Berlin. Die Ethik-Kommission entwickelt erste Leitlinien für selbstfahrende Autos und warnt vor den Gefahren der Erfassung persönlicher Daten.

Noch gibt es sie nicht – Fahrzeuge, die völlig eigenständig im Straßenverkehr unterwegs sind. Doch in den Entwicklungsabteilungen der Autobauer wird bereits mit Hochdruck an selbstfahrenden Autos gearbeitet. Und solche, die dem Fahrer teilweise assistieren, sind bereits Realität. 14 Experten haben sich daher im Auftrag der Bundesregierung mit ethischen Fragen rund um autonomes Fahren beschäftigt. Am Dienstag legten die Theologen, Juristen, Techniker und Philosophen erste Thesen vor, praktisch Leitplanken für die Zukunft.

• Worum geht es bei der Ethik des Autofahrens?

In dem Moment, in dem der Fahrer eines Autos die Verantwortung für die Tour an einen Computer übergibt, entstehen etliche Fragen: Von der Haftung bei Unfällen über den Umgang mit den gewonnenen persönlichen Daten. Für all diese Fragen will die Bundesregierung schon früh Antworten entwickeln. Sie sollen „Eckpfeiler für ein internationales Regelwerk“ werden, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betont.

• Was hat die Kommission vorgelegt?

Insgesamt 20 Thesen haben die Experten aufgestellt. „Jedes Menschenleben ist gleich“, lautet eine der wichtigsten Festlegungen der Kommission. Sollte also ein selbstfahrendes Fahrzeug in einer Notfallsituation vor der Entscheidung stehen, entweder in eine Gruppe von Kindern auszuweichen oder mehrere Rentner umzufahren, darf es deren Alter oder andere Unterscheidungsmerkmale nicht berücksichtigen. Grundsätzlich steht der Schutz von Menschenleben vor der Vermeidung von Sachschäden.

• Wie soll das selbstfahrende Auto in heiklen Situationen entscheiden?

Darauf hat die Ethik-Kommission keine klare Antwort gefunden. Die Situationen, in denen ein Fahrroboter in ein Entscheidungsdilemma gerät, sind dafür zu unterschiedlich. Klar ist nur die Gleichbehandlung aller Menschen. Und grundsätzlich verboten, wie schon heute, ist die Verrechnung von Menschenleben. Das bedeutet, im Notfall darf das Fahrzeug nicht einfach die kleinere von zwei Gruppen auswählen, wenn es in eine der beiden hineinfahren müsste. Generell gilt zugleich die Pflicht, Schäden möglichst gering zu halten. Das kann wiederum eine Entscheidung für die kleinere Gruppe bedeuten.

• Welche Empfehlungen sind noch besonders wichtig?

Grundsätzlich halten die Ethiker die Förderung des autonomen Fahrens für geboten, weil dadurch die Zahl der Unfälle und Personenschäden abnimmt. Auch sprechen sich die 14 Mitglieder für klare Haftungsregelungen aus. „Es muss immer klar sein, wer an welcher Stelle die Verantwortung trägt“, sagte Kommissionschef Udo di Fabio, ehemaliger Verfassungsrichter. Die Fachleute haben die neue Technologie selbst auf dem Testfeld für selbstfahrende Autos auf der A9 in Bayern ausprobiert. Das Auto entzog Di Fabio zum Beispiel das Lenkrad, wenn es das Kommando übernahm. Diese Eindeutigkeit wünscht sich der Jurist immer.

• Was sagen die Experten zum Schutz der persönlichen Daten bei autonomen Systemen?

Selbstfahrende Autos sammeln jede Menge personenbezogener Daten, vom Fahrverhalten bis hin zu Bewegungsprofilen. „Der Fahrer muss grundsätzlich selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können“, fordern die Ethiker. Allerdings sehen sie auch die praktischen Probleme dabei. Denn welcher Autobesitzer weiß schon, welche Informationen sein System sammelt und wohin diese weitergegeben werden. Auch sind manche Daten wichtig für die Analyse und Wartung des Fahrzeugs. Deshalb verlangt die Kommission gesetzliche Schutzregeln, die die Datensouveränität der Kunden sichern.

• Warum werden jetzt schon Richtlinien für selbstfahrende Autos diskutiert, die es für den normalen Betrieb noch gar nicht gibt?

Verkehrsminister Dobrindt sagt eine rasante Entwicklung der Technik voraus. Derzeit gibt es nur vergleichsweise einfache Hilfestellungen für den Fahrer, Parkassistenten etwa oder Tempomaten. Hier ist der Fahrer noch dauerhaft verantwortlich. In den nächsten Stufen gibt der Fahrer immer mehr Aufgaben an den Bordcomputer ab bis hin zum voll automatisierten Fahren. Auf den Teststrecken sind bereits solche Autos unterwegs. „In fünf Jahren werden diese Fahrzeuge im Autohaus stehen“, glaubt Dobrindt. Deutschland habe den Anspruch, nicht nur technisch, sondern auch ethisch eine Spitzenstellung einzunehmen.

• Gibt es vergleichbare Empfehlungen in anderen Ländern?

Die Empfehlungen der Kommission sind weltweit die ersten Leitlinien für das autonome Fahren. Das internationale Interesse daran ist Dobrindt zufolge hoch.

• Was geschieht mit dem Rat der Ethiker?

Das ist nicht klar. Di Fabio rechnet mit einer anhaltenden Diskussion über den richtigen Umgang mit der künstlichen Intelligenz, die mehr und mehr Besitz von den Autos ergreift. Weil es bisher keine praktischen Erfahrungen damit gibt, erwarten die Fachleute noch weitere Fragen, die beantwortet werden müssen.

• Wie sieht die Rechtslage beim autonomen Fahren heute aus?

Am Donnerstag tritt ein erstes Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft. Es erlaubt erstmals, dass ein Fahrer nicht ständig die Hände am Lenkrad haben und das Fahrzeug führen muss. Allerdings muss er die Hoheit über das Fahrzeug jederzeit wieder übernehmen können. Man dürfte also auf dem Fahrersitz ein Buch lesen, nicht jedoch auf dem Rücksitz einschlafen. Bei einem Unfall soll eine Datenaufzeichnung bei der Suche nach der Schuld helfen.