Berlin. Österreich macht ernst: Corona-Impfpflicht für alle ab 18 Jahren. Was jetzt dort gilt. Und auf welche Länder wir noch achten müssen.

Deutschland ringt um eine gesetzliche Pflicht zur Corona-Impfung. Jetzt prescht Österreich vor – ab sofort gilt dort die Impfpflicht für alle ab 18 Jahren. Wie funktioniert das Knallhart-Modell Österreich? Ist der mildere italienische Weg doch besser? Fünf Modelle zur Corona-Impfpflicht werden in Europa und weltweit getestet – nicht alle sind erfolgreich.

Modell Österreich: Ab sofort allgemeine Impfpflicht

Als erstes Land der Europäischen Union startet Österreich jetzt seine Impfpflicht für alle Bürger ab 18 Jahren, als letztes gab der Bundesrat in Wien seine Zustimmung. Ausgenommen sind Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, für die aus medizinischen Gründen eine Impfung nicht erlaubt ist, Schwangere und - für ein halbes Jahr – Genesene. Theoretisch drohen bei Verstößen recht hohe Geldstrafen, am Anfang 600 Euro, später sogar 3600 Euro – die Zahlung kann allerdings vermieden werden, wenn die Betroffenen sich binnen zwei Wochen doch noch impfen lassen.

Gezwungen wird niemand zur Impfung. Kontrolliert wird das Gesetz stichprobenartig erst ab Mitte März. Denn die bis 2024 befristete Regelung zielt eigentlich schon auf eine mögliche nächste Corona-Welle in der zweiten Jahreshälfte.

Wird die Corona-Pandemie dann noch einmal ernst, gibt das Gesetz die Möglichkeit, in „Phase 3“ das vorhandene zentrale Impfregister zu nutzen, um Spritzen-Verweigerer per Datenbankrecherche zu enttarnen und zu sanktionieren. Die Impfquote lag in Österreich mit zuletzt 69 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland (74 Prozent). Die Impfpflicht gilt auch für Menschen mit Nebenwohnsitz in Österreich. Und wer aus dem Ausland nach Österreich einreist?

Für den besteht ohnehin schon die Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises – wer keinen Booster bekommen hat, muss bei Einreise zusätzlich einen negativen PCR-Test vorzeigen. Der österreichische Weg hat in der deutschen Ampel-Koalition erhebliche Unterstützung, SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hat dazu Eckpunkte vorbereitet.

Gegen die gesetzliche Impfpflicht gab es in Österreich im Vorfeld Proteste. Mitte Dezember versammelten sich Demonstranten zu einer großen Kundgebung in Wien, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, insbesondere die Impfpflicht, zu protestieren.
Gegen die gesetzliche Impfpflicht gab es in Österreich im Vorfeld Proteste. Mitte Dezember versammelten sich Demonstranten zu einer großen Kundgebung in Wien, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, insbesondere die Impfpflicht, zu protestieren. © dpa | Florian Wieser

Modell Frankreich: Impfpflicht für einzelne Berufe

Diese Lösung ist europaweit am häufigsten, ab 15. März kommt Deutschland mit seiner Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen dazu. Viele Pflegekräfte sind aber noch ungeimpft. Besonders massiv ging Frankreich vor, hier müssen sich seit dem 15. September alle Mitarbeiter in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Pflegediensten, bei Feuerwehr und Rettungsdiensten die Corona-Spritzen geben lassen – inzwischen gilt sogar Booster-Pflicht.

2,7 Millionen Beschäftigte sind betroffen, nach Regierungsangaben haben nur einige tausend die Immunisierung verweigert. Ihnen wird erst das Gehalt gekürzt und am Ende gestrichen. Die Impfquote liegt in Frankreich mit 76 Prozent leicht über dem deutschen Niveau.

Italien hat eine solche Verpflichtung seit vorigen Mai für Ärzte und medizinisches Personal, seit zwei Monaten auch für das Altenheim-Personal, Lehrer und Sicherheitskräfte. Wer gegen die Auflage verstößt, muss mit Suspendierung und einer Geldstrafe von bis zu 1500 Euro rechnen. Eine Impfpflicht für Pflegepersonal gibt es auch in Belgien, Finnland und stufenweise in Großbritannien, in Lettland außerdem für soziale und pädagogische Berufe, in Slowenien für den öffentlichen Dienst.

