Detroit. In den USA wird das erste Urteil gegen einen deutschen VW-Manager erwartet. Ihm drohen drei Jahre Haft. Ein hohes Tier ist er nicht.

Dem Volkswagen-Konzern hat der Abgas-Skandal in den USA bereits Milliarden an Bußgeldern und Entschädigungen eingebrockt, nun wird das erste Urteil gegen einen Mitarbeiter erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Dollar für den langjährigen VW-Ingenieur James Liang.

Der 63-jährige Indonesier mit deutscher Staatsbürgerschaft wird beschuldigt, die US-Behörden über den Einbau einer illegalen Software zur Manipulation von Abgaswerten in Dieselwagen getäuscht zu haben. An diesem Freitag soll der zuständige Richter bei einer Anhörung in Detroit über das Strafmaß entscheiden.

Unternehmenskultur, die „keinen Widerspruch erlaubte“

Liang ist einer von acht amtierenden und früheren Mitarbeitern des VW-Konzerns, gegen die bislang wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze US-Strafanzeigen gestellt wurden. Der seit 1982 bei VW tätige Dieselexperte hatte frühzeitig ein Geständnis abgegeben und mit den US-Ermittlern kooperiert. Das dürfte ihm beim Urteil zugute kommen – die Forderung der Strafverfolger liegt deutlich unter dem gesetzlichen Höchstmaß von sieben Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von bis zu 400.000 Dollar.

FBI klagt VW-Manager im Dieselskandal an

weitere Videos

    Liang wird laut seinem Anwalt Daniel Nixon als Mann vor Gericht treten, der „die volle Verantwortung für seine Taten akzeptiert“ und seine Rolle „im weitreichenden Betrug“ von VW zugibt. Nixon hält eine Bewährungsstrafe mit einem Jahr Hausarrest, 1500 gemeinnützigen Arbeitsstunden und einem geringen Bußgeld für ausreichend. „Er war nicht durch Gier oder persönliche Bereicherung motiviert“, so der Anwalt. Vielmehr sei Liang als loyaler VW-Mitarbeiter zum Opfer einer Unternehmenskultur geworden, die „keinen Widerspruch erlaubte“.

    Schwindel um Tests manipulierter Autos

    Auch die Staatsanwaltschaft hält Liang nicht für das „Mastermind“ im Abgas-Skandal. „Er saß weder in den Vorstandsetagen von VW, wo die Betrugs-Software diskutiert wurde, noch hat er andere am kriminellen Komplott Beteiligte im Unternehmen angewiesen oder beaufsichtigt.“

    Dennoch sei der Ingenieur als „Leiter der Dieselkompetenz“ der US-Tochter von VW jahrelang am Schwindel rund um Zertifizierung und Tests manipulierter Dieselwagen beteiligt gewesen und müsse dafür eine gerechte Strafe erhalten, heißt es in der Forderung der Anklage.

    Einem deutschen Audi-Manager droht die Auslieferung

    Bei Betrachtung der übrigen Beschuldigten wird aber rasch deutlich, dass das erste „Dieselgate“-Urteil gegen einen Mitarbeiter ein eher kleines Licht in der Konzern-Hierarchie treffen wird. Die US-Justiz sucht nach deutlich größeren Namen – auf ihrer Fahndungsliste steht etwa der frühere Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer.

