Dalt Vila. Bekannt ist Ibiza in erster Linie für ihre Diskotheken und Clubs. Aber die weiße Schöne ist auch Heimat vieler Kulturschaffender.

An einen ganz persönlichen Sehnsuchtsort nach vielen Jahren zurückzukehren ist oftmals enttäuschend. Aus vielerlei Gründen. Das Ziel hat sich verändert. Man selbst hat sich verändert. Die Erwartungen haben sich verändert und meist auch die Begleitung.

All das trägt dann dazu bei, dass schöne Erinnerungen häufig überschattet werden von der aktuellen Realität, die das, was man so lange mit Wehmut in sich getragen hat, in nur wenigen Minuten zerstören kann. Aus dem Grund vermeide ich es, erneut Urlaube in Ecken zu machen, an denen einst mein Herz hing. Bis auf Ibiza.

Die Baleareninsel war das erste südeuropäische Ziel in meiner Jugend nach einer endlos scheinenden Kette von Dänemark-Aufenthalten. Nur – damals war ich noch zu jung, um die Insel mit all ihren Seiten kennenzulernen, vor allem diejenige, für die Ibiza weltweit bekannt geworden ist: Party, Party, Party.

Heute ist meine Lust auf überschäumende Feiern und durchzechte Nächte nur noch gering. Die Partyszene gibt es noch, die gigantischen Clubs und Hotelanlagen sind nach wie vor ­Anziehungspunkt für viele Urlauber. Doch Mallorcas ungezähmte kleine Schwester ist ja weitaus mehr als nur Exzess und Freizügigkeit. Sie hat auch eine feine, leise Seite, dominiert von Kunst und Kultur.

Ein inspirierender Ort für Künstler

Einer, der den künstlerischen Teil der Insel mitgeprägt hat, ist Peter Ritzer. 1998 kam der heute 76-jährige Maler aus München gemeinsam mit seiner Frau nach Ibiza. Gemalt hat er hier dann gar nicht mehr so viel. Seine Karriere hat er mit vielen anderen Dingen in Deutschland zurückgelassen, einem Land, von dem er sich eingeengt gefühlt hat.

„Wir sind Hippies, wir waren auf der Suche nach Freiheit ohne Dogmen!“, sagt er augenzwinkernd in breitem bayerischen Dialekt. Wie ein Aussteigerparadies sieht sein ­gepflegtes weißes, ovales Haus jedoch nicht aus. Umschlossen von üppigem Grün und mit Blick vom Pool über die hügelige Landschaft lebt es sich sicherlich nicht schlecht.

Es war nicht der Ruf Ibizas als Eldorado für Künstler und Denker, der ihn auf die Insel gebracht habe, sagt er. Nur die Annonce für das Haus mit seiner außergewöhnlichen Architektur. Aber die Liebe für Ibiza entwickelte sich schnell – und beinahe ebenso schnell sein Engagement für die Kunst und Künstler der Insel.

Bereits in den 30er-Jahren kamen viele Intellektuelle auf die Insel

„Als wir hierherkamen, hat jeder für sich ­allein gekämpft“, sagt Ritzer. Damit meint er andere Maler und Bildhauer, die sich auf Ibiza ein Zuhause geschaffen haben, sich aber weder ­organisiert hatten noch gemeinsame Projekte wie Ausstellungen planten.

Der heute 76-jährige Kunstmaler Peter Ritzer aus München kam 1998 gemeinsam mit seiner Frau nach Ibiza.
Der heute 76-jährige Kunstmaler Peter Ritzer aus München kam 1998 gemeinsam mit seiner Frau nach Ibiza. © Frauke Maaß | Frauke Maaß

Im Grunde verwunderlich, hat doch die Kunst auf der Insel eine längere Geschichte. So kamen bereits in den 30er-Jahren Intellektuelle wie der Philosoph Walter Benjamin, der Fotograf, Maler und Grafiker Wols, der dadaistische Künstler Raoul Hausmann oder auch Architekt Walter Gropius auf die Baleareninsel.

Sie alle schätzten das Licht, die Ruhe des Landesinneren, die entspannte mediterrane Lebensweise und die weißen, kalkgeschlämmten, kubusförmigen Bauernhäuser, die Ibiza den Beinamen „Weiße Insel“ einbrachten.

Kommerziellen Tourismus gab es in jener Zeit noch nicht. Nur ein paar vereinzelte Berühmtheiten wie Aristoteles Onassis oder Fürst Rainier von Monaco besuchten das wildromantische Eiland mit seinen Pinienwäldern, zerklüfteten Küsten und den malerischen Buchten, das sich durch seine Unkonventionalität früh von Mallorca abgehoben hat.