Modell Italien: Impfpflicht für Ältere und für bestimmte Berufe

Als erstes EU-Land hat Italien eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren beschlossen – kombiniert mit der schon länger geltenden Pflicht für bestimmte Berufsgruppen (siehe oben). Begründung: Die Älteren gelten als anfälliger für schwere Verläufe einer Corona-Infektion und müssten deshalb auch häufiger im Krankenhaus behandelt werden, sagt Premier Mario Draghi. „Damit nehmen wir den Druck von den Kliniken“, erklärt er.

Die Pflicht für die über 50-Jährigen gilt seit Januar und ist befristet bis Mitte Juni, betroffen sind auch Ausländer mit Wohnsitz in Italien. Ab Mitte Februar wird die Regelung auch am Arbeitsplatz durchgesetzt – wer von den Älteren dann keinen Nachweis hat, verliert zwar nicht seinen Job, aber den Anspruch auf Gehalt. Die Kontrollen sollen in zwei Wochen beginnen, bei Verstößen droht eine Geldbuße von 100 Euro. Das Modell ist aber nur ein Kompromiss. Draghi wollte eigentlich eine allgemeine Impfpflicht, konnte sich aber in seiner Koalition nicht durchsetzen.

Die Impfquote ist in Italien mit 77,5 Prozent nur wenig höher als in Deutschland – trotz der Auflagen. Auch Griechenland hat jetzt eine Kombination aus Impfpflicht für Ältere und für einzelne Berufe. Hier gilt sie für die Altersgruppe 60+ und für Beschäftigte in Alten- und Pflegeheimen. Tschechien hatte diesen Schritt vorbereitet, die neue Regierung ließ den Plan aber platzen. In Deutschland gibt es Sympathien für das Kombimodell. Die Impfpflicht für den Gesundheits- und Pflegebereich ist schon Gesetz, diskutiert wird jetzt das Modell 50+: In der Koalition bereitet der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann dazu einen Antrag vor.

Der Bundestag muss entscheiden, ob es eine Impfpflicht in Deutschland geben soll. Bei der Orientierungsdebatte am 26. Januar war noch keine Richtung erkennbar.
Der Bundestag muss entscheiden, ob es eine Impfpflicht in Deutschland geben soll. Bei der Orientierungsdebatte am 26. Januar war noch keine Richtung erkennbar. © dpa | Kay Nietfeld

Modell Tadschikistan: Impfpflicht, aber locker

Außerhalb Europas haben nur einige wenige Staaten eine Impfpflicht eingeführt – und nicht gerade streng umgesetzt. Ecuador hat nach einer verheerenden ersten Corona-Welle vor Weihnachten die weltweit umfassendste Vorschrift verkündet: Schon für Kinder ab 5 Jahren ist demnach die Spritze Pflicht. Allerdings sind trotzdem erst 75 Prozent der Bevölkerung geimpft. Noch viel bescheidener sieht es mit dem Erfolg der allgemeinen Impfpflicht in den autoritär regierten Staaten Tadschikistan (Impfquote 37 Prozent) und Turkmenistan (Impfquote 53 Prozent) aus.

Auch die Impfpflicht im coronafreien Pazifikstaat Mikronesien wird bisher locker gehandhabt: Erst 38 Prozent der Bevölkerung sind voll immunisiert. Indonesien hat bereits seit einem Jahr eine Impfpflicht für Bürger ab 18 Jahren, doch gibt es massive Probleme bei der Verteilung der Vakzine – die Quote der vollständig Geimpften liegt aktuell bei nur 45 Prozent.

Modell Dänemark: Verzicht auf Impfpflicht

In vielen EU-Ländern steht eine Impfpflicht überhaupt nicht zur Debatte. In Dänemark mit seiner hohen Impfquote von 81 Prozent spielt das Thema gar keine Rolle, denn dort ist die Bevölkerung ab 60 Jahren praktisch vollständig immunisiert. Eine ähnliche Situation in Ländern wie Portugal, Spanien, Irland oder Malta – überall sind die Impfquoten ganz ohne Zwang sehr hoch.

Aber auch in osteuropäischen Ländern mit ihren teils dramatisch niedrigen Impfraten (29 Prozent bei Schlusslicht Bulgarien) steht eine Spritzen-Pflicht nicht auf der Tagesordnung – sie wäre bei der ohnehin skeptischen Bevölkerung dort auch kaum durchsetzbar. Auch für diesen Weg gibt es in Deutschland viel Unterstützung, im Bundestag ist FDP-Vize Wolfgang Kubicki der Wortführer.