Wiesbaden. Der mutmaßliche Mörder von Susanna hat das Mädchen wohl aus Angst vor einer Anklage getötet. Am Samstagabend landete er in Frankfurt.

Der Verdächtige Ali B. im Fall der getöteten Susanna hat sich nach seiner misslungenen Flucht in den Irak ausführlich vor der deutschen Justiz geäußert. Der 20 Jahre alte Iraker ist am Sonntagnachmittag im Wiesbadener Polizeipräsidium mehrere Stunden lang von einer Amtsrichterin vernommen worden, die über die Untersuchungshaft entscheiden sollte. Ein Ergebnis oder Details der Aussage wurden zunächst nicht mitgeteilt. Die Verhandlung hatte verspätet begonnen, zudem wurde ein Dolmetscher hinzugezogen.

Der Iraker steht im dringenden Verdacht, die am Mittwoch in Wiesbaden tot gefundene Susanna F. in der Nacht vom 22. zum 23. Mai vergewaltigt und getötet zu haben. Bundespolizisten hatten Ali B. am Samstag an Bord einer Lufthansa-Maschine aus der nordirakischen Stadt Erbil zurück nach Deutschland gebracht. Die Nacht hatte der Verdächtige im Wiesbadener Polizeigewahrsam verbracht, nachdem ihn ein Polizeihubschrauber am Frankfurter Flughafen abgeholt hatte.

Falls Ali B. in Untersuchungshaft kommt, soll er möglicherweise in das Männergefängnis Frankfurt I gebracht werden. Dort könne er im Fall einer Suizidgefährdung besser überwacht werden, hieß es in Ermittlerkreisen. Üblicherweise werden junge Untersuchungshäftlinge in der JVA Wiesbaden untergebracht.

Ali B. soll im Irak gestanden haben

Ali B. hatte sich zuvor mit seiner Familie von Deutschland aus zunächst in die Türkei und dann in den Irak abgesetzt. Dort konnten ihn die kurdischen Sicherheitsbehörden am Freitagmorgen um 5.20 Uhr „in letzter Sekunde vorläufig festnehmen“, wie Bundespolizei-Chef Dieter Romann der „Bild am Sonntag“ sagte: „Der Tatverdächtige hatte vor, sich in ein Nachbarland des Irak abzusetzen.“

