Essen. Heinrich Deichmann, Chef von Europas größtem Schuhhändler, fehlt im Online-Handel menschliches Miteinander. 208 neue Geschäfte geplant.

Heinrich Deichmann gibt nur selten Interviews. Der Chef von Europas größtem Schuhhändler steuert ruhig und beharrlich den Essener Handelskonzern. Trotz der wachsenden Konkurrenz durch Online-Händler wie Amazon und Zalando will der 55-Jährige in Deutschland und weltweit weitere Filialen eröffnen. Im Interview erklärt er seine Expansionspläne.

Herr Deichmann, täuscht der Eindruck oder bekommen Sie durch neue Schuhläden in Deutschlands Innenstädten und Einkaufscentern zunehmend Konkurrenz?

Heinrich Deichmann: Tatsächlich tauchen zunehmend neue Anbieter im deutschen Schuhmarkt auf, während manche etablierte Händler verschwinden. Auch viele Textilunternehmen weiten ihr Schuhsortiment aus, und es gibt neue Mitspieler im Online-Handel. Wir folgen der alten Erkenntnis: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir scheuen den Wettbewerb nicht, sondern sehen ihn als permanente Herausforderung, uns und unser Angebot weiter zu verbessern.

Oft ist von einer Krise der Innenstädte die Rede. Können Sie das nachvollziehen?

Deichmann: Der Einzelhandel befindet sich unter anderem durch den Online-Handel im Umbruch. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den stationären Handel, der sich Frequenzrückgängen gegenübersieht, besonders in den Innenstädten. Es gibt klassische Händler, die den Trend verpasst haben und nun mit den Folgen zu kämpfen haben. Aus meiner Sicht haben nur stationäre Händler eine Zukunft, die sich zum einen auf ihre Stärken besinnen, aber zugleich neue Konzepte entwickeln und den Online-Handel mit dem klassischen Geschäft verknüpfen.

Zahlt es sich für Sie noch aus, neue Filialen in Deutschland zu eröffnen?

Deichmann: Es gibt noch vereinzelt weiße Flecken auf der Landkarte, und natürlich sind wir immer auf der Suche nach guten oder besseren Standorten. Unsere Filialen sind unser Herzstück. Wir werden in diesem Jahr in Deutschland 33 neue Geschäfte eröffnen und 128 modernisieren, um unseren Kunden ein attraktives Angebot zu machen. Das würden wir nicht machen, wenn wir nicht an die Zukunft des stationären Handels glauben würden. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kombination aus modernem Onlineshop und unserem Filialnetz. Ganz wichtig ist: Menschliches Miteinander kann kein reiner Online-Händler bieten.

Wie entwickeln sich die Schuhpreise?

Deichmann: Es steigen unter anderem die Löhne bei den Lieferanten, die Rohstoff- und die Energiepreise. Wir wollen unseren Kunden aber weiterhin die gewohnt günstigen Preise bieten. Klar ist: Wir werden nicht an der Qualität sparen, um Preise zu halten, oder eine Verschlechterung der Sozialstandards in der Produktion akzeptieren. Dafür werden wir im Zweifel auch hinnehmen, dass wir etwas weniger verdienen. Gerade in den unteren Preislagen werden wir das gewohnt starke Angebot haben. Gleichzeitig fragen unsere Kunden verstärkt die höherwertigen Sportmarken nach.

Wird die Zahl der Deichmann-Beschäftigten in diesem Jahr weiter wachsen?

Deichmann: Auch in diesem Jahr werden wir in Deutschland in der Deichmann-Gruppe rund 440 neue Mitarbeiter und auch wieder über 1000 Auszubildende einstellen. Erstmals bieten wir übrigens auch die Ausbildung zum Kaufmann im E-Commerce an, weil wir hier unsere eigenen Experten aufbauen wollen.

Wie viel Kraft stecken Sie in die Expansion im Ausland?

Deichmann: Aktuell sind wir in 26 Ländern mit 3989 Filialen und 36 Onlineshops tätig. 2018 planen wir, in der Deichmann-Gruppe weltweit 208 Filialen neu zu eröffnen. Zusätzlich werden circa 270 Geschäfte modernisiert. 60 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir im Ausland. Die Entwicklung zu einem höheren Auslandsanteil am Umsatz baut unsere Abhängigkeit von einem einzelnen Markt weiter ab. Insofern ist Expansion sehr wichtig für uns.

Wollen Sie sich weitere Auslandsmärkte erschließen?

Deichmann: Wir wollen weiter wachsen, damit das Unternehmen gesund bleibt. Im vergangenen Jahr sind wir zum Beispiel erfolgreich in Frankreich und Belgien gestartet. Aber wir betreiben keine Expansion um jeden Preis. Als Familienunternehmen sind wir in der Lage, das Tempo und den Umfang unserer Expansion selbst zu steuern. Wir überlegen sehr genau, wann und wie wir in einen neuen Markt eintreten.