Hannover. Vanessa Münstermann ist nach einem Säure-Angriff ihres Ex-Freunds für ihr Leben entstellt. Nun steht ihr viel Geld zu – eigentlich.

Das Säureopfer Vanessa Münstermann hat 250.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekommen. Diese Entscheidung verkündete das Landgericht Hannover am Dienstag. Anfang 2016 war die damals 27 Jahre alte Kosmetikerin von ihrem Ex-Freund mit Schwefelsäure übergossen worden.

Sie verlor ein Auge und ein Ohr, Narben zerfurchen bis heute ihre linke Gesichtshälfte. Zum Auftakt des Zivilprozesses hatte die Richterin gesagt, die Schmerzensgeld-Forderung sei hoch, aber es sei „eine extreme Tat mit extremen Folgen“ gewesen. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.

Ungewöhnlich hohes Schmerzensgeld

Das Schmerzensgeld ist für eine Gewalttat außergewöhnlich hoch. Die Kammer halte die Höhe aber für angemessen, sagte ein Gerichtssprecher: „Die Schäden kann man eigentlich in Geld gar nicht bemessen.“ Dem Täter sei es darauf angekommen, die Frau vorsätzlich zu entstellen. Schmerzensgeld habe auch eine Genugtuungsfunktion.

Vanessa Münstermann war vor rund zweieinhalb Jahren an einem frühen Montagmorgen in Hannover-Leinhausen mit ihrem Hund spazieren gegangen. Ihr Ex-Freund lauerte ihr auf. In seiner Jackentasche hielt er ein Glas Schwefelsäure bereit. Unvermittelt sprang er hinter einem Busch hervor und kippte Münstermann die Säure ins Gesicht. Sie lag mehrere Tage im Koma und wurde viele Male operiert.

Täter ist pleite – was das für das Opfer bedeutet

Der jetzt 35 Jahre alte Täter wurde bereits zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Ob er das Schmerzensgeld an seine Ex-Freundin je zahlen können wird, ist unklar. Der Täter ist nach Angaben seines Anwalts pleite. Eine Insolvenz des Angeklagten werde jedoch nicht dazu führen, dass er sich aus dieser Verpflichtung befreien könne, betonte der Gerichtssprecher.

Münstermann kann mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers in den kommenden 30 Jahren versuchen, zumindest an einen Teil des Geldes zu kommen. Seiner Mandantin sei bewusst, dass ein zugesprochenes Schmerzensgeld nicht immer gezahlt werde, hatte ihr Anwalt im August gesagt.

Münstermann gründete Verein für weitere Opfer

Zahlreiche Operationen hatte Vanessa Münstermann nach dem Angriff über sich ergehen lassen. Doch ziemlich schnell richtete sich ihr Blick wieder nach vorne. Ein Jahr nach der Attacke ging die junge Frau wieder an die Öffentlichkeit, um sich mit ihren Erfahrungen für andere Menschen einzusetzen, um anderen Säureopfern zu helfen.

Gemeinsam mit Freunden und Unterstützern gründete sie im Februar 2017 den Verein „AusGezeichnet“. „Ich bin zwar gezeichnet, aber dadurch auch ausgezeichnet“, sagte sie damals mit Anspielung auf den Vereinsnamen.

Es sei „ein Verein von Entstellten für Entstellte“, er richte sich an Menschen, die von Narben gezeichnet sind , die anders aussehen – sei es durch eine Säure-Attacke, ein Feuer, einen Unfall oder von Geburt an.

Etwa 18.000 Brandopfer gibt es nach Vereinsangaben in Deutschland pro Jahr. Viele davon litten unter Entstellungen – wie Vanessa Münstermann auch, deren linke Gesichtshälfte durch den Angriff zerstört wurde. Der jetzt 35 Jahre alte Täter war bereits zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden.

(dpa/ba)