Erfurt. Astronaut Alexander Gerst spricht im Interview über spannende Forschung im All, außerirdisches Leben und seine Pläne für die Zukunft.

Mit 362 Tagen ist Alexander Gerst, Astronaut der Weltraumorganisation ESA, eu­ropäischer Rekordhalter im Weltall. Von seiner zweiten Mission – die erste war im Jahr 2014 – kehrte er im Dezember 2018 nach über sechs Monaten zurück. Wir sprachen mit dem 43-jährigen Astronauten und Geophysiker aus Künzelsau.

Was machen Sie aktuell? Warten Sie auf den Anruf mit der Mitteilung, dass Sie wieder ins All können?

Alexander Gerst: Ich bin ja erst seit Kurzem zurück, wir haben von der Expedition immer noch wissenschaftliche Vergleichsdaten, die wir aufnehmen und analysieren. Mein Hauptjob wird vorerst sein, künftige Missionen vorzubereiten, meine Erfahrungen für solche Projekte einzubringen.

Ich werde auch im ESA-Astronauten-Team bleiben, für weitere Flüge ins All zur Verfügung stehen. Es ist aber nicht so, dass ich unentwegt auf den Anruf warte. Ich weiß, der könnte noch Jahre auf sich warten lassen.

Wenn Sie die Wahl hätten: noch mal ein ISS-Besuch, eine Mars-Expedition oder eine Mond-Reise – für was würden Sie sich entscheiden?

Gerst: Auf der ISS war ich zweimal, das war wunderbar, ich würde auch bei einem dritten Mal nicht Nein sagen. Aber noch faszinierender finde ich, ein Stück weiter raus zu fliegen, zum Mond und dann weiter zum Mars.

Der Mond ist unser nächster Nachbar, eine Art achter Kontinent, der gerade einmal drei Reisetage entfernt ist. Wir von der ESA bauen gerade mit unserem Partner, der NASA, das nächste Raumschiff, das zum Mond fliegen soll. Das passiert zur Hälfte in Deutschland. Wir Deutschen sind also, gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten der ESA, bei dieser Expedition entscheidend beteiligt.

Astronaut Alexander Gerst kehrte kurz vor Weihnachten 2018 von der Internationalen Raumstation ISS auf die Erde zurück.
Astronaut Alexander Gerst kehrte kurz vor Weihnachten 2018 von der Internationalen Raumstation ISS auf die Erde zurück. © dpa | Henning Kaiser

Welche waren für Sie die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Ihren Missionen?

Gerst: Eine Expedition ist kein Einzelprodukt, sie ist immer in Serie zu sehen. Auf der ISS wird seit 20 Jahren Forschung betrieben – beispielsweise, um ein besseres Verständnis von irdischen Krankheiten zu entwickeln. Nehmen wir Parkinson: In der Schwerelosigkeit können wir die zerstörerischen sogenannten LRRK2-Proteinkristalle viel größer züchten als auf der Erde. Diese brauchen wir, um wirksame Medikamente zu suchen.

Oder wir testen Medikamente gegen Krebs. Die Tumore wachsen in der Schwerelosigkeit dreidimensional wie im Körper, bei der Forschung auf der Erde oft nur zweidimensional. Komplett neu entdeckt wurde unter anderem eine bisher unbekannte Art Flamme, die bei geringeren Temperaturen brennt. Vielleicht nutzbar als Vorbrennstufe für sauberere Kraftwerke.

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Glauben Sie an Leben in anderen Galaxien? Ihr Kollege Ulf Merbold hat gesagt, wir Menschen sollten nicht die Arroganz haben und denken, dass wir allein im All sind.

Gerst: Niemand von uns sollte sich darauf verlassen, was andere glauben. Die Erkenntnis ist das Entscheidende, nicht die Eventualität. Wir sollten also zum Mars fliegen und schauen, ob es dort Spuren von Leben gibt, ausgestorbene Fossilien oder Mikroben. Finden wir Ähnliches, würde das bedeuten, dass im Universum das Leben wahrscheinlich blüht, viele weitere Zivilisationen in verschiedenen Stufen existieren, womöglich deutlich weiter entwickelt als auf der Erde.

Viele bewundern Sie – wen bewundern Sie?

Gerst: Menschen, die ihren eigenen Weg gehen, die aus Überzeugung handeln, die die Wissenschaft vorantreiben. Entdecker wie Galilei oder Kopernikus, die revolutionäre Ideen hatten und sich trotz Widerstands getraut haben, für ihre Überzeugungen einzustehen.

Astro-Alex in Deutschland gelandet

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    In der Sojus-Kapsel, mit der Sie zur ISS geflogen sind, wurde ein Loch entdeckt.

    Gerst: Das war schon aufregend, in so einer Situation muss man richtig reagieren und handeln. Da ist kein Platz für Fehler. Wir haben die entsprechende Notfallprozedur durchgeführt und ermittelt, wo der Druckverlust herkommt. Schließlich haben wir das Loch, das hinter einer Wandverkleidung lag, repariert. Für den Rückflug hatte es keine Relevanz, da es sich in einem Teil unseres Raumschiffes befand, der vor dem Wiedereintritt ohnehin abgeworfen wird.

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    Kennen Sie Angst?

    Gerst: Angst ist ja dann zu spüren, wenn eine Situation außer Kontrolle ist. Besonders, wenn akute Lebensgefahr besteht. Das Gefühl kennt wohl jeder Mensch, auch wir Astronauten. Wir versuchen allerdings, jegliche irrationalen Reaktionen zu vermeiden, indem wir viel trainieren, uns auf alle Eventualitäten einstellen. Dass es eben nicht nur einen Plan A, sondern auch einen Plan B und C gibt. Das beruhigt ungemein.