Wolfsburg. VW stellte am Freitag seinen „Zukunftspakt“ vor. Das Konzept sieht vor allem Stellenstreichungen und zusätzliche Investitionen vor.

Volkswagen will mit dem größten Stellenabbau seit zehn Jahren zurück in die Zukunft. Der Wolfsburger Autobauer kündigte am Freitag den Abbau von weltweit bis zu 30.000 Stellen bei seiner renditeschwachen Hauptmarke VW an. Allein an den deutschen VW-Standorten sollen 23.000 Mitarbeiter in den nächsten Jahren gehen – knapp ein Fünftel der Beschäftigten.

Das will Volkswagen vor allem durch freiwilliges Ausscheiden älterer Mitarbeiter schaffen, Kündigungen soll es keine geben. Zugleich sollen 9000 neue Jobs in der Elektromobilität entstehen, die in den nächsten Jahren massiv ausgebaut wird. „Volkswagen muss schnell wieder Geld verdienen und sich für den kommenden Sturm wappnen“, sagte Markenchef Herbert Diess.

„Neun Jahre ohne Angst“

Betriebsratschef Bernd Osterloh hob hervor, dass die Arbeitnehmerseite den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2025 erreicht habe. „Das sind neun Jahre ohne Angst um den Arbeitsplatz.“

Die Wolfsburger wollen sich mit dem „Zukunftspakt“, über den Management und Betriebsrat monatelang gerungen hatten, fitmachen für die tiefgreifenden Veränderungen, vor denen die gesamte Autobranche steht: „Wir müssen Milliardenbeträge in neue Autos und Dienste investieren, neue Wettbewerber werden uns angreifen – der Wandel wird sicher radikaler als alles, was wir bislang erlebt haben“, sagte Diess.

Landesregierung bedauert Stellenabbau

Die Verdrängung des Verbrennungsmotors durch Elektroantriebe werde alle Hersteller treffen und alle wichtigen Unternehmen in den kommenden Jahren grundlegend verändern. „Bis heute war Volkswagen dafür nicht gewappnet.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bedauerte den Arbeitsplatzabbau. Dieser sei jedoch nötig. Um seine Zukunft zu sichern, müsse Volkswagen wettbewerbsfähiger und wirtschaftlicher werden, sagte der SPD-Politiker.

An der Börse hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Die VW-Aktie legte nur leicht zu. „Das ist nicht der ganz große Wurf, aber man packt es an“, sagte Marc-Rene Tonn vom Bankhaus M.M. Warburg. Er verwies auf die traditionell starke Stellung des Betriebsrats und des Landes Niedersachsen, das mit 20 Prozent zweitgrößter Aktionär ist. Dies mache bei VW kompliziertere Lösungen als bei anderen Unternehmen nötig.

Börsenexperten sind skeptisch

Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI kritisierte das operative Renditeziel von vier Prozent bis 2020 als wenig ambitioniert. „Ein Unternehmen, das sich zum Ziel setzt, gerade die Kapitalkosten zu verdienen, muss sich nicht wundern, wenn Aktionäre ihm den Rücken zuwenden“, monierte er.

Den an VW beteiligten Hedgefonds TCI konnte VW jedoch von seinem Spar- und Investitionsplan überzeugen. Solange es sich bei der geplanten Kostensenkung von 3,7 Milliarden Euro um eine Nettozahl handele und VW nicht an anderer Stelle mehr ausgebe, sei der Plan positiv zu bewerten, sagte TCI-Vertreter Ben Walker der Nachrichtenagentur Reuters. Der „Zukunftspakt“ unterstreiche außerdem die Durchsetzungsfähigkeit von VW-Markenchef Diess.

Experten glauben, dass andere Autobauer nachziehen

„Alle haben einen guten Deal abgeschlossen: Es ist gut für das Unternehmen, gut für die Belegschaft, gut für die Marke und ihre Führung - es gibt keine Verlierer“, ergänzte Walker. TCI hatte den VW-Konzern in der Vergangenheit wegen hoher Kosten, Bonuszahlungen und des starken Einflusses des Betriebsrates scharf angegriffen. Vor einem halben Jahr hatte TCI den Abbau von bis zu 30.000 Stellen gefordert - genau die Zahl, die jetzt vereinbart wurde.

Frank Schwope, Analyst von der NordLB, zollte VW ebenfalls Respekt für den größten Umbau in seiner Unternehmensgeschichte. „Der Konzern geht seine Kostenproblematik offensiver an als von manch einem Marktbeobachter erwartet“, sagte er. Die verkündeten Schritte dürften der Auftakt für Kosteneinsparungen auch bei den anderen Automarken des Konzerns sein.

Rosskur für die Kernmarke

Die renditeschwache Hauptmarke des Volkswagen-Konzerns unterzieht sich auch unter dem Druck des Dieselskandals und milliardenhoher Investitionen einer Rosskur. Das Flaggschiff beschäftigt weltweit an rund 30 Standorten derzeit 215.000 Mitarbeiter, davon rund 130.000 in Deutschland.

Mit dem „Zukunftspakt“ sollen die jährlichen operativen Kosten bis 2020 um 3,7 Milliarden Euro sinken. Davon sollten drei Milliarden Euro an den deutschen Standorten und 700 Millionen Euro im Ausland eingespart werden. Ein großer Teil der Einsparungen im Ausland entfällt auf Brasilien. Die Produktivität der deutschen Werke soll zugleich um 25 Prozent steigen.

Elektroautos werden in Wolfsburg gebaut

Die Vereinbarung sieht zudem Investitionen von 3,5 Milliarden Euro für die kommenden Jahre vor. Unter dem Druck des Dieselskandals will Volkswagen bis Mitte des nächsten Jahrzehnts den Absatz von neuen Elektroautos rasch hochfahren. Diese Umstellung führt zu weniger Beschäftigung, da Verbrennungsmotoren mit viel mehr Personal gebaut werden als Elektromotoren.

Die davon stark betroffenen deutschen Standorte in Salzgitter, Kassel und Braunschweig erhielten Zusagen etwa für Elektromotoren- und Batterieproduktion. Neue Elektroautos sollen am Stammwerk in Wolfsburg und in Zwickau gebaut werden. Als erster deutscher Autobauer will Volkswagen sich nicht nur an die Entwicklung, sondern womöglich auch an die Fertigung einer neuen Generation von Batteriezellen wagen. In Salzgitter soll dazu eine Pilotanlage entstehen. (rtr)