    Abgas-Skandal: VWs juristische Probleme

    Eine der größten Herausforderungen im Abgas-Skandal rollt erst noch auf Volkswagen und Konzern-Chef Matthias Müller zu. Das Unternehmen dürfte zahlreiche Schlachten vor Gericht ausfechten müssen. Die wichtigsten juristischen Baustellen des Konzerns im Überblick:
    Eine der größten Herausforderungen im Abgas-Skandal rollt erst noch auf Volkswagen und Konzern-Chef Matthias Müller zu. Das Unternehmen dürfte zahlreiche Schlachten vor Gericht ausfechten müssen. Die wichtigsten juristischen Baustellen des Konzerns im Überblick: © Getty Images | Harold Cunningham
    Aktionäre fordern Entschädigung: Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch institutionelle Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka. Der Vermögensverwalter AGI – eine Allianz-Tochter – erwägt die Teilnahme an einer Sammelklage. Volkswagen bekräftige mehrfach seine Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben.
    Aktionäre fordern Entschädigung: Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch institutionelle Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka. Der Vermögensverwalter AGI – eine Allianz-Tochter – erwägt die Teilnahme an einer Sammelklage. Volkswagen bekräftige mehrfach seine Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben. © dpa | Frank Rumpenhorst
    Klagen einzelner VW-Besitzer: Weltweit wollen VW-Fahrer Schadenersatz einklagen. Meist wird dabei ein Wertverlust der Autos geltend gemacht. Wenn sich etwa die Leistungs- und Verbrauchsdaten durch notwendige Umrüstungen erheblich verschlechtern, könnte so eine Klage erfolgreich sein. VW weist aber darauf hin, dass alle betroffenen Fahrzeuge „technisch sicher und fahrbereit“ seien. Es werde keine Folgen für die Restwerte geben.
    Klagen einzelner VW-Besitzer: Weltweit wollen VW-Fahrer Schadenersatz einklagen. Meist wird dabei ein Wertverlust der Autos geltend gemacht. Wenn sich etwa die Leistungs- und Verbrauchsdaten durch notwendige Umrüstungen erheblich verschlechtern, könnte so eine Klage erfolgreich sein. VW weist aber darauf hin, dass alle betroffenen Fahrzeuge „technisch sicher und fahrbereit“ seien. Es werde keine Folgen für die Restwerte geben. © dpa | Julian Stratenschulte
    Aktionäre fordern Entschädigung: Auch viele Anleger fühlen sich geprellt. Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch des Abgas-Skandals ab, einige Aktionäre wollen sich ihre Verluste vom Konzern ersetzen lassen. Die Argumentation: VW hätte deutlich früher über den aufkommenden Skandal informieren müssen, weil Kursverluste drohten. VW ist der Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben.
    Aktionäre fordern Entschädigung: Auch viele Anleger fühlen sich geprellt. Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch des Abgas-Skandals ab, einige Aktionäre wollen sich ihre Verluste vom Konzern ersetzen lassen. Die Argumentation: VW hätte deutlich früher über den aufkommenden Skandal informieren müssen, weil Kursverluste drohten. VW ist der Auffassung, alle Informationspflichten befolgt zu haben. © dpa | Julian Stratenschulte
    Sammelklagen: Viele Anwälte buhlen derzeit darum, sowohl Aktionäre als auch VW-Kunden vor Gericht vertreten zu dürfen. In den USA sind Sammelklagen ganz normal, in Deutschland können zumindest Aktionäre ein sogenanntes Musterklageverfahren beantragen. Dabei wird eine Klage gegen VW verhandelt, an deren Ausgang sich dann andere Klagen orientieren. VW-Chef Matthias Müller sieht in Massenklagen ein Geschäftsmodell von Juristen: „Wir sehen dem ganz gelassen entgegen.“
    Sammelklagen: Viele Anwälte buhlen derzeit darum, sowohl Aktionäre als auch VW-Kunden vor Gericht vertreten zu dürfen. In den USA sind Sammelklagen ganz normal, in Deutschland können zumindest Aktionäre ein sogenanntes Musterklageverfahren beantragen. Dabei wird eine Klage gegen VW verhandelt, an deren Ausgang sich dann andere Klagen orientieren. VW-Chef Matthias Müller sieht in Massenklagen ein Geschäftsmodell von Juristen: „Wir sehen dem ganz gelassen entgegen.“ © dpa | Julian Stratenschulte
    Klagen der US-Behörden: Zum Jahresbeginn hat das US-Justizministerium eine Klage gegen VW vorgelegt. Dabei geht es um die Manipulationen an Dieselautos, das Ministerium wirft dem Konzern aber auch in der Aufarbeitung der Abgas-Affäre Tricksereien und Täuschung vor. Theoretisch droht eine Strafe von rund 45 Milliarden Dollar (40,7 Milliarden Euro) plus eine weitere, möglicherweise milliardenschwere Zahlung im Ermessen des Gerichts, wie aus der Klageschrift hervorgeht. VW will sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht dazu äußern.
    Klagen der US-Behörden: Zum Jahresbeginn hat das US-Justizministerium eine Klage gegen VW vorgelegt. Dabei geht es um die Manipulationen an Dieselautos, das Ministerium wirft dem Konzern aber auch in der Aufarbeitung der Abgas-Affäre Tricksereien und Täuschung vor. Theoretisch droht eine Strafe von rund 45 Milliarden Dollar (40,7 Milliarden Euro) plus eine weitere, möglicherweise milliardenschwere Zahlung im Ermessen des Gerichts, wie aus der Klageschrift hervorgeht. VW will sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht dazu äußern. © dpa | Patrick Pleul
    Betrugsanzeigen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach den Manipulationen von Stickoxidwerten gegen sechs Beschuldigte aus dem VW-Konzern wegen Verdachts auf Betrug und unlauteren Wettbewerb. Gegen fünf weitere wird wegen möglicher Falschangaben bei CO2-Werten ermittelt. Der Vorwurf lautet hier vor allem auf Steuerhinterziehung, weil sich die deutsche Kfz-Steuer stark am CO2-Ausstoß orientiert. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis Ergebnisse vorliegen. VW will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
    Betrugsanzeigen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach den Manipulationen von Stickoxidwerten gegen sechs Beschuldigte aus dem VW-Konzern wegen Verdachts auf Betrug und unlauteren Wettbewerb. Gegen fünf weitere wird wegen möglicher Falschangaben bei CO2-Werten ermittelt. Der Vorwurf lautet hier vor allem auf Steuerhinterziehung, weil sich die deutsche Kfz-Steuer stark am CO2-Ausstoß orientiert. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis Ergebnisse vorliegen. VW will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. © dpa | Kay Nietfeld
    1/7

    Das Problem der Amerikaner ist jedoch, dass mit Oliver Schmidt, der bis 2015 in leitender VW-Funktion mit Umweltfragen in den USA betraut war, außer Liang bislang nur ein weiterer Angeklagter gefasst werden konnte. Die restlichen Beschuldigten werden in Deutschland vermutet, wo sie vor den US-Ermittlern relativ sicher sind. Einzig einem Ex-Manager der tief in den Skandal verstrickten VW-Tochter Audi, der Anfang Juli wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München in Untersuchungshaft genommen wurde, droht derzeit die Auslieferung.

    Fast 600.000 betroffene Fahrzeuge allein in den USA

    Volkswagen hatte im September 2015 nach Vorwürfen der US-Umweltbehörden eingeräumt, mit einer speziellen Software in großem Stil bei Abgastests getrickst zu haben. Nachdem die rechtlichen Konsequenzen auf Konzernebene durch mehrere milliardenschwere Vergleiche mit Klägern in den USA weitgehend abgeschlossen sind, versuchen die US-Behörden nun mit Hochdruck, die verantwortlichen Führungskräfte strafrechtlich zu belangen. In den USA waren fast 600.000 Autos vom Betrug betroffen, weltweit rund elf Millionen. (dpa)