Karl Lagerfeld: Der letzte Dandy von Paris wird 85
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Von Peter Heusch
Paris. Modezar und Provokateur: Der begnadete Selbstdarsteller Karl Lagerfeld wird 85 Jahre alt und sonnt sich im Status der Zeitlosigkeit.
Das schillernde Rad, welches der höchst eitle Pfau Karl Lagerfeld so glänzend zu schlagen pflegt, fängt schon mit dem Alter an. Seinen eigenen Angaben zufolge wird der gebürtige Hamburger am Montag 80 Jahre alt, in Wirklichkeit hat er fünf Jahre mehr auf dem schmalen Buckel, wie eine im Jahr 2013 aufgetauchte Geburtsanzeige belegt. Aber was soll’s? Feiern dürfte der Jubilar den in jedem Fall runden Geburtstag ohnehin nicht, da er „Jubiläen und Geburtstage einfach grässlich“ findet.
Außerdem hat es Lagerfeld stets verstanden, sich so sorgfältig als wandelndes Unikum zu inszenieren, dass er als solches nahezu zeitlos erscheint. Steifer Vatermörderkragen, dunkle Sonnenbrille, schwarzes Jackett zu schwarzen Biker-Handschuhen sowie ein weiß gepudertes, die superschmale Silhouette krönendes Mozartzöpfchen – egal wo Lagerfeld auftaucht, übersehen kann man ihn beim besten Willen nicht.
Sein exzentrisches Erscheinungsbild ist unverrückbar, erst recht seit er dank einer Radikaldiät zu Beginn des Jahrhunderts 42 Kilo verlor. Dieser Mann versteht es nicht nur, große Marken zu repräsentieren, er ist selbst eine Marke geworden, hinter der seine Person verschwunden ist. Kein Wunder also, dass ihm sein Ruf als „letzter Dandy von Paris“ unverhohlene Genugtuung beschert.
Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld
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Lagerfeld ist ach wie vor der Dreh- und Angelpunkt der Pariser Modeszene
Auch wenn sich in letzter Zeit Gerüchte über seine angeblich angeschlagene Gesundheit oder sein baldiges Abdanken häufen, ist Lagerfeld nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt der Pariser Modeszene. Wer, bitte schön, sollte ihm seit dem Tod von Yves Saint Laurent den Thron des Haute-Couture-Kaisers noch streitig machen?
Zumal der disziplinierte Arbeiter im Jahr neben acht Kollektionen für Chanel noch zwei für Fendi und vier für seine eigene Marke „Karl Lagerfeld Paris“ zeichnet. Vor allem seine Chanel-Defileen gelten bis heute als absolute Höhepunkte, die nicht selten die Trends für das neue Modejahr vorgeben.
Mit 16 bekommt Lagerfeld seinen ersten Design-Preis
Lagerfeld kam als 14-Jähriger mit seiner Mutter an die Seine und gewann bereits zwei Jahre später einen ersten Preis für das Design eines Wollmantels. Die Pariser Mode-Ateliers öffnen dem vielversprechenden Jüngling ihre Türen sofort und sperrangelweit. Nach einer Schneiderlehre übernimmt er 1959 die künstlerische Leitung des Modehauses Jean Patou.
Wenig später rückt er zum blutjungen Chef-Designer bei Chloe auf, kreiert Pelzkollektionen für Fendi, bringt 1975 sein eigenes Parfum auf den Markt. Nach ganz oben gelangt Lagerfeld dann im Jahr 1984, als er an die Spitze von Chanel berufen wird.
Die Haute-Couture-Schauen in Paris
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Dass er sich dort so lange gehalten hat, verdankt Lagerfeld jedoch nicht nur seinem Ausnahmetalent als Designer. Er verinnerlichte früh, das Klappern zum Handwerk gehört. Es gilt im Gespräch zu bleiben, gerade in der schnelllebigen Modewelt, sei es mit seiner Kunst- und Künstlerfigur des Dandys, indem er seiner heiß geliebten Hauskatze Choupette einen eigenen Twitter-Account einrichtet oder durch gezielte Provokationen.
So etwa beleidigt er Herzogin Kates Schwester, Pippa Middleton, deren Gesicht er als banal bezeichnete und der er empfahl, sich lieber nur von hinten zu zeigen. Oder er erklärt Übergewicht bei jungen Frauen zu einem größeren Problem als die viel diskutierte Magersucht in der Modebranche.
Lagerfeld provoziert regelmäßig, zuletzt mit Kritik an Angela Merkel
Wobei Lagerfeld schon ein halbes Jahr zuvor gegen die „massive“ Zuwanderung von Moslems gewettert hatte. Nach dem Mord von Millionen Juden könne die Bundesregierung heute nicht „Millionen der schlimmsten Feinde“ der Juden ins Land holen.
Es stimmt leider, dass der „große Karl“ immer dann jene seine Kreationen auszeichnende Eleganz fahren lässt, wenn er zu sticheln beginnt. In jüngster Zeit freilich gleichen diese Sticheleien eher den Rundumschlägen eines verbitterten Greises. Vielleicht ist die Zeit ja doch nicht so spurlos an ihm vorübergegangen, wie es seine bislang ungebrochene Schaffenskraft suggeriert.