Wut und Trauer nach dem Mord an Susanna

Die 14-jährige Susanna verschwand am 22. Mai nach einem Treffen mit ihren Freundinnen. Ihre Mutter meldete sie als vermisst. Die Polizei leitete die Fahndung ein. Der entscheidende Hinweis kam laut Ermittlern von einem jungen Geflüchteten, der den mutmaßlichen Täter kannte. Er führte die Polizisten zu diesem Feldweg im Stadtteil Erbenheim in Wiesbaden. Erst am 6. Juni fanden die Beamten die Leiche der vermissten Susanna.
Die 14-jährige Susanna verschwand am 22. Mai nach einem Treffen mit ihren Freundinnen. Ihre Mutter meldete sie als vermisst. Die Polizei leitete die Fahndung ein. Der entscheidende Hinweis kam laut Ermittlern von einem jungen Geflüchteten, der den mutmaßlichen Täter kannte. Er führte die Polizisten zu diesem Feldweg im Stadtteil Erbenheim in Wiesbaden. Erst am 6. Juni fanden die Beamten die Leiche der vermissten Susanna. © dpa | Arne Dedert
Die Polizisten befragten am 6. Juni auch Passanten. Nicht weit entfernt – an den Bahngleisen – fanden sie die Leiche einer weiblichen Person. Da sie vergraben war, konnte man Susanna nicht sofort identifizieren.
Die Polizisten befragten am 6. Juni auch Passanten. Nicht weit entfernt – an den Bahngleisen – fanden sie die Leiche einer weiblichen Person. Da sie vergraben war, konnte man Susanna nicht sofort identifizieren. © dpa | Arne Dedert
Die Leiche von Susanna hatte der Täter in diesem Gebüsch am Bahngleis versteckt. Später stellte sich heraus: Susanna wurde vergewaltigt.
Die Leiche von Susanna hatte der Täter in diesem Gebüsch am Bahngleis versteckt. Später stellte sich heraus: Susanna wurde vergewaltigt. © dpa | Arne Dedert
Erst einen Tag nach dem Fund, am 7. Juni, bestätigte ein Polizeisprecher: Bei der in Wiesbaden gefundenen Leiche handelt es sich um die vermisste 14-jährige Susanna aus Mainz.
Erst einen Tag nach dem Fund, am 7. Juni, bestätigte ein Polizeisprecher: Bei der in Wiesbaden gefundenen Leiche handelt es sich um die vermisste 14-jährige Susanna aus Mainz. © dpa | Arne Dedert
Bei der ersten Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft zum Todesfall von Susanna war noch einiges unklar. Die Journalisten erfahren: Die 14-jährige wurde umgebracht, ein Tatverdächtiger sitzt in Haft, ein zweiter Mann hat sich offenbar in den Irak abgesetzt.
Bei der ersten Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft zum Todesfall von Susanna war noch einiges unklar. Die Journalisten erfahren: Die 14-jährige wurde umgebracht, ein Tatverdächtiger sitzt in Haft, ein zweiter Mann hat sich offenbar in den Irak abgesetzt. © dpa | Boris Roessler
Am 8. Juni eine weitere Pressekonferenz in Quedlinburg: Diesmal spricht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). An diesem Tag verkündet er die Festnahme des zweiten Tatverdächtigen, der mit seiner Familie tatsächlich in den Irak geflüchtet war. Der andere Tatverdächtige wurde hingegen freigelassen.
Am 8. Juni eine weitere Pressekonferenz in Quedlinburg: Diesmal spricht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). An diesem Tag verkündet er die Festnahme des zweiten Tatverdächtigen, der mit seiner Familie tatsächlich in den Irak geflüchtet war. Der andere Tatverdächtige wurde hingegen freigelassen. © dpa | Hendrik Schmidt
Am gleichen Tag nutzt die AfD-Fraktion den Fall Susanna im Bundestag für ein medienwirksames Statement. Die Mitglieder der Fraktion legen – unangekündigt – eine Schweigeminute ein. Sie werden später dafür kritisiert, den tragischen Fall für politische Zwecke zu instrumentalisieren.
Am gleichen Tag nutzt die AfD-Fraktion den Fall Susanna im Bundestag für ein medienwirksames Statement. Die Mitglieder der Fraktion legen – unangekündigt – eine Schweigeminute ein. Sie werden später dafür kritisiert, den tragischen Fall für politische Zwecke zu instrumentalisieren. © dpa | Ralf Hirschberger
AfD-Demonstranten am 9. Juni in Mainz: Nur wenige dutzend Teilnehmer sind zu einer von der Partei organisierten Mahnwache für die getötete Susanna gekommen.
AfD-Demonstranten am 9. Juni in Mainz: Nur wenige dutzend Teilnehmer sind zu einer von der Partei organisierten Mahnwache für die getötete Susanna gekommen. © dpa | Boris Roessler
Einigen Teilnehmern der von der AfD organisierten Mahnwache wird ebenfalls vorgeworfen, den Fall Susanna für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Etliche Experten betonen, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter, der aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet war, um einen Einzelfall handelt.
Einigen Teilnehmern der von der AfD organisierten Mahnwache wird ebenfalls vorgeworfen, den Fall Susanna für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Etliche Experten betonen, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter, der aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet war, um einen Einzelfall handelt. © dpa | Boris Roessler
Diese Debatten berühren kaum die Trauer der Bekannten und Verwandten von Susanna. Kerzen stehen vor dem Haus der Mutter der getöteten Susanna .
Diese Debatten berühren kaum die Trauer der Bekannten und Verwandten von Susanna. Kerzen stehen vor dem Haus der Mutter der getöteten Susanna . © dpa | Boris Roessler
Hier sehen sich Schulkinder in Mainz Blumen und Kondolenzschreiben an, die von Trauernden und Passanten im Flur des Wohnblocks abgelegt wurden, in dem die Mutter der getöteten Susanna lebt.
Hier sehen sich Schulkinder in Mainz Blumen und Kondolenzschreiben an, die von Trauernden und Passanten im Flur des Wohnblocks abgelegt wurden, in dem die Mutter der getöteten Susanna lebt. © dpa | Boris Roessler
„Wir vermissen dich Susanna“: Viele Menschen haben Botschaften hinterlassen und Briefe der Anteilnahme geschrieben. Oft wurden sie mit Buntstiften geschrieben.
„Wir vermissen dich Susanna“: Viele Menschen haben Botschaften hinterlassen und Briefe der Anteilnahme geschrieben. Oft wurden sie mit Buntstiften geschrieben. © dpa | Boris Roessler
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna Blumen nieder und entzünden Kerzen.
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna Blumen nieder und entzünden Kerzen. © dpa | Boris Roessler
Am Abend des 9. Juni konnte der Hauptverdächtige von der Bundespolizei in Frankfurt in Haft genommen werden. Die irakische Polizei hatte ihn am Tag davor festnehmen können, danach wurde er mit einer Lufthansa-Maschine von Erbil nach Frankfurt geflogen. Ali B. soll am 10. Juni bei seiner Haftprüfung stundenlang ausgesagt haben.
Am Abend des 9. Juni konnte der Hauptverdächtige von der Bundespolizei in Frankfurt in Haft genommen werden. Die irakische Polizei hatte ihn am Tag davor festnehmen können, danach wurde er mit einer Lufthansa-Maschine von Erbil nach Frankfurt geflogen. Ali B. soll am 10. Juni bei seiner Haftprüfung stundenlang ausgesagt haben. © dpa | Boris Roessler
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Nach Angaben von Ermittlern vor Ort soll Ali B. die Tat in kurdischer Haft gestanden haben. Demnach sagte er aus, er und sein Opfer hätten viel Alkohol getrunken und Tabletten geschluckt, schließlich sei es zum Streit gekommen. Das Mädchen habe gedroht, die Polizei anzurufen, was ihn zu seiner Tat getrieben habe - er habe die 14-Jährige stranguliert. Seine Mutter sagte der Deutschen Welle, dass ihr Sohn sich nicht an die Tat erinnern könne, weil er betrunken gewesen sei. Juristisch könnte das unter Umständen als verminderte Schuldfähigkeit gewertet werden.

