Berlin. Ungeimpfte haben ein höheres Risiko, schwerer an Covid-19 zu erkranken. Sollten sie deshalb an den Behandlungskosten beteiligt werden?

Immer mehr Menschen infizieren sich mit dem Coronavirus. Vor allem seitdem die Omikron- die Delta-Variante als vorherrschende Mutation abgelöst hat, steigen die Zahlen immer weiter an. Menschen, die noch keine Impfung gegen das Virus haben, müssen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit im Krankenhaus behandelt werden. Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, hält es deshalb für möglich, Ungeimpfte an den Covid-Behandlungskosten zu beteiligen.

Dabei gehe es ihm nicht darum, Menschen ohne Corona-Impfung von Gesundheitsleistungen auszuschließen: "Zweifellos müssen natürlich auch Nichtgeimpfte Anspruch auf das volle Programm der gesetzlichen Krankenversicherung haben", sagte Schlegel beim BSG-Jahrespressegespräch. "Alles andere wäre ethisch auch nicht vertretbar."

Ungeimpfte mit Corona: Bis zu 200.000 Euro Behandlungskosten

Trotzdem sei es nach seiner Einschätzung zulässig, Ungeimpfte mit schwerem Verlauf "maßvoll an den Kosten solch einer Behandlung zu beteiligen". Die Höhe der Beteiligung könne sich Schlegel zufolge am Einkommen und Vermögen des oder der Betroffenen ausrichten.

Einer der Gründe für Schlegels Überlegungen seien die hohen Kosten einer Behandlung an der Beatmungsmaschine. Je nach Dauer könnten Kosten zwischen 60.000 und 200.000 Euro entstehen. Für 200.000 Euro zahlten ein Durchschnittsverdiener und sein Arbeitgeber 34 Jahre lang Krankenkassenbeiträge, so der BSG-Präsident.

Deshalb sei es nur fair, wenn Ungeimpfte einen Teil dieser Kosten selbst tragen würden: "Wir reden viel von Solidarität. Solidarität ist keine Einbahnstraße", sagte Schlegel.

Corona-Behandlung: Bayerns Gesundheitsminister forderte Kostenübernahme

Die Forderung des BSG-Präsidenten ist nicht neu. Schon im vergangenen Jahr hatten sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für eine Kostenbeteiligung von Ungeimpften ausgesprochen. "Das ist ein denkbarer Schritt Richtung Verursacherprinzip", schrieb der Ökonom Marius Brülhart im November 2021 auf Twitter. "Nichtimpfen ist mittlerweile ein freier und bewusster Entscheid".

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach sich noch im Dezember 2021 für finanzielle Mali für Ungeimpfte aus. Denkbar seien – neben der schon erwähnten Beteiligung an den Krankenhauskosten – höhere Krankenkassenbeiträge oder die Streichung des Krankengeldes, sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Singapur: Seit Dezember zahlen Ungeimpfte ihren Krankenhausaufenthalt selbst

Doch es gibt auch Kritik an den Forderungen. Der Cottbuser Ökonom Jan Schnellenbach merkt in der "Welt" dazu an: "Es läuft dem Prinzip der Krankenversicherung entgegen zu fragen, ob jemand vielleicht selbst für seine Krankheit verantwortlich ist. Herzkrank und adipös, Rückenschmerzen wegen Bewegungsmangel, Skiunfälle? Wo hören wir da auf?"

Die Diskussion um eine Beteiligung von Ungeimpften an ihren Behandlungskosten könnte also weitergehen. In Singapur ist sie dagegen schon beendet. Im asiatischen Stadtstaat müssen Ungeimpfte seit dem 8. Dezember 2021 ihre Behandlung im Krankenhaus selbst zahlen. Durchschnittlich schlägt das laut Gesundheitsministerium mit umgerechnet 15.000 Euro zu Buche.