Dortmund. Im Prozess um den Anschlag auf Borussia Dortmund sagen Spieler und Ex-Trainer aus. Sie schildern, was sie im Bus durchstehen mussten.

Der Anschlag auf die Mannschaft des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund belastet auch heute noch die betroffenen Spieler und Betreuer. Das erklärten mehrere Leidtragende bei der Fortsetzung des Prozesses gegen Sergej W. am Montag vor dem Landgericht Dortmund in teilweise sehr persönlichen Aussagen.

„Das ist immer noch ein Thema in der Mannschaft. Ich kenne Spieler, die noch immer darunter leiden. Das war ein Anschlag auf das Leben“, sagte Torwart Roman Weidenfeller: „Das hat mein Leben verändert.“ Er selbst nehme seitdem psychologische Hilfe in Anspruch: „Man ist immer noch betroffen, immer noch schreckhaft.“

„Ich zucke bei lauten Geräuschen zusammen“

BVB-Kapitän Marcel Schmelzer erklärte, er zucke immer noch bei lauten Geräuschen zusammen. „Ich versuche, es wegzuschieben. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen man denkt, was für ein Glück wir hatten.“

Anschlag auf BVB-Teambus in Dortmund

Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt.
Schock in Dortmund: Am 11. April 2017 detonierten auf der Fahrt zum Stadion neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze. Das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am Abend wurde daraufhin abgesagt. © dpa | Marcel Kusch
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt.
BVB-Profi Marc Bartra wurde bei dem Vorfall schwer verletzt, der Fußballer wurde noch am Abend operiert. Außerdem wurde ein Polizist verletzt. © dpa | Ina Fassbender
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses.
Bei der Attacke durchschlug ein Teil des Sprengsatzes eine Scheibe des Mannschaftsbusses. © dpa | Bernd Thissen
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein.
Die Polizei gab an, „mit starken Kräften vor Ort“ zu sein. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf.
Die Mannschaft sollte zunächst mit einem anderen Bus zum Stadion gebracht werden. Mehrere Spieler hielten sich vor der Unterkunft auf. © dpa | Carsten Linhoff
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall.
Der BVB informierte die Fans im Stadion über den Vorfall. © REUTERS | Ralph Orlowski
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden.
Die hielten sich zusätzlich über ihre Smartphones auf dem Laufenden. © dpa | Federico Gambarini
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle.
Die Fans verließen das Stadion nach der Absage des Spiels ohne Zwischenfälle. © dpa | Federico Gambarini
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt.
Fans des AS Monaco hatten zuvor ihre Anteilnahme mit „Dortmund! Dortmund!“-Sprechchören gezeigt. © Getty Images | Lukas Schulze
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco.
Das Spiel wurde einen Tag nach dem Vorfall nachgeholt, der BVB verlor 2:3 gegen den AS Monaco. © dpa | Carsten Linhoff
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben.
Zunächst gab es keine heiße Spur zu den Tätern. Die Ermittler konzentrierten sich auf das, was an handfesten Spuren am Tatort gefunden wurde: Reste des bei dem Anschlag verwendeten Sprengstoffs und der Zünder, dazu die drei am Tatort gefundenen gleichlautenden Bekennerschreiben. © dpa | Ina Fassbender
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben.
Fans hatten den Schriftzug „Keine Bombe kriegt uns klein! BVB wird ewig sein“ an einem Zaun geschrieben. © dpa | Friso Gentsch
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden.
Bei dem Anschlag hätte es weit schlimmere Verletzungen geben können: Die Bildkombo zeigt durch umherfliegende Metallstifte beschädigte Autos, einen Splitter, der sich in einen Zaun gebohrt hat und einen Splitter des Sprengsatzes am Boden. © dpa | David Young
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur.
Erst zuletzt kamen die Ermittler dem Deutschrussen Sergej W. auf die Spur. © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch:
Zehn Tage nach dem Anschlag war das der Durchbruch: © dpa | Ina Fassbender
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest.
Am Morgen des 21. April nahm die Polizei den 28-jährigen Sergej W. als Tatverdächtigen nahe Tübingen fest. © dpa | Christoph Schmidt
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht.
Im Prozess hat der Angeklagte die Tat gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten. „Ich bedauere mein Verhalten zutiefst“, sagte der 28-jährige am 8. Januar 2018 vor dem Dortmunder Schwurgericht. © picture alliance / Revierfoto/Re | dpa Picture-Alliance / Revierfoto
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Für den ehemaligen Dortmunder Sven Bender waren der Anschlag und der Umgang damit sogar ein Grund für seinen Wechsel zu Bayer Leverkusen. Das traumatische Erlebnis „habe auch Einfluss“ darauf gehabt, größtenteils hätten aber sportliche Gründe den Ausschlag gegeben.

Thomas Tuchel: Anschlag war mitverantwortlich für meinen Weggang

Bender bezeichnete es im Nachhinein als „Fehler“, dass die Mannschaft am Tag nach dem Bus-Attentat zum Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den AS Monaco angetreten sei. „Für mich wurde das Thema schnell abgehakt. Das war schade, deshalb hat man auch nicht so viel drüber gesprochen“, sagte Bender.

Neben Weidenfeller, Schmelzer und Bender sagten auch der inzwischen bei 1899 Hoffenheim spielende Felix Passlack sowie mehrere Mitglieder des Betreuerteams aus. Auch Ex-Trainer Thomas Tuchel war am Montag als Zeuge geladen.

Der 44-Jährige machte den Bombenanschlag auf den Mannschaftbus mitverantwortlich für seinen Weggang vom Bundesligisten im Sommer 2017. „Es gab dadurch einen großen Dissens zwischen mir und Aki Watzke“, sagte Tuchel vor Gericht. „Der größte Dissens war wahrscheinlich, dass ich im Bus gesessen habe und er nicht.“

Tatmotiv soll Habgier gewesen sein

Der Angeklagte Sergej W. hat inzwischen gestanden, vor der Abfahrt des BVB zum Spiel gegen Monaco am 11. April am Teamhotel der Dortmunder drei Sprengsätze gezündet zu haben. Er bestreitet allerdings jegliche Tötungsabsicht.

Das Motiv soll Habgier gewesen sein, mutmaßlich wollte Sergej W. mit kreditfinanzierten Put-Optionen nach seiner Tat am sinkenden Kurs der BVB-Aktie verdienen.

Die Staatsanwaltschaft wirft W. versuchten Mord in 28 Fällen, das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und schwere Körperverletzung in zwei Fällen vor. Der ehemalige BVB-Innenverteidiger Marc Bartra hatte einen Armbruch und Fremdkörpereinsprengungen erlitten, ein begleitender Polizist ein Knalltrauma. (sid)