Berlin. Digital Detox im Urlaub: Unsere Autorin verzichtete zwei Wochen lang auf WhatsApp, Facebook, Instagram. So lief ihre Zeit ohne Handy.

Ich will nicht, dass ein Gerät über mein Leben entscheidet. Also habe ich beschlossen, mein Smartphone auszuschalten. Zwei Wochen Spanien-Urlaub inklusive Digital Detox, so mein Plan.

Doch schon bevor die Entgiftungskur richtig losgeht, gibt es Probleme: Ohne mein Online-Ticket auf dem Handy komme ich nicht ins Flugzeug. Ich benötige das integrierte Navigationssystem, um zum Ferienhaus zu gelangen. Die Buchungsbestätigung ist in einer App gespeichert. Das Smartphone ist zum Universalwerkzeug geworden und so verzögert sich der Start meines Experiments.

Mein Handy und ich verbringen normalerweise den Alltag miteinander. Noch bevor ich morgens aufstehe, schaue ich auf mein Handy, und wenn ich schlafen gehe, gilt ihm mein letzter Blick. Dazwischen tippe ich immer wieder auf dem Gerät, scrolle, texte, wische, swipe und widme ihm jeden Tag vier Stunden meiner Zeit. Das sind zwei ganze Monate pro Jahr.

Als Head of Social Media der Funke Zentralredaktion ist Amelie Marie Weber normalerweise stets digital unterwegs. Hier im Interview mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner.
Als Head of Social Media der Funke Zentralredaktion ist Amelie Marie Weber normalerweise stets digital unterwegs. Hier im Interview mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Digital Detox: Experten empfehlen Auszeit vom Smartphone

Ich spüre selbst, dass mir mein Konsum nicht guttut, und zahlreiche Studien belegen die negativen Effekte von übermäßiger Handynutzung. „Wer das Smartphone immer angeschaltet bei sich trägt, gibt ein hohes Maß an Selbstbestimmung auf“, sagt Peter Vorderer, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim. Werde ich mit zwei Wochen Digital Detox die Kontrolle zurückgewinnen?

Nach der Ankunft im Ferienhaus an der spanischen Küste schalte ich endlich mein Handy aus und sperre es in den Tresor. Ich fühle mich mutig und ein bisschen radikal. Am nächsten Morgen fällt mein erster Blick routinemäßig auf den Nachttisch, aber da liegt kein Handy. Statt wie sonst sofort zu überprüfen, was ich in der Nacht verpasst haben könnte, beginne ich den Tag bewusst. So habe ich es mir vorgenommen – im Hier und Jetzt. Was will ich an meinem ersten Urlaubstag unternehmen? Und was kann ich in den kommenden Wochen über mich lernen?

„Das Handy auszuschalten ist eine wichtige Erfahrung, weil wir wieder daran erinnert werden müssen, wie es sich ohne Handy lebt“, sagt Christian Groß, Sucht- und Psychotherapeut aus Gütersloh. „Wir müssen wieder lernen, mehr in der Realität zu leben und die eigenen Gefühle bewusster wahrzunehmen.“

WhatsApp und Social Media: Wir verlernen das Nichtstun

Dazu habe ich jetzt ausreichend Zeit: Die vier Stunden, die ich normalerweise täglich mit dem Handy verbringe, bleiben mir nun für Erlebnisse in der analogen Welt. Ich wiederhole im Laufe des Urlaubs alle Vokabeln aus sieben Jahren Französisch-Unterricht, lese drei Romane und mache täglich Yoga am Strand. Ich frage mich, was ich zu Hause alles schaffen könnte, wenn ich nicht ständig in einer Endlosschleife von mehr oder weniger lustigen Videos im Internet festhinge. Der Verzicht auf mein Handy fällt mir leichter als gedacht. Ich spüre schnell, wie viele Vorteile er mit sich bringt.

