Meerbusch. Medtronic hat Patienten in Deutschland aufgerufen, ihre Herzschrittmacher überprüfen zu lassen. Einige Modelle könnten fehlerhaft sein.

Schlägt das Herz zu langsam, kann ein Schrittmacher die Lösung sein. Allein 2016 wurden in Deutschland mehr als 77.000 implantiert, die meisten davon stammen von dem US-Unternehmen Medtronic. Also jenem Medizintechnik-Riesen, der aktuell weltweit 157.000 Herzschrittmacher wegen einer möglichen Fehlfunktion zurückruft. Viele Patienten sind verunsichert, auch jene, die Implantate anderer Hersteller tragen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie viele Menschen in Deutschland sind von dem Rückruf betroffen?

Genau lässt sich das nicht sagen, da es in Deutschland kein zentrales Register gibt, das die Schrittmacherimplantationen im Detail erfasst. Der Hersteller wollte keine Zahlen nennen. Der NDR, der zuerst über den Rückruf berichtet hatte, spricht jedoch allein für zwei Kliniken in Hannover von 660 betroffenen Patienten. In Hamburg sind mehrere Hundert Personen betroffen.

Insgesamt wurden laut dem Jahresbericht des Deutschen Herzschrittmacher-Registers 2016 in deutschen Kliniken 77.188 Herzschrittmacher implantiert. Rund 29.400 – und damit die meisten – stammten von dem US-Unternehmen Medtronic. Allerdings betrifft der Rückruf nach Unternehmensangaben nur Geräte, die zwischen dem 10. März 2017 und dem 7. Januar 2019 vertrieben wurden.

Ausgelöst wurde der Rückruf auf Grund von „vier gemeldeten Ereignissen in zwei Patienten“, schreibt das Unternehmen. Die gemeldeten Ereignisse seien in drei Geräten aufgetreten. Todesfälle seien nicht gemeldet worden und die Patienten stammten nicht aus Deutschland.

Welche Implantate sind genau betroffen?

Laut Medtronic geht es um Geräte der Marken Adapta, Versa, Sensia, Relia, Attesta, Sphera, Vitatron der A, E, G, Q Serie. Patienten, die einen der betroffenen Herzschrittmacher tragen, wurden oder werden derzeit von den jeweiligen Kliniken oder kardiologischen Praxen kontaktiert. Diese haben im Januar in einem Schreiben von Medtronic eine „dringende Sicherheitsinformation“ erhalten.

Außerdem kann jeder Mensch, der einen Herzschrittmacher trägt, das genaue Modell in seinem Schrittmacher-Pass nachlesen. Medtronic verweist auf eine Internetseite, auf der Patienten und Ärzte die Seriennummer eines Gerätes eingeben und prüfen können, ob das jeweilige Implantat betroffen ist: bit.ly/2X2loHz

Wo liegt der Fehler bei den betroffenen Implantaten?

Ein Herzschrittmacher der Firma Medtronic.
Ein Herzschrittmacher der Firma Medtronic. © imago stock&people | imago stock&people

Der Fehler liegt in der Software der Schrittmacher. Laut Medtronic kann in sehr seltenen Fällen eine sogenannte Stimulationspause auftreten. Der Schrittmacher hört also auf, das Herz zu stimulieren und so zum Schlagen zu animieren – lebensgefährlich für manche Implantatträger. Denn ein Herzschrittmacher wird bei Menschen eingesetzt, deren Herz zu langsam schlägt oder bei denen es zu größeren Pausen zwischen den einzelnen Schlägen kommt.

Als Grund für den Fehler nennt Medtronic eine „Designänderung eines integrierten Schaltkreises in einer Teilmenge von Geräten“.

Eine Stimulationspause sei besonders für die Patienten sehr kritisch, bei denen der Schrittmacher ständig arbeiten müsse, erklärt Dr. Edgar Zitron, Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg. „Man spricht hier von ‚Schrittmacherabhängigkeit‘“, sagt der Kardiologe. Fällt bei diesen Patienten der Schrittmacher vorübergehend aus, kann es im schlimmsten Fall sein, dass das Herz nicht weiter schlägt.

Wie wird der Fehler behoben?

Patienten, denen ein vom Rückruf betroffener Schrittmacher implantiert wurde, müssen sich in der Regel nicht noch einmal operieren lassen, sagt Zitron. Lediglich ein Update der Software sei notwendig, teilt Medtronic mit. Dieses Update soll jedoch erst in der zweiten Jahreshälfte zur Verfügung stehen.

„Bis dahin wird erst einmal die Programmierung des Schrittmachers verändert“, erklärt Zitron. Da der Fehler nur in einer bestimmten, sehr seltenen Konstellation von Parametern auftreten kann, geht es darum, diese Konstellation zu verhindern. „Damit ist der Patient erst einmal sicher“, sagt Zitron. Sei das Update verfügbar, könne man wieder auf die alte Programmierung zurückgreifen.

In einzelnen Fällen könne es bei einer Umprogrammierung jedoch zu Herzstolperern kommen, sagt Zitron. Denn die Stimulationsmodi seien genau auf den jeweiligen Patienten abgestimmt. „Hier kann es eine Überlegung sein, das Implantat in einzelnen Fällen tatsächlich auszutauschen“, räumt der Kardiologe ein. Zwar seien die Herzstolperer nicht lebensgefährlich, sie können den Patienten aber Angst machen.

Auch Professor Andreas Markewitz weist auf die psychologische Komponente hin: „Ein Aggregat, das zwar in sehr seltenen Fällen, aber dennoch eine Lebensgefahr bedeuten kann, ist eine große Herausforderung für die Psyche des Patienten“, sagt der Herzchirurg und Mitglied aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Herzchirurgie: „Bei Menschen mit einer Schrittmacherabhängigkeit würde ich von der Empfehlung des Herstellers abweichen und eine Austausch-OP empfehlen.“

Kann der Fehler auch bei anderen Herzschrittmachern auftreten?

Patienten mit Schrittmachern anderer Hersteller müssten sich keine Gedanken machen, sagt Markewitz. „Obwohl es wie bei allen technischen Geräten nie ganz ausgeschlossen ist, dass Fehler passieren.“ Tatsächlich habe es in der Vergangenheit immer wieder Rückrufe aller Hersteller wegen Softwareproblemen gegeben, sagt Zitron.

Die Zahl der Patienten, die dadurch zu Schaden gekommen sei, sei jedoch im Vergleich zur Zahl der implantierten Geräte verschwindend gering. Viel häufiger seien Komplikationen durch den Eingriff an sich. „Die medizinischen Komplikationen sind viel häufiger als Probleme mit der Technologie“, sagt Zitron. Dennoch sei ein solcher Rückruf emotional für die Patienten sehr belastend.