Berlin. Lässig statt stressig reisen: Die Österreichischen Bundesbahnen übernehmen das deutsche Nachtzugnetz – und versprechen viel Komfort.

Die neue Zeitrechnung für Nachtzugreisende beginnt am 11. Dezember: Dann zieht die Deutsche Bahn ihre Schlafwagen aus dem Verkehr. Stattdessen setzt der Konzern nachts zusätzlich normale ICE und IC aufs Gleis. Den klassischen Schlafwagenbetrieb in Deutschland übernehmen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Mit einem guten Service zu günstigen Preisen wollen sie vor allem Familien und Geschäftsreisende anlocken.

„Es geht nicht darum, möglichst schnell am Zielort zu sein“, sagt ÖBB-Chef Andreas Matthä, „sondern zur rechten Zeit.“ Das wollen die Österreicher auf insgesamt acht Verbindungen bieten. Schon heute fahren ihre blauen „Nightjets“ von Hamburg und Düsseldorf nach Wien. Ab Dezember kommen Nachtzüge von Hamburg über Berlin nach Zürich sowie von Hamburg oder Düsseldorf nach Innsbruck hinzu. Von München fährt die ÖBB nach Venedig, Rom oder Mailand. Zumeist können Autos und Motorräder mit an Bord.

Das Frühstück ist im Preis inbegriffen

Matthä hat sich viel vorgenommen. 40 Millionen Euro investieren die ÖBB in das Deutschland-Geschäft. Dafür hat das Unternehmen von der Deutschen Bahn 42 Schlaf- und 15 Liegewagen gekauft. Schon jetzt betreiben die ÖBB im Heimatland eine Reihe von Nachtzügen. Mit dem erweiterten Angebot will Matthä die Zahl der Passagiere auf 1,8 Millionen fast verdoppeln. Es sei ein Nischenprodukt, gibt der Manager zu. Deshalb zieht sich die Deutsche Bahn trotz aller Kritik an der Entscheidung auch endgültig aus dieser Sparte zurück.

Die ÖBB versprechen bezahlbaren Luxus. So kostet die einfache Fahrt im Einzelschlafabteil etwa ab Hamburg oder Berlin nach Zürich 139 Euro, zu zweit zahlt der Fahrgast je 99 Euro. Ein Platz im Liegesitz im Sechser-Abteil ab 39 Euro, ein Platz im Vierer-Abteil Liegewagen ab 69 Euro. Von Berlin nach Wien kostet die Fahrt im Schlafabteil ab 69 Euro, im Liegewagen ab 49 Euro für eine Strecke. Das Frühstück ist bei Schlaf- und Liegewagen im Preis inbegriffen. „Lässig statt stressig“, nennt Matthä diese Art des Reisens. Gebucht werden können die Tickets ab sofort und immer bis zu einem halben Jahr im Voraus.

ÖBB nachts profitabler unterwegs als DB

Warum die ÖBB das nächtliche Geschäft interessant finden, die Deutsche Bahn aber die Finger davon lässt, konnten die beiden verantwortlichen Manager nur ansatzweise erklären. Der Anteil der Nachtzüge am Geschäft der ÖBB ist mit 17 Prozent jedenfalls weitaus höher als beim deutschen Konkurrenten, der nicht einmal ein Prozent seines Umsatzes nachts erwirtschaftet. Entsprechend günstiger sind die ÖBB unterwegs.

Die Deutsche Bahn kommt über eine andere Schiene. „Wir wollen uns im Nachtverkehr in anderer Art und Weise weiter engagieren“, sagt der verantwortliche Bahnvorstand Bertold Huber. Künftig werden statt Schlafwagen nur noch normale ICE und IC nachts auf die Strecke geschickt. So kann das Unternehmen sein rollendes Material besser auslasten und damit wirtschaftlicher arbeiten.

Deutsche Bahn schickt ICE und IC ins Rennen

Zwei Zielgruppen hat Huber besonders im Blick. Junge Reisende mit wenig Geld und Pendler sollen die Nachtzüge füllen. Dazu gesellen sollen sich noch Urlauber auf dem Weg zum Flughafen. So gebe es etwa „viele Kunden, die nachts von Hamburg ins Ruhrgebiet wollen“, sagt Huber. Im Kernnetz zwischen den Ballungszentren wird es womöglich bald einen nahezu durchgängigen Verkehr geben. Wenn es läuft, will Huber das Angebot ausbauen.

Zunächst kommen zu den vier bestehenden Nachtverbindungen vier neue hinzu. Auch wird es drei ergänzende Linien als Spät- oder Frühzüge geben. Neu ist je ein IC zwischen Basel und Hamburg, Köln und Binz, Berlin und München sowie Basel und Frankfurt. Heute fährt die Bahn nachts von Dortmund nach München, von Köln nach Frankfurt, von Hamburg nach Kopenhagen und nach Basel.

Eisenbahnergewerkschaft sieht keine Verbesserungen

Bei den Preisen wird es für die nächtlichen Kunden der Bahn künftig einfacher. Die Nachtzüge werden in die normale Preisstruktur des Fernverkehrs integriert. Sparpreise und 19-Euro-Tickets bleiben erhalten. Und auch sämtliche Bahncard-Ermäßigungen gelten nachts. Zuschläge wird es Huber zufolge nicht geben. Auf die Schlafbedürfnisse der Reisenden will die Bahn mehr Rücksicht nehmen. So soll das Licht in den Waggons gedimmt werden. Auch halte das Zugpersonal Durchsagen kurz.

Die scheinbar großen Pläne beider Bahnunternehmen überdecken eine Zäsur. Unterm Strich halbiert sich das Angebot an echten Nachtzügen mit Schlafgelegenheiten. „Verbesserungen sehen wir da nicht“, kritisiert der Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG, Alexander Kirchner. Die Gewerkschaft fordert ein gemeinsames Engagement aller europäischen Bahnen für ein flächendeckendes Nachtzugsystem.