Berlin/Moskau. Am Mittwoch startet der deutsche Astronaut Alexander Gerst wieder zur Internationalen Raumstation ISS. Alles Wissenswertes von A bis Z.
Zwei Tage noch. Zwei Tage, bis Alexander Gerst zur Raumstation ISS fliegt und dort ein halbes Jahr im Weltraum verbringt. Es ist die zweite Mission des Astronauten, diesmal soll er als erster Deutscher überhaupt das Kommando des größten künstlichen Objekts im Erdorbit übernehmen. Ein Überblick von A bis Z.
ASTRO_ALEX ist das Twitter-Kürzel von Alexander Gerst und sein Spitzname.
BLUE DOT (Blauer Punkt) hieß Gersts erste Mission. 2014 war er 166 Tage als Bordingenieur im All.
CIMON ist so groß wie ein Medizinball und macht ein freundliches Gesicht. Der „Crew Interactive MObile companioN“ wird der neue Mitbewohner auf der ISS. Der fliegende Roboter soll Gesprächspartner sein und Experimente dokumentieren, auch Gersts Lieblingsmusik hat er parat. Sein Vorbild war in den 1980er-Jahren in der Zeichentrickserie „Captain Future“ Professor Simon Wright, das „fliegende Gehirn“ – ausgestattet mit Sensoren, Kameras und einem Sprachprozessor.
DEUTSCHE im All gab es bisher elf. DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn war 1978 der erste, der heute 81-Jährige flog für acht Tage zur sowjetischen Raumstation Saljut 6.
EXPERIMENTE: Von wegen Chillen in der Schwerelosigkeit: Rund 300 Experimente sieht die Mission vor. 65 kommen aus Europa, 41 davon aus Deutschland. Gerst soll etwa Sand und Granulate unter Schwerelosigkeit testen, um Hinweise für Industrie und Energieeinsparung zu liefern. Das kleine Echtzeitmikroskop „Flumias“ soll die Entwicklung menschlicher Immunzellen an Bord verfolgen. Ein Versuch beschäftigt sich mit der Lungengesundheit.
Alexander Gerst: Seine All-Bilder 2014
FINANZIERT wird die ISS von den fünf Raumfahrtagenturen Nasa (USA), Esa (Europa), Jaxa (Japan), Roskosmos (Russland) und CSA (Kanada). Nach Angaben der Esa belaufen sich die Gesamtkosten bisher auf mehr als 100 Milliarden Euro. Der Unterhalt für die teuerste Forschungsstätte der Menschheit kostet rund drei Milliarden Euro jährlich. Deutschland schießt 130 Millionen dazu.
GESUNDHEIT leidet im All. Aus vielen Langzeitmissionen weiß man, dass sie das Immunsystem schwächen und ein Schwund von Muskel- und Knochenmasse droht. Einige Astronauten litten an einer Schwellung des Sehnervs und unter erhöhtem Gehirndruck. In der Schwerelosigkeit leben Astronauten oft mit Dauerfieber.
HORIZONS (Horizonte) ist der Name von Gersts neuer Mission. In der zweiten Hälfte des 187-tägigen Aufenthalts wird er Kommandant der ISS-Crew sein.
ISS: Die Internationale Raumstation wurde vor 20 Jahren in 400 Kilometer Höhe Stück für Stück zusammengepuzzelt. Seitdem rast sie mit gut 28.000 Kilometern pro Stunde durchs All und braucht nur 92 Minuten, um einmal die Erde zu umkreisen. So groß wie ein Fußballfeld (Gewicht: 450 Tonnen), beherbergt die ISS ein Forschungslabor sowie Schlaf- und Wohnräume.
Seit 15 Jahren im All: Die ISS
JUBEL wird es an Bord der ISS während der Fußball-WM in Russland ab Mitte Juni geben. Es ist die zweite WM, die Gerst im All erleben wird. Auf der Erde wird mit einem Ball angestoßen, der im März zur Raumstation gebracht worden war und jetzt mit einer Crew wieder zurückgekehrt ist.
KOLLEGEN: Der Russe Sergej Prokopjew (43) und die US-Astronautin Serena Auñón-Chancellor (42) fliegen mit Gerst zur ISS. Für beide ist es der erste Flug.
LUFT: Eine Art Klimaanlage sorgt an Bord der ISS für eine Atmosphäre, die der irdischen entspricht (21 Prozent Sauerstoff, 78 Prozent Stickstoff, 1014 Hektopascal Druck). Der Strom wird ausschließlich über Sonnenenergie gespeist. Zwei Segel bestehen aus drehbaren Solarpaneelen, die sich immer auf die Sonne ausrichten.
