Paderborn. Körperliche Qualen und seelische Grausamkeiten. Im Mordprozess um das Horrorhaus von Höxter schildert eine Frau die Misshandlungen.

Sie wohnte in einem Plattenbau in Magdeburg und reagierte auf eine Bekanntschaftsanzeige in der Zeitung: „Bauer sucht Frau“ lautete der Text. Wilfried W., der Angeklagte im Mordprozess um das Horrorhaus von Höxter, hatte mit der Anzeige Frauen für sich gesucht. Die 52-jährige Betonbauerin aus Sachsen-Anhalt biss an.

Nach ersten Telefon- und SMS-Kontakten im Jahr 2011 zog die Frau nach Höxter-Bosseborn. Drei Wochen lang blieb alles harmonisch. „Ich konnte mir sogar mehr vorstellen: auch dauerhaft hier zu leben“, sagte die Frau am Dienstag vor dem Landgericht in Paderborn aus. Das Leben auf dem Dorf mit Tieren unter einem Dach und mit einem bis dahin liebenswerten Mann an ihrer Seite war für Christel P. eine Option: „Ich war verliebt in ihn.“

Zeugin: „Wie in Gefangenschaft gelebt“

Anfang 2012 aber drehte sich das Blatt. „Ich kann bis heute nicht sagen, warum“, sagte die 52-Jährige auf die Frage des Vorsitzenden Richters Bernd Emminghaus. „Wir haben noch die Geburtstage von Wilfried und Angelika gefeiert“, sagte die 52-Jährige, die heute in Dessau lebt. Angelika – die mitangeklagte Ex-Frau von Wilfried W. – habe ihr mitgeteilt, dass ihr Geburtstag aber nicht gefeiert wird.

Es folgten mehrere Wochen mit körperlichen Qualen und seelischen Grausamkeiten. Die Misshandlungen begannen mit einem Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht. „Nach dieser Backpfeife war mir klar, dass ich wie in einer Gefangenschaft lebe“, sagte die 52-Jährige aus.

Angekettet und mit Pfefferspray besprüht

In der Nacht durfte die Frau nicht die Toilette benutzen und musste sich mit einer Katze das Katzenklo teilen. Im Schweinestall kettete Angelika W. das Opfer mit Handschellen an. Einmal sprühte die Angeklagte der Frau Pfefferspray ins Gesicht. Wilfried W. soll die Frau nach ihrer Schilderung immer wieder blau und grün geschlagen haben. Warum? Darauf hatte die Zeugin keine Antwort.

„Du kannst gehen“, habe Wilfried W. ihr eines Tages gesagt, die Türen stehen offen. „Aber ich konnte natürlich nicht zurück nach Hause, denn die beiden haben mir meinen Pass, meine Schlüssel und meine EC-Karte abgenommen.“

Mit der Schaufel ins Gesicht geschlagen

„Er war ein Monster“, sagte Christel P. aus. Im Ziegenstall verpasste Wilfried W. ihr einen Schlag mit einer Schaufel ins Gesicht. „Ich drehte mich um, und da sah ich, wie er zuschlug. Davon habe ich noch heute Albträume, von dem Schlag und von seinem Lachen nach dem Schlag.“

