Washington/Berlin. VW wird wegen des Abgas-Betrugs in den USA wahrscheinlich mehr als 20 Milliarden Dollar zahlen müssen. Das übersteigt die Rücklagen.

Volkswagen durchbricht bei der Bewältigung des Schadens durch den Diesel-Skandal in Amerika die Schallmauer von 20 Milliarden Dollar. Dafür hat der Konzern nicht genügend Rücklagen gebildet. Allein aus diesem Grund veröffentlichte der Wolfsburger Autobauer gestern Abend überraschend eine Ad-hoc-Mitteilung für die Finanzmärkte.

Danach liegen die Verhandlungen mit dem Justizministerium in Washington über einen Vergleich, durch den diverse straf- und zivilrechtliche Auseinandersetzungen gegen VW beendet werden sollen, in den letzten Zügen.

Vorbehaltlich der für Mittwoch erwarteten Zustimmung der Aufsichts-Gremien, zahlt VW rund 4,3 Milliarden Dollar an den amerikanischen Fiskus. Damit wären Ansprüche gegen den Konzern abgegolten. Nicht aber gegen einzelne Manager, wie den am Wochenende in Florida verhafteten Regulierungs-Fachmann Oliver Schmidt.

Rückstellung von 18 Milliarden Dollar reicht wohl nicht

VW hat bisher rund 18 Milliarden Dollar für die Bewältigung des durch Manipulationen bei der Abgas-Bilanz von rund 550.000 Wagen in den USA entstandenen Schadens an die Seite gelegt.

Der Konzern teilte mit, dass diese Summe nicht ausreichen wird. In welchem Maße sich durch den Deal mit der scheidenden US-Justizministerin Loretta Lynch das Jahresergebnis für 2016 verschlechtert, sei noch nicht zu beziffern, sagte ein VW-Sprecher auf Anfrage.

VW würde mit dem Deal Schuld eingestehen

Bemerkenswert an dem Vergleich, der im Rohentwurf steht aber noch auf beiden Seiten offiziell abgesegnet werden muss, ist zum einen ein offizielles Schuldeingeständnis von VW in Bezug auf diverse amerikanische Rechtsvorschriften.

Bislang hatten VW-Verantwortliche, etwa im Zusammenhang mit der großzügigen Entschädigung der betroffenen US-Kunden (Rückkauf-Option, Reparatur-Angebot plus bis zu 10.000 Dollar „Schmerzensgeld“), stets betont, dass die vor einem Gericht in San Francisco erzielten Vereinbarungen eben kein Schuldanerkenntnis seien.

Zweite Besonderheit: Die US-Justiz hat VW abgerungen, dass in den kommenden drei Jahren eine unabhängige Aufsichtsperson kontrollieren wird, ob und wie VW die Spielregeln in den USA einhält.

Weitere Ermittlungen gegen VW-Manager

Davon unabhängig gehen die Ermittlungen gegen einzelnen Personen aus dem Konzern weiter. Wie das US-Magazin „Forbes“ unter Berufung aus Gerichtsunterlagen berichtet, haben sich mehrere VW-Manager mittlerer Ebenen offenbar als Kronzeugen zur Verfügung gestellt.

Ihre Kern-Aussage: Die damalige Konzernspitze um Martin Winterkorn seit bereits im Juli 2015 – also rund acht Wochen, bevor die Diesel-Skandal-Bombe öffentlich platzte – über die Abgas-Manipulation im Bild gewesen. Nicht nur das. Nach eidesstattlichen Aussagen von Agenten der Bundespolizei FBI, die VW-Mitarbeiter vernommen haben, soll die Chef-Ebene die „weitere Geheimhaltung“ gegenüber den US-Behörden „autorisiert“ haben.

FBI klagt VW-Manager im Dieselskandal an

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    VW hatte dagegen vor einem Jahr offiziell erklärt, der damalige Vorstand habe erst unmittelbar vor Bekanntwerden des Skandals von der Schummel-Softwaren Kenntnis erlangt.

    Volkswagen hatte Anfang September 2015 nach monatelangem Vertuschungsversuchen auf Druck der US-Umwelt-Behörden EPA und Carb eingeräumt, weltweit in rund elf Millionen Dieselautos verschiedener Marken (VW, Audi, Porsche) eine illegale Software eingebaut zu haben. Mit diesem sogenannten „defeat device“ wurden bei Tests im Labor niedrige Werte bei den gesundheitsschädlichen Stickoxiden erzielt. Im regulären Fahrbetrieb lagen der Ausstoß bis zu 40 Mal höher als bei den Tests.