Berlin. Ärzte vergeben am Ende der Abrechnungsperiode weniger Termine an Kassenpatienten. Das zeigen aktuelle Daten der Techniker Krankenkasse.

Viele Kassenpatienten bekommen am Ende eines Quartals keinen Termin mehr in der Arztpraxis. Diese Vermutung ist nun wissenschaftlich belegt: Ein Team um den Gesundheitsökonom Mathias Kifmann von der Universität Hamburg hat in einer Studie nachgewiesen, dass viele Ärzte in regelmäßigen Abständen weniger arbeiten – und zwar immer dann, wenn ihr Budget zur Neige geht, das sie für Kassenpatienten haben. Das ist immer am Ende der dreimonatigen Abrechnungsperiode der Fall, also viermal im Jahr jeweils Ende März, Ende Juni, Ende September und Ende Dezember.

Zu beobachten sei dann ein Rückgang von Behandlungen, für die nur begrenzt Geld zur Verfügung steht, heißt es in der Studie der Gesundheitsexperten vom „Hamburg Center for Health Economics“. Sobald aber die neue Abrechnungsperiode begonnen habe, behandelten die Ärzte wieder deutlich mehr. „Bei Behandlungen, für die unbegrenzt Geld zur Verfügung steht, gibt es diesen Effekt nicht“, steht in der Studie.

Studie geht auf zehn Millionen Versicherte der TK zurück

Ausgewertet haben die Forscher Daten der Techniker Krankenkasse, bei der fast zehn Millionen Menschen versichert sind, für die Jahre 2013 und 2014. Danach reduzierten beispielsweise Haut- und Augenärzte, aber auch Orthopäden und Hals-Nasen-Ohrenärzte ihre Leistungen spürbar am Ende des Quartals. Auch Hausärzte, deren Behandlungsbudget stark begrenzt ist, behandelten deutlich weniger Patienten.

„Bemerkenswert ist, dass der Effekt vor allem bei Einzelpraxen auftritt“, sagt Gesundheitsökonom Kifmann. Gemeinschaftspraxen mit mehreren Ärzten könnten die Behandlungstermine offenbar besser verteilen. Kifmann meint, zusätzliche finanzielle Anreize könnten das Problem lösen und dafür sorgen, dass Ärzte die Behandlungstermine gleichmäßiger im Monat verteilen. Dafür müsste aber mehr Geld ins Gesundheitssystem kommen. Aus Sicht des Experten wäre es „problematisch“, die Budgets für ambulante Behandlungen aufzuheben: „Die Ausgaben würden stark steigen. Das kann niemand wollen.“ Mehr Geld sorge nicht automatisch für eine bessere Behandlung.

Krankenkassen und Ärzte unterschiedlicher Ansicht

Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen sieht sich durch die Untersuchung bestätigt; sie beschreibe einen schon oft kritisierten Zustand. „Wir können nur an die Ärzte appellieren, ihren Kampf um mehr Honorar nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen“, sagte ein Sprecher. Die Mediziner bekämen ihre Kosten voll bezahlt.

Die Ärzte dagegen meinen, dass das nicht der Fall ist: „Die Studie spiegelt wider, dass im Schnitt über zehn Prozent aller erbrachten Leistungen der niedergelassen Ärzte von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vergütet werden“, sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. „Die Budgetierung muss weg!“ Der Ärztefunktionär weist darauf hin, dass sich die verschobenen Termine auf Routineuntersuchungen und nicht akute Behandlungen bezögen.

Kostenverantwortung auf Patienten übertragen

Dass eine Bürgerversicherung an dem Zustand viel ändern wird, glaubt Gesundheitsökonom Kifmann nicht. „Die Bürgerversicherung allein sorgt nicht dafür, dass Praxen am Ende eines Quartals offen bleiben und Kassenpatienten versorgt werden.“ Nur wenn durch die Einführung der Bürgerversicherung mehr Geld ins System käme, dann gäbe es Möglichkeiten, den Ärzten finanzielle Anreize zu geben.

Eine Alternative wäre es, Budgets zu lockern und die Kostenverantwortung auf die Versicherten zu übertragen. Das würde höhere Selbstbeteiligungen bedeuten und andere Nachteile mit sich bringen.