Fall Höxter: Mord-Angeklagte vor Gericht

Über Jahre hinweg soll ein Paar per Zeitungsanzeigen mehrere Frauen aus Niedersachsen in ihr Haus nach Höxter (Nordrhein-Westfalen) gelockt und dort schwer misshandelt haben. Zwei Frauen starben infolge der Quälereien. Die Angeklagten müssen sich wegen zweifachen Mordes und mehrfacher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Das Foto zeigt den Eingang und ein vernageltes Fenster des ehemaligen Hauses der Angeklagten im Ortsteil Bosseborn.
Über Jahre hinweg soll ein Paar per Zeitungsanzeigen mehrere Frauen aus Niedersachsen in ihr Haus nach Höxter (Nordrhein-Westfalen) gelockt und dort schwer misshandelt haben. Zwei Frauen starben infolge der Quälereien. Die Angeklagten müssen sich wegen zweifachen Mordes und mehrfacher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Das Foto zeigt den Eingang und ein vernageltes Fenster des ehemaligen Hauses der Angeklagten im Ortsteil Bosseborn. © dpa | Friso Gentsch
Prozess am Landgericht Paderborn in Nordrhein-Westfalen: Staatsanwaltschaft und Nebenkläger hatten am 6. September für die beiden Deutschen Winfried W. (l.) und Angelika W. lebenslange Freiheitsstrafen, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und für Wilfried W. die Einweisung in die Psychiatrie gefordert.
Prozess am Landgericht Paderborn in Nordrhein-Westfalen: Staatsanwaltschaft und Nebenkläger hatten am 6. September für die beiden Deutschen Winfried W. (l.) und Angelika W. lebenslange Freiheitsstrafen, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und für Wilfried W. die Einweisung in die Psychiatrie gefordert. © dpa | Guido Kirchner
Die Anwälte des Angeklagten wiesen die Vorwürfe in ihren Plädoyers zum Teil zurück und forderten eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Sie sprachen sich gegen eine lebenslange Haftstrafe aus, weil ihr Mandant nur vermindert schuldfähig sei. Diese Aufnahme zeigt Winfried W. mit seinem Verteidiger Detlev Binder.
Die Anwälte des Angeklagten wiesen die Vorwürfe in ihren Plädoyers zum Teil zurück und forderten eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Sie sprachen sich gegen eine lebenslange Haftstrafe aus, weil ihr Mandant nur vermindert schuldfähig sei. Diese Aufnahme zeigt Winfried W. mit seinem Verteidiger Detlev Binder. © dpa | Friso Gentsch
Die Staatsanwaltschaft und drei Nebenkläger forderten für einen versuchten und einen vollendeten Mord durch Unterlassen lebenslange Haftstrafen und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.
Die Staatsanwaltschaft und drei Nebenkläger forderten für einen versuchten und einen vollendeten Mord durch Unterlassen lebenslange Haftstrafen und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. © dpa | Guido Kirchner
Wilfried W.s frühere Ehefrau Angelika W. ist ebenfalls angeklagt. Die Aufnahme zeigt sie mit ihrem Anwalt Peter Wüller im Landgericht. Nach ihrer Festnahme im April 2016 hatte die 49-Jährige mehrfach stundenlang bei der Polizei von den brutalen Geschehnissen im sogenannten „Horror-Haus“ berichtet.
Wilfried W.s frühere Ehefrau Angelika W. ist ebenfalls angeklagt. Die Aufnahme zeigt sie mit ihrem Anwalt Peter Wüller im Landgericht. Nach ihrer Festnahme im April 2016 hatte die 49-Jährige mehrfach stundenlang bei der Polizei von den brutalen Geschehnissen im sogenannten „Horror-Haus“ berichtet. © dpa | Friso Gentsch
Angelika W. gilt nach Meinung einer Gutachterin als voll schuldfähig.
Angelika W. gilt nach Meinung einer Gutachterin als voll schuldfähig. © dpa | Guido Kirchner
Der Prozess gegen die Angeklagten läuft seit 26. Oktober 2016.
Der Prozess gegen die Angeklagten läuft seit 26. Oktober 2016. © dpa | Bernd Thissen
Den beiden Angeklagten wird vorgeworfen, mehrere Opfer in ihr Haus im nordrhein-westfälischen Höxter gelockt und dort gequält zu haben. Sie sollen Frauen angekettet, starker Kälte ausgesetzt und mit Tritten und Schlägen systematisch gequält haben.
Den beiden Angeklagten wird vorgeworfen, mehrere Opfer in ihr Haus im nordrhein-westfälischen Höxter gelockt und dort gequält zu haben. Sie sollen Frauen angekettet, starker Kälte ausgesetzt und mit Tritten und Schlägen systematisch gequält haben. © dpa | Jonas Güttler