Gruppen wie die Rolling Stones, Pink Floyd und Santana fanden hier ideale Auftrittsbedingungen und viele Fans. Die wilde und ungezügelte Schönheit der Insel, gepaart mit dem Image der Unangepasstheit, machte sie reizvoll für all die, die nach innerer Freiheit und künstlerischer Inspiration suchten.

Erste Künstlergruppe entstand 1959

Und es wurden immer mehr. In den 50er-Jahren haben viele auch deutsche Maler und Architekten Ibiza als zweite Heimat ­auserkoren und organisierten sich in der ­Grupo Ibiza 59. 1964 löste sich die Gruppe ­wieder auf. Erst durch Peter Ritzer kam es dann in den 90er-Jahren erneut zu einem Zusammenschluss bildender Künstler und zur Gründung des Art Club Ibiza.

Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die schöpferischen Kräfte einer heterogenen Vielzahl von Kreativen zu bündeln und gemeinsam Ausstellungsmöglichkeiten über die Galerien der Insel hinaus zu erschließen.

Die Kunstschaffenden präsentieren die Insel auf eine neue Weise der Öffentlichkeit, viele laden Besucher zur Besichtigung ihrer Häuser und Kunstobjekte ein, die weitaus mehr über das Leben hier erzählen können als jeder gedruckte Reiseführer.

Viele Ateliers liegen verstreut im Landesinneren, fern der Touristenorte, versteckte Refugien, die ohne einen Hinweis am Straßenrand kaum zu finden sind. So wie das Atelier Espacio Micus.

Die kubusförmigen Häuser sind inseltypische Architektur

Schmal ist der Pfad, der zu dem sandfarbenen Gebäude führt, das leicht geduckt auf einer lichten Anhöhe zwischen Ibiza Stadt und Cala Llonga steht. 1972 ist der 1925 in Höxter geborene Maler Eduard Micus nach Ibiza gezogen und baute sich dort eine neue Existenz auf.

Nach seinem Tod im Jahr 2000 hat seine Tochter Katja die Leitung übernommen. Sie kuratiert zahlreiche Ausstellungen zeit­genössischer Kunst in Räumlichkeiten, die ein exzellentes Beispiel für die überraschende Architektur der Insel sind. Die anfangs klein wirkenden Räume gehen ineinander über.

Kaum denkt man, jetzt ist Schluss, eröffnen sich einem wieder neue Perspektiven. „Das ist der typische Baustil der Insel“, sagt Katja Micus. Es wird klein angefangen mit nur einem Kubus, und dann wird je nach Bedarf angebaut. Am Ende sieht jedes Haus ein wenig anders aus, und doch sind sie sich alle ähnlich.

Auch Micus ist ein „Althippie“, wie sie sagt. Unkonventionell, kreativ, aufgeschlossen, liebt die quirlige 62-jährige Goldschmiedin alles, was sie tut. Jeden Sonntag ist die Galerie geöffnet. Eine schöne Tradition, die ihr Vater eingeführt hatte. Man traf sich, trank was zusammen, redete über Kunst, tauschte sich aus.

Solche Möglichkeiten müssen geschaffen werden, sagt Katja Micus, denn die vielen einzelnen Häuser haben häufig großen Abstand zueinander, spontane Treffen sind eher ausgeschlossen. Besonders außerhalb der Saison ist die Gegend oftmals sehr ruhig.

Die berühmte Chillout-Musik stammt vom Café del Mar

Das berühmte Café del Mar in San Antonio de Portmany.
Das berühmte Café del Mar in San Antonio de Portmany. © AFP/Getty Images | JAIME REINA

Im Winter ist Ibiza Stadt weitgehend ausgestorben. Viele Läden haben nur für Touristen geöffnet und schließen, wenn die Urlauber die Insel verlassen haben. Aber bis Ende Oktober und ab März ist die Stadt lebendig, und die Temperaturen sind so angenehm, dass man nur mit einer Strickjacke bekleidet abends draußen sitzen kann.

Sei es in einem der vielen Restaurants in der Altstadt, am Hafen mit Blick auf die Burg oder im Café del Mar, ein direkt am Meer gelegenes Café in Sant Antoni de Portmany.

