Berlin. Der Billigflieger Ryanair erwartet nach der Air-Berlin-Pleite niedrigere Flugpreise. Die Iren erwarten auch noch weitere Insolvenzen.

Passagiere können sich freuen: Ryanair, Europas größter Billigflieger, rechnet im laufenden Jahr mit sinkenden Flugpreisen – in Deutschland und Europa. Ein Grund ist die Pleite von Air Berlin im vergangenen Jahr, wie Ryanair-Marketingvorstand Kenny Jacobs unserer Redaktion sagte. Wegen der Pleite versuche jede verbliebene Fluggesellschaft, Passagiere und mehr Marktanteil zu bekommen. Das Ergebnis: Überkapazitäten und Wettbewerb. Das könne zu sinkenden Preisen führen, sagt Jacobs.

Ryanair selbst mischt kräftig mit. Die Iren, vor Jahren noch vor allem auf kleineren, abgelegeneren Flughäfen unterwegs, fliegen nunmehr auch die großen an. Im Juni kommt Düsseldorf hinzu. Zunächst wird eine Maschine samt Besatzung stationiert. Die Iren drängen in der Regel mit aggressiven Preisen in den Markt, etwa 9,99 Euro für eine Strecke, und bauen dann zügig aus.

Codeshares mit Lufthansa möglich

Das zeigt das Beispiel Frankfurt/Main. 2017 stationierte Ryanair den ersten Flieger am Heimatflughafen der Lufthansa, inzwischen sind es zehn. „Frankfurt ist unser am schnellsten wachsender Standort“, sagt Jacobs. Zum Start gab es Ärger mit Lufthansa, das Unternehmen beklagte sich unter anderem über die Gebührenrabatte für Ryanair seitens des Flughafens.

Jacobs sagt jetzt: „Dass wir wachsen, ist auch gut für Lufthansa. Wir bringen Passagiere nach Frankfurt, die dann mit Lufthansa Langstrecke fliegen können.“ Und er geht noch weiter: „Wir können uns auch Codeshares mit der Lufthansa vorstellen.“ Bei solchen Gemeinschaftsflügen bucht der Passagier ein Ticket und wird auf den Teilstrecken von unterschiedlichen Fluggesellschaften transportiert. Gespräche beider Unternehmen dazu gibt es bisher nicht.

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    Drehkreuz in Deutschland geplant

    Umsteigeverbindungen will Ryanair künftig auch vermehrt auf eigenen Strecken anbieten – ein Konzept, das das Unternehmen jahrelang ablehnte, um Kosten und Komplexität des Flugbetriebs niedrig zu halten. Inzwischen können Kunden in Bergamo, Rom und Porto auf andere Ryanair-Flüge umsteigen. „Wir werden neue Drehkreuze eröffnen“, sagt Jacobs. Er nennt Standorte wie Stansted nördlich von London, Manchester, Dublin und: „Sogar in Berlin könnte ein Drehkreuz entstehen.“

    Deutschland ist für Ryanair ein interessanter Markt: hohe Kaufkraft, viele Einwohner. Wichtig aus Sicht der Iren, deren Geschäftsmodell billige Flüge sind: Der Durchschnittspreis in Deutschland ist der höchste in der EU, wie Jacobs sagt. Gleichzeitig betrage der Anteil von Billigfliegern nur 20 Prozent. „Für das Land, das Aldi, Lidl und ,Geiz ist geil‘ erfunden hat, ist das ziemlich niedrig.“ EU-weit haben die Billigflieger 45 Prozent Marktanteil.

    Laudamotion hat „exzellente Start- und Landerechte“

    Vor dem Hintergrund, auch in Deutschland zu wachsen, ist der Kauf von Laudamotion zu sehen, jener Fluggesellschaft, die aus den Resten der Air-Berlin-Tochter Niki entstand. Ryanair hält 25 Prozent, will aber auf 75 Prozent aufstocken. „Der Hauptgrund, Laudamotion zu kaufen, ist, dass sie exzellente Start- und Landerechte in Düsseldorf, Berlin und Wien haben“, sagt Jacobs.

    Ryanair bekommt so etwa besseren Zugang zum Flughafen Berlin-Tegel. Bisher fliegen die Iren vor allem von Schönefeld aus. Dort zählte das Unternehmen zuletzt 5,9 Millionen Passagiere. Laudamotion nutzt bereits das Preismodell und die Buchungsplattform von Ryanair.

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      „Streiks werden jetzt Teil des Lebens“

      Von den Gewerkschaften will sich Ryanair nicht bremsen lassen. „Streiks werden jetzt Teil des Lebens“, sagt Jacobs. „Wir müssen damit zurechtkommen.“ Man werde mit den Gewerkschaften reden und zusammenarbeiten – außer sie versuchten, das Geschäftsmodell zu verändern. „Das Leben geht weiter.“ Zuletzt hatten Streiks in Portugal zu Ostern den Flugplan beeinträchtigt.Kurz vor Weihnachten konnte der Konzern noch den ersten Streik im Konzern überhaupt verhindern.

      Im Mai verhandelt Ryanair mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit und der Gewerkschaft Verdi über die Arbeitsbedingungen. Tarifverträge gibt es bereits in Großbritannien und Italien, den beiden größten Ryanair-Märkten. Deutschland ist für die Iren der viertwichtigste.

      Wachstum von 20 Prozent in Deutschland

      Ein Pilot vor einer Ryanair-Maschine am Londoner Flughafen.
      Ein Pilot vor einer Ryanair-Maschine am Londoner Flughafen. © REUTERS | Clodagh Kilcoyne

      Derzeit hat Ryanair einen Anteil von acht Prozent am deutschen Markt, 43 der insgesamt 430 Flugzeuge des Unternehmens sind in Deutschland stationiert. Im vergangenen Geschäftsjahr (31. März) transportierte Ryanair 17,4 Millionen Passagiere in Deutschland, ein Plus von 20 Prozent. Der deutsche Markt insgesamt legte um drei Prozent zu.

      Als Konzern liefert sich Ryan­air bei den Passagierzahlen einen Wettstreit mit Lufthansa. 2016 hatten die Iren die Deutschen überholt, 2017 setzte sich Lufthansa mit 130 Millionen Passagieren wieder vor Ryanair mit 129 Millionen. Der Durchschnittspreis für einen Ryanair-Flug liegt bei 39 Euro.

      Weitere Pleiten in Europa erwartet

      Das Ende von Air Berlin wird nach Ansicht des Ryanair-Managements nicht die letzte Pleite im europäischen Flugmarkt gewesen sein. Es gebe harten Wettbewerb, sagte Jacobs, die Flugpreise würden eher fallen. Gleichzeitig stiegen die Preise für Sprit. Einige Fluggesellschaften kämpften bereits, sagt Jacobs, ohne Namen zu nennen. Zuletzt hatte der British-Airways-Konzern IAG berichtet, er verhandele mit dem Langstrecken-Billigflieger Norwegian über eine Übernahme.