuchten Produkten Vorschläge für den nächsten Einkauf ab. Doch auch selbstfahrende Autos, wie sie in den USA zum Teil bereits auf Straßen getestet werden, und Roboter, die in der Pflege helfen sollen, fallen in die Rubrik KI.

Neben den USA ist auch China auf dem Feld aktiv

Eine konkrete Definition, welche Systeme als intelligent gelten können, sei schwierig, sagt Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Kriterien sind zum Beispiel, ob Programme und Anwendungen sich einem veränderten Kontext anpassen können, per Sprache kommunizieren und eigene Schlüsse ziehen.

Nepal, Kathmandu: Der lebensechte Roboter Sophia hält bei der „Konferenz zu Technologie für öffentliche Dienstleistungen und Entwicklungen“ die Eröffnungsrede.
Nepal, Kathmandu: Der lebensechte Roboter Sophia hält bei der „Konferenz zu Technologie für öffentliche Dienstleistungen und Entwicklungen“ die Eröffnungsrede. © dpa | Skanda Gautam

An einem Roboter zum Beispiel, der treppensteigen kann, sei nicht so sehr das Treppensteigen intelligent, „sondern wie der Roboter das gelernt hat“, sagt Burchardt. Damit sie lernen können, brauchen KI-Systeme vor allem zwei Dinge: große Mengen von Daten, aus denen sie überhaupt lernen können, und genug Rechenpower, um die Daten entsprechend verarbeiten und auswerten zu können. Das Silicon Valley bringt diese beiden Faktoren zusammen, aber auch China hat KI längst als Wettbewerbsfeld der Zukunft entdeckt.

Zusammenarbeit etwa mit Frankreich soll ausgebaut werden

Deutschland dagegen ist vom erklärten Ziel der Regierung, weltweit führender Standort für KI zu werden, derzeit weit weg – trotz anerkannter Forschung auf dem Gebiet. Die Initiative der Regierung soll deshalb vor allem Wissenschaft und Wirtschaft enger verknüpfen. Neue Lehrstühle und neue Kompetenzzentren sollen dafür entstehen, deren Forschungsergebnisse möglichst schnell in Anwendungen münden sollen.

Wer gründen will, soll besser beraten und gefördert werden, auch finanziell. Die großen Datenmengen der öffentlichen Hand will die Regierung verstärkt Forschern zugänglich machen. Auch die internationale Zusammenarbeit im KI-Bereich will sie intensivieren, vor allem mit Frankreich.

Skepsis gegen neue Technologien ist groß

Und: Die Arbeitsbedingungen für Fachkräfte in der Branche sollen deutlich verbessert werden. Denn viele Experten, die hier ausgebildet werden, nehmen ihr Wissen mit zu Unternehmen wie Google, wo sie deutlich mehr Geld verdienen. Abgesehen von einigen „Sofortmaßnahmen“ wie der Einrichtung von Kompetenzzentren sind das alles bislang vor allem Absichtserklärungen. Wie viel Geld tatsächlich wohin fließen soll, ist noch offen.

KI-Forscher Burchardt sieht die Bundesregierung zudem vor einer größeren Aufgabe als reiner Wirtschaftsförderung: „Wir haben in der Bevölkerung ein massives Akzeptanzproblem“, sagt er. Nachdem technischer und gesellschaftlicher Fortschritt lange parallel gelaufen seien, seien heute viele Menschen skeptisch bei neuen Technologien.

Die Branche selbst bleibt abwartend

„Wir müssen den Kulturwandel vollziehen. Ganz viele Fragen sind keine technologischen, sondern gesellschaftliche.“ Die Wirtschaft ist hingegen ungeduldig und macht Druck. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert, die Bundesregierung müsse ihre Strategie „zügig“ konkretisieren.

Die KI-Branche selbst will abwarten, was von den Vorhaben der Bundesregierung Realität wird, bevor sie allzu viel lobt. Der Plan gehe in die richtige Richtung, sagt Jörg Bienert, Vorsitzender des Deutschen KI-Verbands: „Entscheidend wird sein, wie konsequent die Maßnahmen umgesetzt werden.“