Berlin. Alle zehn Tage verdoppelt sich die Zahl der Coronapatienten auf den Intensivstationen. Es droht der Kontrollverlust, sagen Experten.

  • Deutschland wird in den Lockdown geschickt, Grund dafür sind große Sorgen wegen einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems
  • Experten warnen deutlich, dass ein Kontrollverlust an deutschen Kliniken drohe
  • Aktuell verdoppeln sich diese Zahlen im Zehn-Tages-Rhythmus. Tendenz stark steigend

Die Leiterinnen und Leiter der Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern warnen vor einer dramatischen Überforderung. Bei weiter ansteigenden Infektionszahlen drohten viele Menschen zu sterben, sagte Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivstation des Universitätsklinikums Köln am Freitag vor Journalisten.

Corona: Lage in Kliniken spitzt sich zu

Das Robert Koch-Institut meldete am Freitagmorgen 1700 Coronapatienten auf den Intensivstationen. Die Zahl spiegelte die Situation am Donnerstag wider. Am Freitagmittag waren es schon mehr als 1830 Menschen, die auf der Intensivstation lagen.

Aktuell verdoppeln sich diese Zahlen im Zehn-Tages-Rhythmus. Tendenz stark steigend. Die Zahl der für Covid-19-Patienten geeigneten Intensivbetten liegt bei rund 30.000. Zusätzlich steht eine Reserve von 12.700 Betten bereit, die innerhalb einer Woche aktiviert werden kann. Lesen Sie hier auch: Wann wird es eng in den Kliniken

Doch die Bettenzahl allein ist nicht das Problem. Das Personal wird knapp. Wenn der Wellenbrecher-Lockdown nicht zum Rückgang der Neuinfektionen führe, „dann verlieren wir die Kontrolle“, sagte Prof. Uta Merle von der Universitätsklinik Heidelberg.

Corona: Die Verhältnisse gleichen jenen im März

In Heidelberg, aber auch in den angrenzenden Städten und Kreisen würden immer mehr Menschen in einem Alter von über 60 Jahren infiziert. Diese haben bekanntlich ein besonders hohes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Betrachte man die Schnelligkeit, mit der sich die Intensivstation fülle, sei man wieder bei Verhältnissen wie im März, so Merle. Den Höchststand der erste Welle erreichte Deutschland im April, da waren es 2800 Intensiv-Patienten mit Covid 19.

„Ich kann die politische Entscheidung für die weitreichenden Maßnahmen im November nur unterstützen“, sagte Matthias Kochanek „Dass diese Entscheidungen nicht vielen schmecken, ist klar. Aber klar ist auch: Wenn jetzt die falschen Entscheidungen getroffen werden, können sehr viele Menschen sterben.“ Lesen Sie hier auch: So erklärt die Kanzlerin den Lockdown

Quarantänemaßnahmen treffen auch Pflegekräfte

Kochanek betonte, dass das Intensiv-Personal erschöpft sei. In der ersten Corona-Welle habe es eine große Bereitschaft gegeben, aus anderen Fachrichtungen auszuhelfen, jetzt aber sei dieses Personal in ihren Fachabteilungen voll verplant.

Darüber hinaus verschwänden viele Pflegekräfte aus den Dienstplänen, weil sie in Quarantäne seien. Sie hätten Kinder, die wegen Krankheitsfällen in Kita oder Schule zuhause bleiben müssten, so Kochanek. Er würde sich wünschen, dass es hier für Pflegepersonal andere Versorgungsmöglichkeiten geben könnte.

Kommt es tatsächlich zu weiteren massiven Anstiegen der Intensivpatienten, sei nicht so schnell zusätzliches Personal zu rekrutieren, sagte Uta Merle. Und auch Kochanek erklärte: Coronapatienten auf Intensivstationen brauchten beinahe eine Eins-zu-eins-Betreuung.

Die Hygienemaßnahmen seien extrem aufwändig, für das An- und Ausziehen der Schutzkleidung müsse man jedes Mal drei bis fünf Minuten einkalkulieren, so Kochanek. Zudem seien viele der Aufgaben nur von hochspezialisierte Pflegekräften zu erledigen. „Reserven aus dem laufenden Betrieb heraus zu rekrutieren wird nur teilweise gelingen“, so Kochanek.