Wien. In der Kaiserzeit fuhren die Majestäten mit dem noblen Hofsalonzug zur Sommerfrische an die Adria. Das geht heute immer noch genauso.

Wien, Franz-Josefs-Bahnhof. Geräuschvoll schiebt eine schwarze Lokomotive sieben auf Glanz polierte Waggons zum Bahnsteig 3 des Sackbahnhofs. Es ist Sonntag früh, kurz vor acht. Die S-Bahnfahrer am Gleis nebenan reiben sich die Augen, denn vor ihnen lebt die K.-u.-k.- Zeit neu auf. Die Lok ist von 1905. An den Fenstern der Wagen hängen Rüschengardinen, auf dem Lack prangt in Goldlettern „Majestic Imperator“ samt Doppeladler. Vor den Einstiegstüren sind rote Teppiche ausgerollt.

Eingefahren ist ein Hofsalonzug, in dem Kaiser Franz Josef, Sisi und andere Majestäten gesessen haben könnten, um sich an die Adria zu verfügen. Heute kann jeder mit dem Oldtimer reisen und das einstige Reisegefühl nacherleben. Das Ziel ist Opatija, das Abbazia hieß, als es noch das hippe Seebad der österreichisch-ungarischen Oberschicht war. Damals lag Österreich noch am Meer.

Abfahrt 8.20 Uhr. In den Abteilen sind die Tische für das Frühstück eingedeckt. Aus den Lautsprechern tönt der „Wiener Walzer“. Der kroatische Bordkellner Nikola Psarić ist zu jung, um auch nur irgendeine Meinung zur Epoche der Donaumonarchie zu haben, aber ihm gefällt seine fesche Uniform.

Routiniert schenkt er einen Brut aus dem Burgenland aus, ohne einen Tropfen zu verschütten. „Wir mögen die langsame Art zu reisen“, schwärmt am Nachbartisch das Ehepaar Ettl aus Wien, das schon mehrmals mit dem Luxuszug in Richtung Süden unterwegs war. Wie riesig Österreich einmal war, so Christine Ettl, wüsste heute ja kaum noch jemand.

Überall blitzt das Messing von Griffen und Beschlägen

Die pure Nostalgie auf Schienen rattert durch schöne Landschaften, am Verlauf der Mur entlang, an der türkisglitzernden Save und den schneebedeckten Karnischen Alpen. Das leicht geöffnete Guillotinefenster lässt etwas Fahrtwind hinein. Überall blitzt das polierte Messing von Griffen und Beschlägen. Gottfried Rieck, der Erfinder des Kaiserzuges, sitzt bequem auf dem plüschigen Samtpolster des Hofsalonwagens „Elisabeth“.

Er ist der Nostalgie-Experte, ein Mann von ausgesprochener Höflichkeit, trägt Vollbart, eine schwarz-goldene Seidenkrawatte in den Farben der Habsburger, einen eleganten Anzug mit Goldknöpfen und Wappen auf der Brusttasche. Die holzvertäfelte Stirnwand hinter ihm sei mit einem Stück Originalvorhang aus der Kaiserloge der Wiener Oper dekoriert, so Rieck. „Mit echten Süßwasserperlen aus der Donau bestickt.“

An Bord sind noch andere K.-u.-k-Originale wie eine Pfeife Franz Josefs und ein Spiegel von Sisi aus ihrem Privatcoupé. Sein ganzer Stolz ist aber die Serviette, die der Kaiser am 7. September 1867 benutzte und die nie gereinigt wurde. Rieck hat sie für 2000 Euro ersteigert.

Schon mit 15 Jahren war die Eisenbahn seine Leidenschaft. „Vom Kohleschaufeln bis zum Bahndirektor habe ich alles gemacht“, sagt der Pensionär siegesgewiss wie ein Erzherzog. Die Eisenbahn ist sein Leben.

1991 begann er, historische Waggons aufzukaufen, er rekonstruierte sie sukzessive nach Originalplänen aus dem Jahr 1891 und stattete sie im Schick der Kaiserzeit aus. So wie es bei Franz Josef und Sisi auch gewesen sein könnte. „Bei mir soll sich jeder kaiserlich fühlen“, sagt Rieck.

Die heutige Strecke entspricht weitgehend der damaligen Südbahn

Gegen Pomp und Plüsch sei er eigentlich immun. Aber es gehöre dazu, und ihm gefalle das elegante Reisen. Was ihn besonders fasziniert, ist die geniale Logistik der gut 300.000 Gleis­kilometer, die im letzten Jahrhundert gebaut wurden. Die heutige Strecke entspreche weitgehend der damaligen Südbahn, die General-Inspector Friedrich Julius Schüler um 1860 bauen ließ, um im Süden den Strandtourismus für die Habsburger Royals zu entwickeln.

Unter Eisenbahnern gilt die 600 Kilometer lange Strecke bis heute als technische Meisterleistung, weil sie durch schwieriges Gelände wie Karstgebirge, Moorlandschaften und Flusstäler führt. Es mussten Gleise zum hohen Semmeringpass gelegt, vierzehn Tunnel, sechzehn Viadukte und an die hundert Steinbrücken gebaut werden.

Heute fährt der Zug gut 400 Kilometer durch Österreich, 150 Kilometer durch Slowenien und 50 Kilometer durch Kroatien. An den Grenzen zu Slowenien und Kroatien müssen wegen unterschiedlicher Stromsysteme zweimal die Lokomotiven gewechselt werden. Da Kroatien eine EU-Außengrenze ist, steigt ein Grenzbeamter zu, um die Personalausweise zu kontrollieren. „In Kürze erreichen wir Opatija!“, ist die freundliche Schaffnerstimme aus dem Lautsprecher zu hören.