Doch ich merke auch, dass ich das Nichtstun verlernt habe. Kaum habe ich mal ein paar Minuten nichts zu tun, wandern meine Gedanken zu meinem Handy. Wartezeiten und Pausen überbrücke ich im Alltag normalerweise mit dem Mobiltelefon. „Die Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Gefühlsleben ist eine äußerst wichtige Erfahrung im Prozess der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Digitale Medien können diesen Prozess behindern“, warnt Therapeut Groß. Mehr zum Thema: Instagram-Sucht – schöne, verlorene Stunden des Glücks

Und ich kann das bestätigen: Lange habe ich nicht mehr so intensiv nachgedacht wie in diesem handyfreien Urlaub. Keine Nachrichten von Freunden, die mir Neuigkeiten aus der Heimat erzählen. Keine Fotos von Veranstaltungen, die ich vielleicht gerade verpasse. Keine News von Krieg, Inflation, Corona. Ich beschäftige mich in diesen zwei Wochen nur mit dem, was gerade vor meinen Augen geschieht. Ein kleiner Junge baut eine Sandburg. Palmenblätter werfen Schatten auf den Sand. Die Wellen rauschen gleichmäßig.

Statt Smartphone nur Strand, Sonne und Spanien: Für Redakteurin Amelie Marie Weber ein Genuss.
Statt Smartphone nur Strand, Sonne und Spanien: Für Redakteurin Amelie Marie Weber ein Genuss. © Privat | Privat

Smartphone: Schon einen Tag oder Abend lang verzichten ist ein guter Anfang

An meinem letzten Abend in Spanien sitze ich am Strand und schaue der gelbroten Sonne beim Untergehen zu. „Jetzt ein hübsches Erinnerungsfoto, das wär’s doch“, denke ich und ärgere mich gleich im nächsten Moment über mich selbst. Es ist ein Phänomen, das ich viel zu häufig beobachte: Statt Momente bewusst zu genießen, zücken wir unsere Handys und grübeln, wie wir das Konzert, das Essen, das Treffen mit Freunden oder eben den Sonnenuntergang möglichst hübsch für alle anderen inszenieren können.

„Dabei geht der Sinn für die Einzigartigkeit einer Situation verloren“, stellt Kommunikationswissenschaftler Peter Vorderer fest. Das ständige Fotografieren lässt uns glauben, Momente konservieren zu können. Das Teilen mit unseren Freunden stillt unser Bedürfnis nach Anerkennung. Aber keine Kamera der Welt könnte das Gefühl einfangen, das ich empfinde, als ich am Strand sitze: der warme Wind, das Schreien der Möwen, die intensiven Farbtöne. In meinem Kopf speichere ich dieses Bild viel lebendiger ab, als es mein Handy jemals könnte.

WhatsApp, Facebook, Instagram: Auf dem Bildschirm bleibt es still

Und so komme ich nach zwei Wochen ohne Fotos und dafür mit lebhaften Erinnerungen nach Hause. Die digitale Entgiftung hat mir so gut getan, dass ich das Handy nur widerwillig wieder einschalte. „Bestimmt prasseln nun Tausende Nachrichten auf mich ein und die Erholung ist dahin“, fürchte ich.

Doch auf dem Display bleibt es überraschend still. Instagram, Facebook, Whatsapp – sie alle sind noch da und ich habe nichts verpasst, außer ein paar Nachrichten, die ich jetzt nachlesen kann. Meine Kollegen und Bekannten wussten, dass ich nicht erreichbar sein würde, und haben es – wer hätte das gedacht? – wunderbar ohne mich ausgehalten. Wer glaubt, er müsse immer erreichbar sein, nimmt sich selbst vielleicht einfach zu wichtig.

Ich spreche mit meinen Bekannten über die digitale Auszeit. Alle sind neugierig, wie es für mich war, und ich bin euphorisch. Wem ein ganzer Urlaub zu viel ist, der kann auch mit einem Tag starten. Oder mit einem Abend. „Man sollte bestimmte Regeln für sich selbst aufstellen: Etwa das Handy morgens erst zu einer bestimmten Uhrzeit anzuschalten oder es nicht mit ins Schlafzimmer zu nehmen“, sagt Peter Vorderer. Damit wir die Welt auch mal ohne Filter wahrnehmen. Ich kann diese Erfahrung nur empfehlen.