Oldenburg. 100 Patienten soll der Ex-Pfleger Högel ermordet haben: schwerkranke, wehrlose Menschen. Er habe nicht mehr aufhören können, sagte er.

Der mutmaßlich größte Serienkiller der deutschen Nachkriegszeit hat den Überblick über seine Taten verloren. Ex-Krankenpfleger Niels Högel, wegen 100-fachen Mordes angeklagt, kann sich vor dem Oldenburger Landgericht an viele seiner möglichen Opfer nicht mehr erinnern.

Für Hinterbliebene im Saal bedeutet dies eine emotionale Achterbahnfahrt. Mal hat der Angeklagte überraschende Details eines 15 Jahre alten Falles parat, dann wieder nichts. Rückblickend meint er: „Ich wollte erwischt werden.“

Högel: „Das hätte jemandem auffallen können“

Dass es fünf Jahre dauerte, bis das passierte, dass er bis 2005 ungestört töten durfte, das scheint dem 41-Jährigen manchmal selbst nicht ganz erklärlich. Vor allem weil er immer argloser vorging: Im Beisein von Ärzten, Schwestern und Pflegern habe er Patienten in den Todeskampf gespritzt, um sie danach zu reanimieren und als gefeierter Held dazustehen – was 100-mal misslungen sein soll.

„Das hätte jemandem auffallen können, ja sogar müssen“, ärgert sich Högel fast. „War das für Sie ein besonderer Kick? Oder waren Sie einfach schon so abgestumpft?“, fragt der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann.

Hier soll die Mordserie des Pflegers Niels Högel begonnen haben.
Hier soll die Mordserie des Pflegers Niels Högel begonnen haben. © dpa | Ingo Wagner

„Dass es wirklich möglich ist, dieses Gefühl hat mir die Angst genommen“, entgegnet Högel. Ob er sich allmächtig fühlte, als „Herr über Leben und Tod“? Nein, „ein Austesten“ sei das gewesen, eine Grenzerweiterung. „Ich war in einem Tunnel.“

Zu 36 von bisher 83 Tötungsvorwürfen, mit denen Högel bisher konfrontiert wurde, hat er sich bekannt. An 42 angeklagte Taten erinnere er sich nicht, schließe sie aber auch nicht aus. In fünf Fällen weist er die Anschuldigung zurück. An diesem Mittwoch wird der Prozess mit dem letzten Verhandlungstag im Jahr 2018 fortgesetzt.