Das Haus wurde schnell das „Horror-Haus von Höxter“ genannt.
Das Haus wurde schnell das „Horror-Haus von Höxter“ genannt. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
Zwei Frauen starben in Folge der Folterungen, die sie erleiden mussten. Eine weitere Frau entkam ihren Peinigern. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen sollen die beiden Angeklagten mindestens acht weitere Opfer um größere Geldsummen gebracht haben.
Zwei Frauen starben in Folge der Folterungen, die sie erleiden mussten. Eine weitere Frau entkam ihren Peinigern. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen sollen die beiden Angeklagten mindestens acht weitere Opfer um größere Geldsummen gebracht haben. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
Die Misshandlungsfälle waren im Sommer 2016 aufgeflogen, nachdem die beiden Angeklagten die lebensgefährlich verletzte Susanne F. aus Bad Gandersheim zurück nach Niedersachsen bringen wollten. Auf dem Weg hatten sie eine Autopanne und entschieden sich, den Notarzt zu verständigen. Für das Opfer kam die Hilfe jedoch zu spät. Susanne F. starb später im Krankenhaus.
Die Misshandlungsfälle waren im Sommer 2016 aufgeflogen, nachdem die beiden Angeklagten die lebensgefährlich verletzte Susanne F. aus Bad Gandersheim zurück nach Niedersachsen bringen wollten. Auf dem Weg hatten sie eine Autopanne und entschieden sich, den Notarzt zu verständigen. Für das Opfer kam die Hilfe jedoch zu spät. Susanne F. starb später im Krankenhaus. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
Polizeiliches Siegel an der Tür des Hauses in Höxter: Die Angeklagte hatte detailliert ausgesagt und auch einen weiteren Todesfall aus dem Jahr 2014 zugegeben. Die Leiche der 33-jährigen Angelika W. sollen sie und ihr Ex-Mann demnach eingefroren, zerstückelt und nach und nach im Ofen verbrannt haben.
Polizeiliches Siegel an der Tür des Hauses in Höxter: Die Angeklagte hatte detailliert ausgesagt und auch einen weiteren Todesfall aus dem Jahr 2014 zugegeben. Die Leiche der 33-jährigen Angelika W. sollen sie und ihr Ex-Mann demnach eingefroren, zerstückelt und nach und nach im Ofen verbrannt haben. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
Ermittler tragen Kartons aus dem Haus des beschuldigten Ex-Ehepaares. Während die Angeklagte bereits detailliert ausgesagt hatte, schwieg ihr geschiedener Ehemann Wilfried W. zunächst.
Ermittler tragen Kartons aus dem Haus des beschuldigten Ex-Ehepaares. Während die Angeklagte bereits detailliert ausgesagt hatte, schwieg ihr geschiedener Ehemann Wilfried W. zunächst. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
Passanten hatten nach Bekanntwerden der Taten Kerzen, Blumen und Kreuze im Gedenken an die Todesopfer vor dem Haus in Höxter niedergelegt. Die beiden Todesfälle stehen im Mittelpunkt des Prozesses.
Passanten hatten nach Bekanntwerden der Taten Kerzen, Blumen und Kreuze im Gedenken an die Todesopfer vor dem Haus in Höxter niedergelegt. Die beiden Todesfälle stehen im Mittelpunkt des Prozesses. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Friso Gentsch
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Noch am selben Tag brachten die Angeklagten die Frau zu einem Bahnhof und setzten sie mit einem Fahrschein in einen Zug nach Magdeburg. Zuvor ließen die beiden ihr Opfer einen Zettel unterschreiben. Darin gestand sie ein, dass sie sich die Verletzungen selbst zugefügt hatte.

Opfer traute sich nicht, zur Polizei zu gehen

„Wieder zuhause habe ich vor lauter Angst auf einer Matratze vor der Tür geschlafen und ich habe einen Schrank vor die Tür gestellt“, sagte Christel P. aus. „Angelika hatte mir gedroht, niemandem etwas zu erzählen, sonst würden sie mich töten“.

Die heute 52-Jährige ging daraufhin jahrelang nicht zur Polizei. 2016 erfuhr sie aus den Nachrichten vom Horrorhaus. „Da bin ich zusammengebrochen.“ Keinen der beiden Angeklagten wollte die Zeugin als treibende Kraft bezeichnen. „Es waren beide zu gleichen Teilen.“

Zwei Frauen starben aufgrund der Qualen

Wilfried und Angelika W. sollen in ihrem Haus jahrelang mehrere Frauen misshandelt haben, zwei von ihnen starben infolge der Quälereien. Der Prozess wird am 23. Mai fortgesetzt. (dpa)