Hamburg. Seit Jahren können im Netz Arbeitgeber bewertet werden. Doch Kununu, Glassdoor und Co. haben nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem.

„Für mich bisher mit Abstand die schlechteste Arbeitgeberwahl. Mehr Schein als Sein“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer notiert: „Kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, keine üblichen Sozialleistungen usw., aber es wird Höchstleistung ständig eingefordert.“ Die Einträge stammen vom Arbeitgeberbewertungsportal Kununu. Adressaten der Kritik: Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader. Die bekannten Bewerbungsratgeber und Bestseller-Autoren unterhalten ein „Büro für Berufsstrategie“ mit heute zehn Angestellten.

Arbeitgeber zu bewerten, ist hierzulande seit rund zehn Jahren online möglich. Seitdem gibt es Kununu, Jobvoting, Glassdoor und Co. Kununu ist im deutschsprachigen Gebiet mit 2,5 Millionen Bewertungen zu 670.000 Unternehmen Marktführer. Die Zahlen sehen auf den ersten Blick gewaltig aus. Doch wie repräsentativ, wie zuverlässig sind die Einträge?

Beispiel Bosch: Der Industriegigant kommt hierzulande auf rund 134.000 Mitarbeiter. Auf Kununu finden sich seit Start der Website 2340 Treffer – auch von ehemaligen Beschäftigten. Kununu-Konkurrent Jobvoting listet gerade einmal 26 Einträge auf. Glassdoor zeigt zwar scheinbar imposante 2628 Votings an, allerdings betreffen die den gesamten Konzern mit weltweit 389.000 Mitarbeitern.

Nur wenige Bewerber checken Arbeitgeber im Netz

Bewerbungsexperte Jürgen Hesse.
Bewerbungsexperte Jürgen Hesse. © imago stock&people | imago stock&people

Im Gegensatz zu Plattformen, auf denen Produkte und Dienstleistungen bewertet werden, haben sich Kununu & Co. unter Arbeitnehmern bislang nicht durchgesetzt. Das belegt unter anderem eine Umfrage des E-Recruitingsystems Softgarden unter gut 2000 Berufstätigen aus dem vergangenen März. Demnach nutzen 89 Prozent der befragten Bewerber Bewertungsplattformen bevor sie ein Hotel buchen, bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers dagegen informieren sich nur 46 Prozent auf entsprechenden Websites.

Warum halten sich so viele Bewerber zurück, wenn es um die Nutzung von Plattformen zur Arbeitgeberbewertung geht? Für Bewerbungsexperten Hesse hängt dies mit dem sehr subjektiven und teilweise wenig informativen Angebot zusammen. „Wer gute Arbeitgebererfahrungen gemacht hat, der notiert diese tendenziell seltener als jemand, dem etwas nicht gefallen hat“, sagt Hesse. Seiner Schätzung nach ist ein Drittel der Bewertungen gefälscht.

Ein Sprecher von Kununu möchte das nicht kommentieren, betont aber, jede Bewertung werde durch technische Filter und Algorithmen überprüft. Bei einer Auffälligkeit finde eine händische Qualitätskontrolle statt. Nach Meinung des Sprechers bringen nicht-authentische Bewertungen dem Absender aber ohnehin nichts: „Nutzer blenden nach unserer Erfahrung die maximal schlechten und maximal guten Bewertungen aus und kommen so zu einem guten Eindruck.“

Nutzer misstrauen Bewertungen

Die Softgarden-Umfrage kommt zu einem anderen Ergebnis. Demnach erklärten 42 Prozent der Befragten ihre Zurückhaltung, die Webseiten zu nutzen, damit, dass die dort abgegebenen Bewertungen subjektiv sind. 30 Prozent empfinden die Aussagen auf den Plattformen aufgrund der geringen Anzahl an Bewertungen pro Unternehmen als wenig repräsentativ. Und 28 Prozent sind der Ansicht, dass dort nur Extremmeinungen dargestellt sind – also etwa jene von frustrierten Mitarbeitern.

Sogar bei Studenten, die zumeist als internetaffin gelten, liegen die Portale nicht im Trend. Laut einer Umfrage des Personaldienstleisters Univativ unter mehr als 1000 Studenten empfinden 37 Prozent der Befragten die Portale als wenig oder gar nicht hilfreich. Oft wird die Vertrauenswürdigkeit der Informationen angezweifelt.

„Die Portale erfordern es vor allem, zwischen den Zeilen zu lesen“, sagt der Münchner Arbeitssoziologe Norbert Huchler: „Die Betreiber stehen vor der Wahl, ob sie nur Vermittlungsplattform sein wollen oder Informationsdienstleister mit wesentlich höherer Verantwortung für die Qualität.“ Zu letzterem Anspruch gehöre unter anderem, sich aktiv einzumischen, zu moderieren, selbst zu recherchieren und Stellungnahmen einzuholen.

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    Unternehmen können sich für Geld gut präsentieren

    Bewerbungsexperte Jürgen Hesse kritisiert, die Glaubwürdigkeit leide darunter, „dass zu den anonymen Beurteilungen positiv gefärbte Unternehmensdarstellungen gekauft werden können“. Wie andere Fachleute auch weist er darauf hin, dass Unternehmen auf den Portalen gegen Bezahlung ihr Image als vermeintlich guter Arbeitgeber pflegen können. Gegen eine Monatsgebühr, die von der Größe des Unternehmens abhängt, können bewertete Firmen ihr Profil gestalten und offene Stellen ausschreiben.

    Dem Kununu-Sprecher zufolge gibt es dabei drei Modelle. In der kostenlosen Basisversion können Firmen nur Stellungnahmen zu den Bewertungen abgeben. Die Bezahlmodelle starten ab 400 Euro monatlich. Unternehmen, die sie wählen, können zusätzlich zum Beispiel auch Logos einbinden.

    Immerhin haben die Portale für rekrutierende Unternehmen durchaus eine Relevanz – auch wenn der Nutzerkreis noch ausbaufähig ist: 62 Prozent der Besucher von Plattformen zur Arbeitgeberbewertung haben sich der Umfrage von Softgarden zufolge aufgrund einer Bewertung schon einmal bei einem Unternehmen beworben. Und 53 Prozent haben schon einmal Abstand von einer Bewerbung genommen, weil der Arbeitgeber, für den sie sich interessierten, auf einer solchen Plattform schlecht bewertet wurde. Das bedeutet zugleich: Gerade für Unternehmen, die dringend Personal suchen, sind solche Plattformen wegen möglicher negativer Beurteilungen der Ex-Mitarbeiter risikoreich.

    Rache auf Bewertungsportal

    Bewerbungsratgeber Hesse hat sich gegen einen Eintrag gewehrt. „Wir konnten zwei negative Beurteilungen über unsere Firma zwei Personen direkt zuordnen. In dem einen Fall haben wir uns von einem Mitarbeiter wegen Unregelmäßigkeiten getrennt“, sagt Jürgen Hesse.

    Dieser habe sich dann auf der Plattform „gerächt“. „Wir haben uns daraufhin gewehrt, und der Negativkommentar wurde rausgenommen“, so Hesse. In einem anderen Fall sei ein Bewerber als Praktikant nicht eingestellt worden. „Dieser hat sich danach absolut ungerechtfertigt über uns beschwert. Aber so absurd und dumm, dass wir es einfach ignoriert haben.“