Berlin . Ein Drittel aller Eltern in Deutschland trinkt zu viel. Das wirkt sich laut einer Studie auch auf den Alkoholkonsum der Kinder aus.

Wein und Bier beim Abendessen, beim Gemeindefest, beim Treffen mit Freunden, oder auch regelmäßig vorm Fernseher. In manchen Familien ist Alkohol immer mit im Spiel. Doch wie wirkt sich das auf die Kinder aus? Nach einer bundesweit einmaligen Langzeitstudie beeinflusst der Alkoholkonsum von Eltern das Trinkverhalten der Kinder stärker als bisher gedacht – und sogar bis ins Erwachsenenalter.

Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT Nord) und des Bundesbildungsministeriums, die am Donnerstag von der DAK in Berlin vorgestellt wurde. Demnach ist das Risiko für Rauschtrinken – also sechs oder mehr Gläser bei einer Gelegenheit – bei Kindern, deren Eltern täglich Alkohol trinken, dreimal so hoch im Vergleich zu Eltern, die keinen Alkohol trinken. „Bei hohem Alkoholkonsum der Eltern erhöht sich auch bei Kindern das Risiko zum Rauschtrinken“, sagt IFT-Leiter Prof. Reiner Hanewinkel.

Überrascht von deutlichem Ergebnis

Mit seinem Team hat er die Entwicklung von riskantem Alkoholverhalten bei Heranwachsenden über neun Jahre lang verfolgt. Zunächst wurden 2005 knapp 5200 Zwölfjährige aus 114 Schulen befragt, neun Jahre später konnten die Forscher immerhin noch knapp 1100 der damals Befragten erreichen – da waren diese 21 Jahre alt. Überraschend sei für ihn gewesen, „wie deutlich sich das Trinkverhalten der Eltern auf den Nachwuchs auswirkt“, sagt Hanewinkel.

Zu vielen Anlässen wird Alkohol getrunken. Das merken sich offensichtlich +
Zu vielen Anlässen wird Alkohol getrunken. Das merken sich offensichtlich + © dpa | Christoph Schmidt

Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) appellierte an die Eltern, ihre Vorbildfunktion ernst zu nehmen. „Wasser predigen und gleichzeitig Wein trinken, das geht nicht“, mahnte sie. Sie forderte auch die Länder und Kommunen auf, Geschäfte und Gaststätten stärker nach dem Jugendschutz zu kontrollieren. Gleichzeitig prangerte Mortler die öffentlich-rechtlichen Sender an, immer häufiger Filme zu senden, in denen es „ums Saufen, Kiffen und Rauchen geht“. Alkoholmissbrauch bleibe trotz allgemein rückläufigen Konsums weiter eine der „großen gesundheitspolitischen Herausforderungen“, sagte Mortler. Sie arbeite auch daran, Präventionsstrategien speziell für junge Flüchtlinge zu entwickeln.

Ein Drittel der Eltern trinkt zu viel

In einer zweiten Studie ließ die DAK 1000 Mütter und Väter von Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren zum Thema Alkohol befragen. Das Ergebnis: 21 Prozent machen sich zwar Sorgen, dass ihre Sprösslinge zu viel trinken. Fast ein Drittel der Befragten (32 Prozent) legt der Umfrage zufolge allerdings selbst ein riskantes Trinkverhalten an den Tag – bei den Vätern liegt der Anteil sogar bei 39 Prozent. Fast ein Viertel (23 Prozent) der Eltern erlebt mindestens einmal im Monat selbst einen Alkoholrausch.

In 65 Prozent der Haushalte gelangen Kinder „sehr leicht“ an Bier, Wein oder Schnaps, im Mittel lassen Eltern ihre Kinder Alkohol probieren, wenn diese 15 Jahre alt sind. Gut jedes fünfte Kind darf dies schon mit 13 oder 14 Jahren.

Wer später den Rausch erfährt, trinkt im Alter weniger

Wer früh Erfahrungen mit Alkohol macht, trink im Alter eher mehr als andere.
Wer früh Erfahrungen mit Alkohol macht, trink im Alter eher mehr als andere. © dpa | Monika Skolimowska

Nach der Langzeitstudie von Hanewinkel und seinen Kollegen sei es wichtig für die weitere Suchtentwicklung, dass Erfahrungen mit Alkoholrausch möglichst spät gemacht werden. Zwölf- und 13-Jährige, die diese bereits hätten, zeigen als junge Erwachsene zu 55 Prozent ein riskantes Trinkverhalten.

Unter Altersgenossen, die mit 13 oder 14 Jahren noch rauschfrei waren, sind es mit 46 Prozent um einiges weniger. „Wenn es uns gelingt, die Jugendlichen zu überzeugen, dass Rauschtrinken nichts für sie ist, trinken sie auch als Erwachsene deutlich moderater“, resümierte Hanewinkel.

Mädchen und Gymnasiasten häufiger betroffen

Deutlich betroffener von exzessivem Trinken sind den Ergebnissen zufolge Mädchen und junge Frauen sowie Gymnasiasten. Der IFT-Leiter begründet dies mit der „Prosecco-Fraktion“, die sozio-ökonomisch gut gestellt sei. Als weitere Risikofaktoren machten die Forscher generelle Abenteuerlust, heimliches Alkohol trinken und den Alkoholkonsum der Freunde aus.

Für seine Kasse heiße das, mit Präventionsmaßnahmen früh ansetzen zu müssen, sagte Andreas Storm, Vorstandschef der DAK,. Sie startete die achte Auflage der bundesweiten Aufklärungskampagne „bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen“.

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