So glaubt man, die Zeit in Opatija vergehe langsamer

Oleander, Bougainvilleas, Glyzinien. Langsam nimmt die Gegend mediter­rane Züge an. „Das Meer!“, ruft ein Passagier, als sich der Zug der Kvarner Bucht nähert. Nach zehn Stunden fährt der Historienzug in Opatija ein. Das einst kleine Fischerdorf hatte Kaiser Franz Joseph 1889 zum „k. u. k. Curort“ und kaiserlichen Hausstrand ernannt; er selbst war zweimal hier. Im Eiltempo entwickelte es sich zum mondänen Seebad.

In Österreich fuhr man nach Abazzia, wie der Ort damals hieß. Residenzen und Hotels im Belle-Époque-Stil schossen wie Pilze aus dem Boden, zuerst das Kvarner, dann das Imperial und das Miramar. Mediziner priesen das Klima. Die Kurgäste blieben zwei, drei Monate.

Die Küste von Opatija. Noch immer sonnt sich der Ort an der Adria im Glanz der Donaumonarchie.
Die Küste von Opatija. Noch immer sonnt sich der Ort an der Adria im Glanz der Donaumonarchie. © Getty Images | Wiebke Langhinrichs

Auf dem zwölf Kilometer langen Franz-Josef-Panoramaweg, der mit Palmen, Kamelien, Bänken und Cafés garniert ist, gelangt man ins Zentrum der kroatischen Küstenstadt und zu den Perlen der Habsburger Grandhotellerie. Nach den Jugoslawienkriegen brach Mitte der 1990er-Jahre wie über Nacht wieder kaiserliches Lebensgefühl aus.

Viele Österreicher kauften an den Ufern gelegene Villen günstig zurück. Fassaden, Stuckdecken, Goldbalustraden und schweres Gründerzeitmobiliar der ungenutzten, verwahrlosten Nobelhotels wurden stilgerecht aufgemöbelt, zuletzt das Palace Bellevue, das Mozart und das Imperial. Nur das Belvedere steht jetzt noch aus.

Fast könnte man glauben, dass die Zeit in Opatija langsamer als anderswo vergeht oder bewusst angehalten wird. Die Donau ist fern. Aber auf den Tischen der Kaffeehäuser stehen Melange und Sachertorte, die man immer noch auf Deutsch bestellen kann.

Opatija sonnt sich im Glanz der Donaumonarchie

Vor hundert Jahren ging die Donaumonarchie unter. Opatija hat sie überlebt und sonnt sich in ihrem Glanz. „Das K.-u.-k.-Flair ist unser Segen“, sagt Barbara Zrinscak, eine Literaturwissenschaftlerin, die sich für den örtlichen Tourismus engagiert.

Wie die Kamelie, das Wahrzeichen von Opatija. Auch die ursprünglich aus Ostasien stammende Pflanze braucht den milden Winter bis 18 Grad und den heißen Sommer bis 35 Grad. „Unsere Stadt hilft gegen Depressionen und Liebeskummer“, sagt sie und lacht.

Man müsse einfach mit Rucksack und Badehose loswandern, irgendwo anhalten und schwimmen, wie es einem gefällt. Die gebürtige Opatijarin hofft, dass man sich auch in 20 Jahren des historischen Schatzes noch bewusst ist. Doch die Besucher altern. „Damals kamen Gäste für ein Vierteljahr“, sagt sie. Die meisten blieben heute nur eine Woche, die Saison sei kurz. Zu kurz für viele Hotels.

Von der Sehnsucht nach der Vergangenheit kann Opatija jedoch allein nicht leben. So sind zwischen der aufpolierten Bäderarchitektur erste Zeichen der Moderne zu erkennen. Die Jungen lernen in der Schule heute Englisch statt Deutsch und tragen dem internationalen Publikum Rechnung.

Das traditionelle Angelina Café eröff­nete vorletztes Jahr – umgebaut im schicken Naturholzstil Österreichs. Im Yachthafen besetzt das Design-Hotel Bevanda eine Luxuslage am Meer, gleich gegenüber das gläserne Restaurant Molo, das auf Gourmetniveau kocht. Unter dem K.-u.-k.-Siegel entsteht aus dem Traditionellen allmählich etwas Neues.

Tipps & Informationen

Easyjet, Lufthansa oder Austrian fliegen nonstop von Berlin nach Wien. Im Auto über die A 13 oder in neun Stunden mit der Bahn.

Eine noble Einstimmung unweit dem Franz-Josefs-Bahnhof ist die Übernachtung im Hotel Altstadt Vienna. DZ/Frühstück ab 159 Euro, Tel 0043-1-5226666, www.altstadt.at, www.schlosshotels.co.at

Nächster Termin für die Reise im Salonwagen Majestic Imperator nach Opatija inklusive vier Übernachtungen im Relax-Resort Miramar: 5. bis 9.5.2019, Preis 1950 Euro pro Person. Abfahrt: ca. 8 Uhr. Die Reise ist noch buchbar. Eine wei­tere Reise ist für Anfang/Mitte November geplant. Auskunft auf www.majestic-train.com

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durchs Relax-Resort Miramar und den Majestic Train de Luxe.)