München. Laut Amazons Alexa-Boss David Limp soll der „smarte Lautsprecher“ vorerst nur das Plaudern lernen. Doch die Zukunft wird mehr bringen.

David Limp, Chef der Geräte-Sparte beim US-Unternehmen Amazon, hat mit seinem Team Echo, Alexa und damit die Produkt-Kategorie „smarte Lautsprecher“ erfunden. Ein Gespräch über digitale Assistenten, Verantwortung und die Zukunft künstlicher Intelligenz.

Herr Limp, was fragen Sie Alexa am häufigsten?

David Limp: Neben meinem Bett steht ein Echo Spot, den ich auch als Wecker benutze. Das Erste, was ich morgens überhaupt sage, ist: „Alexa, Schlummern.“ Davon abgesehen liebe ich es, Musik mit Echo zu hören oder damit zu kochen: Die Möglichkeit, mit Alexa mehrere Timer zu verwenden, denen ich jeweils Namen geben kann, hat die Art, wie ich koche, verändert. „Setze einen Brokkoli-Timer für x Minuten und einen Fleisch-Timer für y Minuten.“

Das betonen Sie doch nur, weil Apples Konkurrenz-Box HomePod nur einen Timer gleichzeitig verwenden kann

Limp: Nein, gar nicht – als wir vor drei oder vier Jahren anfingen, konnten wir auch nur einen Timer setzen. Aber hier sieht man, wie wir die Entwicklung von Alexa denken: Für jeden einzelnen Aspekt setzen wir ein gesondertes Team ein. Wir haben ein Team, das sich ausschließlich mit Timern und Weckern beschäftigt. Insgesamt arbeiten mehrere Tausend Menschen weltweit laufend an Alexa, viele übrigens in Deutschland. Sie unterteilen sich in viel kleinere Teams, was uns erlaubt, sehr flink mit allen möglichen Features zu sein.

Und wie groß ist das Timer-Team?

Limp: Ich schätze, es ist etwa das, was wir ein „Zwei-Pizzas-Team“ nennen. Also ein Team, das von zwei Riesen-Pizzas satt wird. Wir haben eine dreistellige Zahl solcher Teams, die Alexa jeden Tag für die Kunden verbessern.

Gibt es eigentlich auch etwas, was Sie an Alexa stört?

Limp: Zu Beginn konnte Alexa genau 13 Dinge tun. Jetzt kann sie Zehntausende. Natürlich stoße ich jeden Tag auf etwas, das sie besser machen könnte. Meine Vision von Alexa und Echo ist, der „Star Trek“-Computer zu sein und einfach alles beantworten zu können. Es wird uns noch einige Zeit kosten, bis wir so weit sind.

Fragen richtig verstehen und beantworten kann Alexa ja schon ganz gut. Was kommt als Nächstes?

Limp: Es gibt eine Menge Dinge, die wir tun werden. Über viele kann ich jetzt noch nicht öffentlich sprechen. Aber Sie werden sehen, dass wir in den nächsten zwölf bis 18 Monaten Fortschritte darin machen werden, die Unterhaltung mit Alexa weiter zu einem echten Gespräch zu entwickeln – in der Art, wie wir es gerade führen.

Für uns ist das einfach, für Computer eine ziemlich große Herausforderung. Wir als Menschen sind wirklich sehr gut darin, Kurzzeiterinnerungen zu verstehen, Computer weniger. Aber ohne dieses Verständnis weiß der Computer nicht, worüber wir vor drei Minuten sprachen.

Das menschliche Gehirn ist so verdrahtet, dass wir nicht nur ein sehr gutes Kurzzeitgedächtnis haben, sondern dieses auch gut von unserem Langzeitgedächtnis trennen können. Computer können das noch nicht. Einerseits, weil wir nicht gänzlich verstehen, wie das Gehirn das macht – und andererseits, weil wir noch nicht alle technischen Durchbrüche gemacht haben, die wir dafür brauchen. Aber wir machen Fortschritte. Wir fangen langsam an, Dinge wie Pronomen und deren Kontext zu verstehen, der linguistische Fachbegriff dafür ist Anapher.

Also nach der Frage „Wie alt ist die Stadt Weimar“ fragen zu können, wie viele Einwohner sie hat, ohne den Namen „Weimar“ wiederholen zu müssen?

