Berlin. Der Vermieter muss gute Gründe angeben, die im Zweifel einer Prüfung standhalten. Wird ein Veto eingelegt, werden Interessen abgewogen.

Viele Mieter trifft es unvermittelt. Sie bekommen ein Schreiben ihres Vermieters: Er will ihnen kündigen, weil er die Wohnung selbst nutzen möchte. Doch ganz so einfach geht das nicht.

Ein Vermieter könne das Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse geltend macht, sagt Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland in Berlin. Ein solches Interesse liegt vor, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, einen Familienangehörigen oder einen Angehörigen seines Haushalts benötigt.

„Unter Familienangehörigen sind dabei in erster Linie nahe Verwandte zu verstehen“, erklärt Silvia Jörg vom Interessenverband Mieterschutz in Hamburg. Dazu gehören zunächst Kinder und Stiefkinder, Eltern, Geschwister, Enkel, Großeltern, Nichten und Neffen.

Platz für eine Pflegekraft machen

„Für entferntere Verwandte wie zum Beispiel eine Cousine kann der Vermieter Eigenbedarf beanspruchen, wenn diese einen besonders engen Kontakt zum Vermieter haben“, erläutert Jörg. Infrage kommt auch eine Angehörige seines Haushalts, etwa eine Pflegekraft, ergänzt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin.

Ein dringender Bedarf muss dabei nicht vorliegen. Vielmehr reicht es aus, dass der Vermieter ernsthafte, nachvollziehbare und vernünftige Gründe hat. „Eine Notfall-, Mangel- oder Zwangslage muss explizit nicht vorliegen“, betont Wagner.

Auch ist es nicht notwendig, dass er dauerhaft in die gekündigte Wohnung einziehen und dort seinen Lebensmittelpunkt begründen will, wie der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 186/17) entschieden hat. Es kann ausreichen, wenn der Vermieter die Wohnung nur zeitweise nutzen will, zum Beispiel als Zweitwohnung.

Käufer unterliegen einer Sperrfrist

Für die Eigenbedarfskündigung gelten die üblichen Kündigungsfristen. Hat der Mieter weniger als fünf Jahre in der Wohnung gelebt, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate. Sie verlängert sich nach fünf und nach acht Jahren jeweils um drei Monate.

„Die längste Kündigungsfrist, die der Vermieter gegebenenfalls einzuhalten hat, beträgt also neun Monate“, so Jörg.

Wurde die Wohnung in Eigentum umgewandelt und dann veräußert, kann der Erwerber erst nach einer Frist von drei Jahren eine Eigenbedarfskündigung geltend machen. „Sie kann auf bis zu zehn Jahre verlängert werden, wenn die ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde gefährdet ist und diese Gebiete durch die jeweilige Landesregierung bestimmt sind“, erläutert Wagner.

Ist die vermietete Wohnung eine von zwei Einheiten im Haus und der Vermieter bewohnt eine davon, so benötigt er in dieser Konstellation kein besonderes „berechtigtes Interesse“, so die Expertin weiter. Allerdings verlängert sich dann die Kündigungsfrist um drei Monate.

Lange Mietdauer gilt als Härtegrund

Wollen betroffene Mieter die Kündigung nicht hinnehmen, sollten sie sich Hilfe holen. „Bei der Überprüfung von Eigenbedarfskündigungen wird eine Interessenabwägung vorgenommen, die immer einzelfallbezogen ist“, erklärt Silvia Jörg.

So kann etwa die lange Mietdauer ein Härtegrund sein, den Mieter geltend machen können. Meist reicht das allein aber nicht. Die Erfolgschancen eines Widerspruchs steigen, so Jörg, wenn noch weitere Härtegründe wie etwa hohes Alter oder Krankheit dazukommen.

Ist die Eigenbedarfskündigung wirksam, muss der Vermieter generell keine neue Wohnung besorgen. „Gibt es aber etwas Vergleichbares, muss er dazu informieren“, sagt Wagner. Sowohl freie als auch während der Kündigungsfrist frei werdende Wohnungen muss er zudem berücksichtigen.

Alternativen sind zu nutzen

„Oftmals werden formale Fehler gemacht“, erklärt Jörg. Zwei Beispiele: Zwei Personen sind Vermieter, aber nur einer spricht die Kündigung aus und unterschreibt sie.

Oder: Der Eigenbedarfsgrund wird nicht ausreichend begründet. Dann ist die Kündigung unwirksam. Das gilt auch bei vorgeschobenem Eigenbedarf, also wenn der Vermieter oder die Person, für die die Wohnung gekündigt wurde, diese nicht ernsthaft nutzen will.

Grob unbillig und damit unzulässig ist die Kündigung, wenn im Haus eine oder mehrere vergleichbare Wohnungen leerstehen und der Vermieter auch dort gut einziehen könnte. Ebenfalls unwirksam ist die Kündigung, wenn die Wohnung nicht so genutzt werden kann, wie der Vermieter es im Schreiben vorgibt.