Berlin. Bei Fertig-Pizza, Chips und abgepacktem Brot isst man mehr als bei unverarbeiteten Lebensmitteln, so eine Studie. Warum ist das so?

Was lange vermutet wurde, hat eine Studie jetzt belegt: Tiefkühl-Pizza, Chips, behandeltes Fleisch und andere stark verarbeitete Produkte machen dick. Sie verleiten dazu, mehr zu essen als beim Verspeisen unverarbeitete Nahrungsmittel wie Joghurt mit Nüssen und Obst – auch, wenn beide Gerichte die gleiche Menge an Kalorien enthielten.

Es zeigte sich: Die Probanden nahmen bei den Fertig-Lebensmitteln durchschnittlich 508 Kilokalorien pro Tag mehr auf als die Vergleichsgruppe. „Tatsächlich aßen sie bei dieser Ernährungsweise mehr Kalorien, was zu einer Zunahme an Gewicht und Körperfett führte“, sagte Studienleiter Kevin Hall vom US-amerikanischen National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases in Maryland.

Studie: Bei Fertiggerichten nahmen Teilnehmer zu

Nach den zwei Wochen mit stark verarbeiteten Lebensmitteln nahmen die Teilnehmer im Durchschnitt ein knappes Kilogramm zu, bei den nicht verarbeiteten Lebensmitteln nahmen sie im gleichen Maß ab. Ähnlich verhielt es sich mit dem Körperfett-Anteil. Für die Studie, die jetzt im Fachmagazin „Cell Metabolism“ veröffentlicht wurde, wurden 20 gesunde Freiwillige ausgewählt, die einen Monat lang im Labor lebten.

Die eine Hälfte bekam jeden Tag drei Mahlzeiten plus Snacks, die aus Fertigprodukten bestanden. Dazu gehörten zum Frühstück etwa eine Portion Honig-Nuss-Getreideprodukte und ein Fertig-Blaubeermuffin. Die anderen zehn Personen erhielten als Vergleichsgruppe genauso viele Mahlzeiten, allerdings mit unverarbeiteten Lebensmitteln. Ihr Frühstück bestand etwa aus Joghurt mit Obst und Nüssen.

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    Kalorienmenge war bei beiden Gruppen zunächst gleich

    Beiden Gruppen wurden jeden Tag die gleichen Mengen an Kalorien sowie Kohlenhydraten, Fetten, Zucker und Salz angeboten, nach zwei Wochen wurde getauscht. Über den ganzen Zeitraum konnten die Teilnehmer so viel essen, wie sie wollten.

    Die Forscher haben verschiedene Vermutungen, warum die Fertignahrung zum Zugreifen weiterleitet. Der Geschmack, so das Ergebnis, ist es jedenfalls nicht: Beide Ernährungsweisen schmeckten den Teilnehmern gleich gut. Entscheidend sei möglicherweise die Geschwindigkeit beim Essen sein, so Studienleiter Hall. Die Teilnehmer verputzten die Fertigprodukte schneller als die wenig-verarbeiteten Nahrungsmittel. „Wenn man sehr schnell isst, gibt man seinem Magen-Darm-Trakt möglicherweise nicht genügend Zeit, um dem Gehirn zu signalisieren, dass man voll ist.“ Dann könnte man leicht zu viel essen.

    Fertigprodukte: Belohnungssystem wird ausgetrickst

    Eine weitere Erklärung liefert Marc Tittgemeyer vom Kölner Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung, der selbst nicht an der Studie beteiligt war: „Der Mensch misst den Kaloriengehalt eines Essens zunächst durch sensorische Wahrnehmung. Das heißt: Geschmack, Geruch und Aussehen geben uns einen ersten Eindruck über den Kaloriengehalt unserer Nahrung.“

    In Fertigprodukten seien aber „mehr Kalorien im Essen sind als wir dem beimessen“. Sie ließen sich zudem, so Tittmeyer, oft besser aufnehmen und seien sehr schmackhaft. Das Belohnungssystem des Körpers überschreibe daher den eigentlichen Bedarf.

    Auch Getränke könnten eine wesentliche Rolle gespielt haben, erklärt das Autorenteam. Während der Verpflegung mit stark verarbeiteten Nahrungsmitteln konnten die Probanden auch zu Säften und Limonaden greifen. Die Flüssigkeiten mit verschiedenen zugesetzten Stoffen könnten zu einem anderen Sättigungsgefühl führen, sodass die Teilnehmer wiederum zu mehr Nahrung griffen.

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    Fertigprodukte: Oft schneller und günstiger

    Hall wies darauf hin, dass Differenz in der Nahrungsaufnahme zwischen beiden Ernährungsweisen in der Realität sogar noch weiter größer sein könnte. Dann spielten zusätzliche Faktoren wie die Kosten und die Zubereitungszeit mit hinein: Da das gesamte Essen für die Studienteilnehmer bereits vollständig vorbereitet war, wurde laut Hall nicht berücksichtigt, wie bequem es zuzubereiten war oder wie viel es kostete.

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      Frische Lebensmittel bedeuteten meist mehr Zeitaufwand und seien häufig teurer. Bei Empfehlungen oder Regulationen sollten daher auch soziale und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt werden.

      Besteuerung von Zucker, Fett und Salz könnte helfen

      Stefan Kabisch vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung geht weiter: „Die Besteuerung von Zucker, Fett, Salz et cetera kann einen Beitrag leisten.“ Dadurch laufe man aber auch Gefahr, gesunde Lebensmittel – Pflanzenöl, Obst und ähnliches – zu brandmarken. Er empfiehlt eine flächendeckende gesundheitliche Aufklärung zu gesunder Ernährung. „Die Epidemie der Adipositas und des Diabetes erklärt sich zum Teil durch energiereiche Fertiglebensmittel, aber auch durch Bewegungsmangel, Begleiterkrankungen und durch soziale Faktoren.“

      Stark verarbeitete Lebensmittel wie Tiefkühl-Pizza, abgepacktes Brot oder Schokolade sind in den vergangenen Jahren auch in Deutschland immer beliebter geworden. Mittlerweile machen sie fast die Hälfte der verzehrten Nahrung aus.

      Erst kürzlich hatte eine weitere Studie gezeigt, dass auch Schlafentzug dazu führt, mehr zu essen - und das Risiko erhöht, an Fettleibigkeit zu erkranken.

      (dpa/vem)