Seit 1980 gibt es das Lokal, das nicht nur durch seine erstklassige Lage, sondern auch durch eine ebenso simple wie geniale Idee zu den berühmtesten Orten der Insel zählt: die beinahe magischen Sonnenuntergänge, die man von der Küste beobachten kann, mit passender Musik zu begleiten.

Voilà! Die erste Sunsetbar war geboren und mit ihr der Kult um das Café del Mar und die gleichnamige Chillout-Musik. Sehr schnell wurde das Lokal populär und ­Anlaufstelle für Prominente wie Frank Zappa und Grace Jones, die hier gemeinsam mit ­Tausenden anderen den Sonnenuntergang zelebrierten. Knapp 40 Jahre später gibt es hier immer noch feine Cocktails und kühle Drinks samt der atemberaubenden Aussicht über das Mittelmeer.

Buntes Treiben auf den Hippiemärkten

Kult ist vieles auf Ibiza. Diskotheken wie das Ushuaia Beach Hotel oder das Pascha sowie die legendären Hippie-Märkte, die die Aussteiger und kreativen Geister von einst ins Leben gerufen haben, um Waren anzubieten, mit denen sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen.

Von Luft und Liebe allein kann man dann eben doch nicht so gut leben. Wer über den berühmtesten Markt in Las Dalias geht, der sieht viele Aussteiger von einst, die wie man selbst grau geworden sind, ­deren Gesichter Sonnen- und Altersfalten zieren und die Kunsthandwerk wie Ketten, Kleider und Körbe verkaufen. Ein beinahe nostalgischer Bummel, der gleichzeitig sehr viel über den sogenannten Spirit der Insel verrät.

Dass die Hoch-Zeit der Blumenkinder im Grunde vergangen ist, kümmert nicht. Nach wie vor regiert das Bunte, Farbige, Schrille. Denn auch das, was vorüber ist wie die alternde Flower-Power-Szene, der Art Club, der sich vergangenes Jahr aufgelöst hat, oder Künstler, die verstorben sind, haben die Insel bereichert, sei es durch Bilder, sei es durch Architektur wie die Casa Broner, das Wohnhaus des Malers und Architekten Erwin Broner mit wunderbarer Lage hoch über dem Meer.

Noch immer fasziniert das klare Licht der Insel Kunstschaffende wie Maler und Fotografen, die Motive von der Landschaft bis zu ibizenkischen Traditionen festhalten. Eine Vielzahl von Museen und Galerien zeugt von der Lebendigkeit der Szene.

Ein Beispiel dafür ist Es Polvori unter der stattlichen Burg von Ibiza Stadt, früher ein Pulvermagazin, heute Ort für wechselnde Ausstellungen. Auch das Museo de Arte Contemporáneo (Mace) de Ibiza ist einen Besuch wert. 1969 eingeweiht, zeigt es einen Querschnitt zeitgenössischer Kunst lokaler und internationaler Künstler.

Früher zahlten Maler auch mit ihren Bildern

Ein Magnet für Einheimische und Touristen ist die Bar Costa in Santa Gertrudis, die nicht nur für ihren delikaten Schinken und Manchego-Käse berühmt ist. Dort wartet auch eine ganz individuelle Bildergalerie: Während der Hippiezeit zahlten Künstler ihre Zeche häufig mit Werken, unter anderem hängt hier ein Original von Joan Miró.

Selbst in der Vorsaison sind die Holztische vor der Bar häufig restlos belegt. Und weil der Ort so wunderbar zentral in der Inselmitte liegt, fährt man ihn stets wieder an und holt sich bei einem Schinkenbrötchen Energie für das nächste Atelier.

An vier Tagen entdeckte ich nur einen Ausschnitt der „anderen Seite“ Ibizas, doch ein weiterer Besuch steht noch aus: Ich möchte eines der vielen Musikfestivals erleben auf der Insel, an der weiterhin mein Herz hängt. (Frauke Maaß)

Tipps & Informationen

Ab Berlin fliegt Ryanair nonstop nach Ibiza-Stadt. Ab Hamburg mit Lufthansa über Frankfurt.

Gut übernachten kann man im Can Arabi, einem Landhotel mit Orangen­garten nicht weit von Ibiza Stadt, Doppelzimmer mit Frühstück ab 160 Euro, www.canarabi.com; oder im Agrotu­rismo Sa Marina, Landhaus nahe Sant Carles und Cala Boix, DZ/F ab 100 Euro, agroturismosanmarina.com

Workshops auf www.ibizacreativa.com

Mehr Auskunft beim Fremdenverkehrsamt, www.spain.info; ibiza.travel

(Die Reise wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt Turespana.)