Brüssel/WASHINGTOn. Der Handelskrieg naht: Die Krisengespräche zwischen Europa und den USA bleiben ergebnislos. Brüssel bereitet Vergeltungszölle vor.

Im Zollstreit zwischen den USA und der EU stehen die Zeichen auf Sturm. „Wir können realistischerweise nicht mehr auf eine positive Entwicklung hoffen“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Mittwochnachmittag in Paris. Eben ist sie am Rande eines Ministertrefffens der OECD mit US-Handelsminister Wilbur Ross zusammengetroffen – und wenn die Schwedin schon vorher skeptisch war, ist sie jetzt restlos ernüchtert.

Am Freitag läuft die verlängerte Schonfrist für die EU ab, dann wird die US-Regierung offenbar die angekündigten Sonderzölle von 25 Prozent auf Stahleinfuhren und zehn Prozent auf Aluminiumimporte aus Europa einführen – oder, wie Malmström spekuliert, eine Obergrenze für EU-Exporte verhängen. Im Gespräch ist, die EU-Stahlimporte auf 90 Prozent der Importe von 2017 einzupendeln. Was für die Europäer kaum akzeptabel wäre.

Altmaier beschwört Geschlossenheit der EU

Die Krisengespräche in Paris gehen weiter, neben Malmström trifft sich auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit Ross. Noch vor dem Gespräch beschwört Altmaier die Geschlossenheit der EU: „Wir haben immer dafür gearbeitet, einen Handelskrieg zu verhindern“, sagt er. Doch die EU sei bereit, auf jede Entscheidung „gemeinsam und geschlossen zu reagieren“. Die Eskalation des Handelskonflikts, das weiß auch Altmaier, ist kaum abzuwenden.

Sein US-Kollege Ross gießt in Paris noch Öl ins Feuer: Der Nutzen der Strafzölle für die amerikanische Wirtschaft werde größer sein als die Kosten für einige Industriezweige wie die Autobranche, die nun mehr für Stahl bezahlen müsse. Dass die Europäer Verhandlungen über Handelserleichterungen ablehnten, solange die Zölle nicht vom Tisch sind, verhöhnt Ross als „Ausrede“ – China verhandele doch auch, trotz verhängter Zölle.

EU rüstet sich mit Drei-Stufen-Plan

Die EU-Kommission alarmiert intern bereits die Regierungen der Mitgliedsländer: Sie sollten sich auf das Schlimmste vorbereiten. Die EU ist gerüstet für diesen Konflikt, der Drei-Stufen-Plan ist bei der Welthandelsorganisation WTO längst hinterlegt: Ein Beschwerdeverfahren bei der WTO läuft schon.

Aktiviert würde am Montag der nächste Schritt, Schutzmaßnahmen für die europäische Stahlindustrie: Schutzzölle sollen nicht nur die USA mit gleichen Mitteln bestrafen, sondern auch verhindern, dass China, Russland und andere Produzenten den Stahl, den sie in den USA nicht mehr verkaufen können, nun billigst in Europa anbieten.

In der dritten Stufe würde die EU höhere Zölle auf ausgewählte US-Exportprodukte einführen: Der Absatz von amerikanischen Motorrädern, Whiskey, Orangensaft oder Motoryachten in Europa würde sprunghaft zurückgehen.

Die Liste ist so zusammengestellt, dass der Schaden für die USA in etwa den Einbußen für die europäische Stahlindustrie entspräche – von drei Milliarden Euro ist die Rede.

EU ist bereit, zu verhandeln – aber nicht „mit der Pistole am Kopf“

Die EU-Regierungschefs haben die Liste abgestimmt, zuletzt Mitte Mai bei ihrem Treffen in Sofia. Die Ansage ist klar: Die Europäer sind bereit, über Handelserleichterungen etwa bei Autos zu reden, allerlei Entgegenkommen etwa beim Marktzugang für amerikanisches Flüssiggas haben sie signalisiert.