MAHLZEIT: Presswürfel und Vitamine aus der Tube schlucken Raumfahrer schon lange nicht mehr. Alle paar Monate trifft ein autonomes Versorgungsschiff auf der ISS ein, vollgeladen mit Obst, Wasser und abgepackten Standardmahlzeiten. Als Bonus-Essen hat Gerst Käse-Spätzle, Maultaschen und Zwetschgen-Dessert gewählt. Zum Nachwürzen gibt’s Salz und Pfeffer – aus triftigem Grund – nur in flüssiger Form.
NEIDISCH sind die Deutschen trotz des irren Ausblicks nicht. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Yougov würden 70 Prozent lieber sechs Monate in der Karibik verbringen als auf der ISS.
OBERPFAFFENHOFEN in Oberbayern ist Standort des Columbus-Kontrollzentrums. Von dort aus betreuen drei Dutzend Esa-Mitarbeiter die wissenschaftliche Arbeit ihres Astronauten – Tag und Nacht.
PLAYLIST: Für den Raketenstart hat sich Gerst passende Musik ausgesucht. Auf der Rampe in Baikonur will er „Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader sowie „Astronaut“ von Sido und Andreas Bourani hören. Auch Musik der Trickfilm-Serie „Captain Future“ und die Hits „Riders on the Storm“ (The Doors) und „Learning to Fly“ (Tom Petty) stehen auf der Liste.
QUARANTÄNE ist zwei Wochen vor dem Start Pflicht. Die Crew wird auf dem Weltraumbahnhof Baikonur derzeit hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt, um sich nicht mit Erregern zu infizieren. Die letzte Pressekonferenz halten die Raumfahrer hinter einer Scheibe ab.
RAKETE: Sojus-FG ist der Name der russischen Trägerrakete, mit der die Crew ins All chauffiert wird. Gerst wird dann an der Spitze des 50 Meter hohen Geschosses in der Raumkapsel Sojus-MS-09 sitzen. Seit den 1950er-Jahren pendeln die Russen mit den weiterentwickelten Typen zwischen Erde und Orbit – mit bisher 850 unbemannten und bemannten Flügen. Derzeit ist Sojus für Menschen der einzige verbliebene Transporter zur ISS.
SCHWEBEN: Daran erkennt man Erfahrung auf der ISS. „Alte Hasen schweben vertikal, Neulinge horizontal“, sagt Gerst.
TREIBSTOFF verbraucht ein Raketenstart weniger als ein Transatlantikflug. Der Trick ist, ihn schnell zu verbrennen: Dann erzeugen diese Triebwerke 20 Gigawatt, etwa so viel wie zehn große Kernkraftwerke in zwei Minuten.
UMLAUFBAHN oder auch Orbit: Die ISS umrundet die Erde nur scheinbar auf schnurgerader Bahn. Ihre Position muss regelmäßig durch mehr Schub korrigiert werden: Zum einen bremsen Atome sie ab, zum anderen muss sie Weltraumschrott ausweichen, der durch den Orbit rast.
VÖLKERVERSTÄNDIGUNG funktioniert im Weltraum offenbar besser als auf der Erde. „Im All gibt es keine Grenzen; Nationalitäten spielen da keine große Rolle“, betont Gerst.
WELTRAUMBAHNHOF: Das russische Kosmodrom Baikonur ist derzeit der einzige, von dem Menschen zur ISS fliegen. Das streng abgeriegelte Areal in der Steppe Kasachstans ist dreimal so groß wie Luxemburg.
X-SACHEN nimmt Commander Gerst in seinem Handgepäck mit. Vieles soll für PR- und symbolische Zwecke um die Erde kreisen. Darunter: Maus und Mainzelmännchen, ein Stück Berliner Mauer, das Wappen von Gersts Heimatort Künzelsau, ein Unicef-Shirt. Auch eine „Zeitkapsel“, entwickelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), mit Wünschen von Schülern begleitet Gerst . Sie soll erst in 50 Jahren wieder geöffnet werden.
Y-CHROMOSOM: Das zu haben, ist wohl von Vorteil, wenn man ins All möchte. Unter den elf Deutschen auf der ISS war bisher keine Frau. Insgesamt waren aber schon 59 Frauen im Weltraum, ein Anteil von zehn Prozent.
ZU SEHEN ist die ISS in der Dämmerung, sie leuchtet wie ein heller Stern und kommt immer aus Westen. Die Nasa hat unter https://spotthestation.nasa.gov/ aufgelistet, wann sie in welcher Stadt wie lange über den Himmel fliegt. In Berlin ist sie heute um 22.59 Uhr für zwei Minuten zu sehen.