Berlin. Kameraleute brauchen Fachwissen, Kontakte und Erfahrung, sagt Dozent Michael Bertl. Ein Ingenieurtitel dagegen habe keine Bedeutung.

Michael Bertl ist leitender Dozent für Bildgestaltung und Kamera an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Der 54-Jährige ist Mitglied im Berufsverband Kinematografie (BVK) und der Europäischen Filmakademie (EFA).

Bertl hat mehr als 30 Spiel- und Dokumentarfilme gedreht. Für die Kameraarbeit am Kinodrama „Mr. Morgans letzte Liebe“ wurde er 2014 für den Deutschen Filmpreis nominiert. Mit ihm sprach Adrienne Kömmler.

Berliner Morgenpost: Herr Bertl, wie sind Sie selbst Kameramann geworden?

Michael Bertl: Ursprünglich wollte ich Künstler werden. Ich habe früher sehr viel gemalt und gefilmt. Es ist dann ein Architekturstudium in München und Berlin geworden.

Danach habe ich an der DFFB studiert. Architektur und Kameraarbeit – da gibt es viele Parallelen. Präzise Planungsarbeit im Detail in Kombination mit dem Blick fürs Ganze zum Beispiel oder die Arbeit mit dem Licht.

Der Ingenieurtitel hat in unserer Branche keine Bedeutung. Diplome, Bachelor- oder Masterabschlüsse sind nicht relevant. Entscheidend ist, dass man überzeugende Arbeit leistet.

Man braucht interessante Projekte und ist immer auf gute Regisseure angewiesen. Die meisten erfolgreichen Kameraleute sind groß geworden durch tolle Regisseure.

Die Art des Abschlusses ist unwichtig, sagen Sie. Aber eine Ausbildung braucht man schon, oder?

© Adrienne Kömmler | Adrienne Kömmler

Mit Kameraleuten ist es wie mit Schreinern. Beide haben einen Handwerksberuf. Und natürlich muss man den Beruf erlernen. Egal, ob an einer Uni oder einer privaten Akademie.

An der DFFB gibt es deshalb ein festes zweijähriges Grundstudium, mit dem jeder Basiswissen bekommt. Dazu gehört nicht nur Bildgestaltung, sondern auch Schauspielführung, Dramaturgie, Schneiden und Ton.

Doch am wichtigsten sind die Praxis und die Zusammenarbeit. Denn Film ist Teamarbeit an gemeinsamen Projekten vom Erstlings- bis zum Abschlussfilm. Später bringen wir Filme zu Festivals. Dort lernt man Produzenten und Regisseure kennen, die man mit seinen Arbeiten überzeugen muss. Dann geht das Leben in der Branche weiter.

Welche Folgen hat die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt der Kameraleute?

Viele filmen mal schnell mit irgendeiner Kamera ein paar Videoclips und stellen sie ins Netz. Auch das Schnittprogramm kostet heute nicht mehr viel. Technisch kann das jeder. Darunter leidet der Status der professionellen Kameraleute.

Aber das Spek­trum der Einsatzfelder ist breit. Ob man im Journalismus oder für die Werbebranche unterwegs ist, im Studio filmt, fürs Kino oder für große TV-Serien hinter der Kamera steht: Wo Bilder produziert werden, gibt es unheimlich viel Arbeit.

Allerdings wartet keiner auf einen. Irgendwo anrufen, um nach Aufträgen zu fragen: Das funktioniert nicht, sondern ist eher schädlich. Man wird angerufen. Der Einstieg ist schwierig. Man muss sehr flexibel sein und ist in der Regel eigenverantwortlich als Freelancer tätig. Alle wissen es, sind dann aber trotzdem überrascht, wie hart es sein kann.

Dennoch ist der Beruf beliebt. Es gibt viel mehr Bewerber als Ausbildungsmöglichkeiten. Welche Bewerber haben überhaupt Chancen?

An unserer Akademie haben wir ein mehrstufiges Bewerberverfahren. Es gibt zuerst eine Vorauswahl und dann die Aufnahmeprüfung, deren Prozess sich über zwei Wochen zieht.

Im Bereich Regie und Kamera laden wir dazu etwa 35 Leute ein. Sechs bis acht davon studieren später bei uns Kamera, zehn bis 14 Regie. Die Entscheidung über die Aufnahme ins DFFB-Studium trifft eine neunköpfige Jury.

Mir persönlich sind Bewerber lieber, die schon ein bisschen herumgekommen sind und etwas Lebenserfahrung mitbringen. Denn Filme erzählen von der Welt, also von Dingen und Menschen. Kann man davon erzählen, wenn man gerade Abi gemacht hat? Dem Niveau der Auseinandersetzung mit Filmstoffen, Geschichten und Ideen muss man gewachsen sein.