Aber: Erst muss Präsident Trumps Drohung mit den Strafzöllen dauerhaft vom Tisch. „Wir verhandeln nicht mit der Pistole am Kopf“, heißt es in Brüssel entschieden. Das unterscheidet die EU von Südkorea und auch von China, das auf Druck der USA nun den Kauf von mehr amerikanischen Waren und Dienstleistungen zugesagt hat – was den unberechenbaren Trump nicht davon abhält, nun dennoch weitere Strafzölle gegen China anzukündigen.

USA und China erzielen Einigung im Handelsstreit

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    Auf dieses Spiel wollen sie sich in Brüssel nicht einlassen. Hinter der europäischen Entschlossenheit steckt das Kalkül, dass der ökonomische Schaden durch die Stahlzölle noch überschaubar wäre.

    Trump lässt Einfuhr-Steuer auf europäische Autos prüfen

    Doch geht die Rechnung auf? Trump hat nachgelegt – eine geplante amerikanische Vergeltung für die europäische Vergeltung soll die Kosten für die EU in die Höhe treiben. Trump lässt eine 25-prozentige Steuer auf die Einfuhr europäischer Autos prüfen; er würde im Fall der Fälle die Autoimporte zur Bedrohung der nationalen Sicherheit erklären.

    Maas: Deutsche Autos gefährden nicht US-Sicherheit

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      Zwar dürfte sich dieses Verfahren über Monate hinziehen, doch für Deutschland wäre das kaum ein Trost – es stünde mitten im beginnenden Handelskrieg. In der EU wäre vor allem die deutsche Autoindustrie – BMW, Daimler und VW – mit ihren auch in Amerika beliebten Pkw betroffen. Und weil die Autobauer eine zentrale Rolle für den Standort Deutschland spielen, sehen Ökonomen die drohende Eskalation als echtes Konjunkturrisiko: Wirtschaftsforscher des ifo Instituts rechnen mit Einbußen des deutschen Bruttosozialprodukts von 0,16 Prozentpunkten.

      Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, spricht von einem „ernst zu nehmenden Risiko für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft“.

      Altmaier sieht Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr

      Deutschland, heißt es unter Diplomaten in Brüssel, werde auf die Solidarität der anderen EU-Staaten angewiesen sein, wenn Trump die Auto-Karte zieht. Deshalb versucht Wirtschaftsminister Altmaier in Paris zu retten, was zu retten ist. „Es geht um sehr viele Arbeitsplätze“, mahnt er. Wohl vergeblich.

      In Brüssel sagen Diplomaten, die Rücksichtslosigkeit von Trump habe man lange unterschätzt. Malmström macht schon seit Tagen klar, dass sie kein Einlenken Trumps erwartet. EU-Diplomaten hatten diesen Eindruck auch bei Krisengesprächen in Washington gewonnen: „Vor den Kongresswahlen im November wird Trump lieber einen Handelskrieg riskieren, als vor seinen Wählern als Zauderer zu erscheinen“, hatte zu Wochenbeginn ein republikanischer Abgeordneter einer EU-Delegation erklärt.

      Vergeltungszölle auf Whiskey schrecken Washington nicht

      Insider gehen davon aus, dass Trump auf jeden Fall Zugeständnisse beim Auto-Handel erzwingen will: Sein Nahziel sei, die Einfuhrzölle auf Pkw, die in der EU bei zehn Prozent und in den USA bei 2,5 Prozent liegen, anzugleichen. Die angedrohten Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey und Motorräder schreckten in Washington nicht, die Wirkung sei überschaubar.

      So sehen es auch Ökonomen in Deutschland: Eskaliere Trump den Konflikt, dürfe die EU nicht mit „lächerlichen Symbolzöllen auf Orangensaft oder Whiskey“ reagieren, warnt das ifo Institut. Dann müssten mit einer europäischen Digitalsteuer auf Onlineprodukte die Geschäfte ins Visier genommen werden, mit denen US-Firmen in Europa sehr viel Geld verdienten.