In Erbil setzten kurdische Polizisten Ali B. am Samstagnachmittag in eine Lufthansa-Maschine nach Frankfurt, Beamte der Bundespolizei waren an Bord. Nach der Landung in Frankfurt am Abend führten maskierte Bundespolizisten den 20-Jährigen zu einem Hubschrauber, der ihn zur Vernehmung nach Wiesbaden brachte. Behördenchef Romann, der laut „Bild“ selbst in der Maschine war, sagte, den „außergewöhnlichen Einsatz“ von Bundespolizei und kurdischen Sicherheitsbehörden sei man „auch der Mutter des toten Kindes schuldig“.

Merkel: „Das unfassbare Leid erfasst auch mich“

Der Fall Susanna mit einem Asylbewerber als Hauptverdächtigem schlägt in Deutschland seit Tagen hohe Wellen. „Ich bin froh, dass der von der deutschen Justiz gesuchte mutmaßliche Täter wieder in Deutschland ist“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Samstagabend. „So kann das Ermittlungsverfahren schnell vorangetrieben werden.“

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Festnahme und die Rückführung nach Deutschland. „Das unfassbare Leid, das der Familie und dem Opfer widerfahren ist, bewegt jeden und erfasst auch mich“, sagte sie am Samstag am Rande des G7-Gipfels im kanadischen La Malbaie.

Viele Demos in Susannas Heimatstadt Mainz

In Susannas Heimatstadt Mainz geht eine Serie von Demonstrationen weiter. Am Sonntag fanden sich aber nur wenige Demonstranten bei einer Kundgebung der rechtsgerichteten Initiative „Beweg was!“ ein. Sie hatte unter dem Titel „Merkel muss weg“ in den vergangenen Wochen gegen illegale Einwanderung protestiert. Auch mehrere Gegendemonstrationen waren schwach besucht. Für Montag waren weitere Proteste angekündigt.

Die Kriminalpolizei in Wiesbaden bittet im Fall Susanna weiterhin um Zeugenhinweise aus der Bevölkerung. Sie hat ein Callcenter mit mehreren Polizisten eingerichtet, das bis auf Weiteres rund um die Uhr besetzt sein soll. Gesucht werden demnach Zeugen, die am 22. und 23. Mai verdächtige Beobachtungen in Wiesbaden-Erbenheim gemacht haben, wo später Susannas Leiche gefunden wurde.

(dpa)