Limp: Das machen wir bereits. Das ist die einfachste Form einer Anapher und der Anfang eines Kurzzeitgedächtnisses. Wir arbeiten an einem Haufen dieser unterschiedlichen Technologien. Aber wie gesagt: In den nächsten zwölf bis 18 Monaten werden wir in diesem Bereich spürbar besser werden.

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    Internetriesen sind mächtiger als je zuvor – und haben damit eine große Verantwortung. Facebook hat gezeigt, dass nicht alle darauf vorbereitet sind. Wie gehen Sie mit dieser wachsenden Verantwortung um?

    Limp: Ich weiß nicht, ob es eine wachsende Verantwortung ist, aber es ist eine Verantwortung. Jeff Bezos hat das Unternehmen vor über 20 Jahren mit dem Ziel gegründet, dass Amazon das weltweit kundenorientierteste Unternehmen sein soll. Heute wachen wir noch immer mit demselben Instinkt auf: Lasst uns den Kunden an erste Stelle setzen. Diese Verantwortung war von Anfang an da.

    Und der Kern des Amazon-Geschäfts verlangt genau das. Denn nur wenn wir das Vertrauen der Kunden behalten, können wir weiter existieren. Unsere Strategien, unsere Abläufe drehen sich alle darum, wie man es den Kunden recht machen kann. Ich glaube wirklich, dass das anders ist als bei vielen anderen Unternehmen.

    Das Vertrauen wurde erst vor wenigen Wochen durch eine Panne erschüttert. Der Echo eines amerikanischen Paars zeichnete Teile eines Gesprächs auf und schickte diese unbemerkt an einen zufälligen Kontakt. Ein Einzelfall, wie Sie sagen.

    Limp: Letztendlich ist das ein Problem, das nicht nur unsere Technologie hat: Menschen können auch Dinge falsch verstehen. Man kann falsch auf seinem Telefon sitzen und dabei die Nummer von jemand anderem wählen, ohne dass man es überhaupt bemerkt. Beim genannten Vorfall hat das System eigentlich so gearbeitet, wie es sollte. Das heißt natürlich nicht, dass es für diesen Kunden richtig gearbeitet hat. Es durchlief drei Schritte, in jedem dieser Schritte war das blaue Licht an, sie haben halt gerade nicht hingeschaut. Und bei diesen Durchläufen wurde die Aktion mehrfach bestätigt. Der Prozess musste also mehrere Schranken passieren, bevor er irgendetwas senden konnte – die Kunden haben es einfach nicht gehört und hatten kein gutes Nutzungserlebnis.

    Und wie gehen Sie damit jetzt um?

    Limp: Wir werden daraus lernen. Übrigens: Seit diesem Ereignis haben wir natürlich bereits neue Software ausgeliefert, die es weniger wahrscheinlich macht, dass sich dieses Szenario wiederholt. Aber solche Dinge werden auch in Zukunft passieren. Und wenn sie passieren, dann ist es unsere Verantwortung, transparent zu sein – was wir in diesem Fall auch waren, denke ich. Was ich den Leuten dann häufig sage, ist: Ich habe einen Echo-Lautsprecher in jedem Raum meines Hauses und ich lege großen Wert auf einen höchsten Grad an Privatsphäre.

    Künstliche Intelligenz wird unsere Welt in den nächsten fünf bis zehn Jahren erheblich verändern: Wo werden wir das am meisten spüren?

    Limp: Ich wünschte, ich könnte Ihnen nur ein Beispiel geben. Bei Amazon sieht man das schon heute: Wenn wir Erdbeeren einkaufen, dann wird ihre Qualität und Frische durch Bildanalyse und maschinelles Lernen (ML) automatisch ermittelt. Wir planen unsere Transport-Routen mit ML, wir haben in den USA einen Lebensmittelladen, wo man mit seinen Waren einfach rausgehen kann, ohne noch irgendwo fürs Bezahlen stehen bleiben zu müssen.

    Bei Amazon spielt künstliche Intelligenz schon heute quer durch das Unternehmen eine große Rolle. Überall, wo man Probleme findet, die bislang schwer zu lösen waren, aber zu denen es viele Daten gibt, kann das mit maschinellem Lernen viel bequemer und einfacher gemacht werden. Ich kann leider nicht nur ein Beispiel nennen, denn künstliche Intelligenz wird überall sein.