Berlin. Eine neue EU-Richtlinie macht Tonaufnahmen bei Anlagegesprächen zur Pflicht. Dies soll Kunden helfen, irreführende Tipps nachzuweisen.

Wer künftig Anlagetipps von seiner Bank oder Sparkasse telefonisch bekommen möchte, erhält diese nur noch, wenn er damit einverstanden ist, dass dieses Gespräch aufgezeichnet wird. Verweigert der Kunde seine Zustimmung, erhält er keine Auskunft und muss sich stattdessen in eine Filiale bemühen. Dort wird die Beratung dann persönlich geführt – und wie bisher schriftlich protokolliert. Die Tonaufnahme der Beratung ist eine der entscheidenden Neuerungen der einheitlichen Wertpapierrichtlinie in Europa („MiFID II“), die vom heutigen Mittwoch an in Deutschland gilt. Das Regelwerk wurde als Konsequenz und Reaktion auf die Finanzkrise überarbeitet. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema:

Was regelt die neue EU-Finanzmarktrichtlinie?

Die neue Richtlinie „MiFID II“ (Markets in Financial Instruments Directive) umfasst mehr als 20.000 Seiten. Das Regelwerk soll als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise für mehr Verbraucherschutz und Transparenz im europäischen Bankensektor sorgen. Insbesondere sollen Anleger künftig besser davor geschützt werden, dass ihnen riskante Produkte verkauft werden, ohne sie zuvor ausreichend über die Risiken aufzuklären, wie dies beispielsweise häufig bei den Lehman-Papieren passiert ist. Zudem soll auch der Turbohandel an den Börsen stärker überwacht werden.

Wann werden Beratungen aufgezeichnet?

Banken und Finanzdienstleister müssen vom 3. Januar an alle Telefonate zwischen Kunden und Beratern aufzeichnen, die zu Wertpapiergeschäften führen oder führen könnten. Ist ein Kunde nicht mit der Aufzeichnung einverstanden oder möchte er darauf verzichten, darf die Beratung nicht stattfinden. Die Gespräche werden elektronisch gespeichert und mindestens fünf Jahre archiviert. Sinn dieser Dokumentation: Sie soll den Kunden helfen, im Streitfall Falschberatungen nachzuweisen. Dieses sogenannte „Taping“ gilt nur für Telefonberatungen.

Wie wird bei Gesprächen in der Filiale verfahren?

Seit dem Jahr 2010 müssen Geldinstitute jedes Beratungsgespräch zu Wertpapieren protokollieren. Aufgelistet werden Länge, Anlass und Inhalt des Gesprächs. Dieses Beratungsprotokoll wird durch eine sogenannte Geeignetheitserklärung ersetzt. Im Klartext: Der Kundenberater muss schriftlich festhalten, warum er seinem Kunden ein bestimmtes Produkt – Aktie oder Fonds – empfohlen hat und warum er meint, dass dieses zu dessen Risikoverhalten und Kapitalmarkterfahrung passt.

Wo entsteht mehr Transparenz?

Die Kunden werden noch genauer über alle Kosten informiert, die beim Wertpapierkauf anfallen. Erwirbt der Anleger etwa Anteile an einem Investmentfonds, muss er nicht nur über die jährliche Verwaltungsgebühr informiert werden, auch die Depotkosten und die Vertriebsprovision, die der Bank zugutekommen, müssen ausgewiesen werden.

Zudem muss der Kunde erfahren, wie stark diese Kosten die Rendite schmälern – und zwar prozentual, aber auch konkret in Euro und Cent. Darüber hinaus erhalten Anleger ab 2018 vierteljährlich Aufstellungen über die von ihnen gehaltenen Finanzinstrumente.

Welche Änderungen bedeutet dies für die Banken?

Die Banken kritisieren den bürokratischen Aufwand und die hohen Kosten der Neuregelung. Die Umstellung kostet die Geldinstitute nach Angaben des Bundesverband deutscher Banken (BdB) bis zu einer Milliarde Euro an einmaligen Kosten, plus laufende Kosten wie Briefporto für die neuen Anlegerinformationen.

Gerade kleinere Institute werden wegen dieses hohen Aufwands künftig darauf verzichten, Wertpapierberatungen anzubieten. Es zeichnet sich laut Bankenverband ab, dass künftig Banken nicht mehr allen Kunden jede Dienstleistung und jedes Finanzprodukt anbieten können.

Was sagen Verbraucherschützer?

„Die neue Finanzmarktregel schafft große Vorteile bei der Kostentransparenz“, meint Sara Zinnecker, Finanzexpertin beim gemeinnützigen Verbraucher-Ratgeber Finanztip. Durch die Auflistung aller Kosten können die Anleger sehen, dass bei einer reinen Kostenbetrachtung beispielsweise von manchem 20.000-Euro-Investment nach fünf Jahren tatsächlich nur 15.500 Euro übrig bleiben. „Durch die Transparenz ist zu hoffen, dass künftig weniger überteuerte Produkte verkauft werden.“

Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht unterdessen das Problem möglicher Falschberatung durch die neue Beratungsregelung noch nicht gelöst. Denn es gebe keine neuen konkreten Anforderungen, welche Produkte man einem Kunden empfehlen dürfe.