San Carlos. Im Frühjahr kommt das elegant-lässige Model 3 aus den USA bei uns in den Handel. Wir zeigen, was Teslas Einsteigermodell mitbringt.

Jetzt wird es ernst in Europa – für die Elektromobilität im Allgemeinen und für Tesla-Chef Elon Musk und Konkurrenten im Besonderen. Endlich ist das Model 3 auf dem Weg über den ­Atlantik. Schließlich wollen die Amerikaner damit beweisen, dass man auch ohne großes Vermögen vernünftige Reichweiten erzielen und ohne Kompromisse elektrisch fahren kann.

Das ist ein Versprechen, an dem sich Mr. Musk genauso messen lassen muss wie die Konkurrenz aus Europa, die so langsam aufgewacht ist und mit Autos wie dem VW I.D. Neo bald eine ganz ähnliche Position bezieht. Es wird spannend, wenn das Model 3 im Frühjahr in den Handel kommt.

Model 3 kostete in der Basisversion zunächst 55.400 Euro

Vom großspurig angekündigten ­Einstiegsmodell für 35.000 Dollar waren die Amerikaner allerdings lange meilenweit ­entfernt, selbst wenn man den Kurs großzügig umrechnet, die Steuern draufschlägt, die Elektroauto-Prämie abzieht und noch einen Aufschlag für den Transport und den Import einkalkuliert.

Denn der Grundpreis lag bereits bei 55.400 Euro plus einer Bearbeitungsgebühr von rund 1000 Euro, mit ein paar Extras war man bei über 60.000 Euro und mit den potenteren Konfigurationen kommt man über 70.000 Euro.

Erst nachdem Tesla Anfang März ein Sparprogramm ankündigte und unter anderem den Handel vermehrt ins Internet verlagerte, wurde der Basispreis auf die eins versprochenen 35.000 Euro gesenkt.

Hintergrund: Tesla will seine Elektroautos nur noch im Internet verkaufen

Damit ist das Model 3 wieder deutlich näher am ersten I.D. von VW als an den Konkurrenten wie dem EQC von Mercedes, dem ­oder dem I-Pace von Jaguar. Im ähnlichen Preissegment dürfte sich demnach auch das Model Y ansiedeln, das Tesla am 14. März vorstellt und das auf Basis des Model 3 funktioniert.

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Sieht man vom Preis ab, kommt das Model 3 dem Ideal von einem elektrischen Alltagsauto allerdings schon ziemlich nahe. Der Viertürer mit der leider nur kleinen Heckklappe bietet bei 4,69 Metern Länge und 2,88 Metern Radstand vorn mehr Platz als ein Fünfer BMW, liegt hinten auf dem Niveau der konventionellen Mittelklasse-Limousinen und lässt in seinen gleich zwei Kofferräumen hinten 340 und vorne 85 Liter Gepäck verschwinden.

Topmodell „Performance“ bringt 487 PS mit

Dazu kommt, dass schon die günstigste der aktuell zwei angebotenen Konfigurationen mit einer Batteriekapazität von 75 kWh und zwei E-Motoren von zusammen 346 PS eine Normreichweite von 560 Kilometern und ein Spitzentempo von 233 km/h bietet.

Und wenn man im Topmodell „Performance“ unterwegs ist, fühlt man sich wie in einem BMW M3. Immerhin drehen dann zwei E-Maschinen von 487 PS alle vier Räder, sodass es die immerhin knapp zwei Tonnen schwere Limousine in 3,5 Sekunden auf Tempo 100 reißt und die 250 km/h Topspeed zu einer reinen Formalität werden.

Und selbst wenn die 530 Kilometer Reichweite vom Prüfstand in der Praxis natürlich nicht zu halten sind, erst recht nicht, wenn man das Model 3 tatsächlich wie einen M3 bewegt, kann man die Ladestandsanzeige geflissentlich ignorieren.

Tesla will nachträglich auch kleinere Batterien anbieten

Spätestens nach ein, zwei Stunden lässt die Nervosität nach und man merkt, dass man lässig durch den Alltag kommt. Das dürfte auch für die Variante mit um die 60 kWh gelten, die Tesla mittelfristig nachreichen will, und ebenso für das Einstiegsmodell mit 50 kWh.

Dabei fühlt sich das Model 3 deutlich souveräner und stimmiger an als etwas das Model S, sodass man den Amerikanern durchaus eine gewisse Lernkurve für Aufbau und Abstimmung attestieren kann. Doch weder ist der elektrische Herausforderer so komfortabel wie ein Mercedes, noch ist er so handlich und bestimmt wie ein BMW und spätestens ab 160, 170 km/h wird das Rauschen des Windes fast so laut wie in einem Cabrio.

Doch wahrscheinlich hat Elon Musk recht, wenn er die Aufmerksamkeit seiner Mannschaft auf andere Eigenschaften lenkt. Denn die Zeiten, in denen Fahrdynamik kaufentscheidend war, gehen unweigerlich zu Ende. Und Mehr als mit Torque-Vectoring oder variabler Dämpfung beeindruckt man heute mit einem großen Touchscreen und einer weitreichenden Digitalisierung – und da ist Tesla ganz vorn. Innen gibt es kaum noch haptische Bedienelemente

Tesla-Chef Elon Musk.
Tesla-Chef Elon Musk. © REUTERS | Aly Song

Als Fahrer fühlt man sich fast verloren im Model 3, so leer ist das Cockpit. Bis auf die Fensterheber in den Türen, die zwei Bedienhebel hinter und die zwei Drehwalzen im Lenkrad gibt es im Tesla keinerlei haptische Bedienelemente mehr. Selbst der Schlüssel wird zu einer erschreckend fragilen Chip-Karte, die man nur noch selten aus dem Portemonnaie holen muss.

Alles, was es in diesem Auto zu bedienen gibt, macht man über den Touchscreen, der größer ist als die meisten Tablet-Computer und zugleich als Fenster in eine umfassende Infotainment-Welt fungiert.

Tesla gibt seinem Autopiloten viel Verantwortung

Ein Model 3 in der Tesla-Niederlassung in Berlin.
Ein Model 3 in der Tesla-Niederlassung in Berlin. © Getty Images | Sean Gallup

Was Tesla neben dem bedingungslosen Bekenntnis zur Elektromobilität noch ausmacht, das ist das Vertrauen in die Assistenzsysteme. Zwar können die Amerikaner wahrscheinlich auch nicht mehr als Mercedes oder BMW, schalten aber viel mehr frei als die konservativen Deutschen. Deshalb sucht sich das Model 3 auch dort selbst seinen Weg, wo ein Siebener oder eine S-Klasse das Kommando an den Fahrer übergibt.

Und wo die Autopiloten bei den Deutschen den Fahrer nach ein paar Sekunden Untätigkeit wieder in die Pflicht nehmen, kann man im Tesla die Hände minutenlang in den Schoß legen – selbst wenn einem der Gesetzgeber in dieser Zeit keine Nebentätigkeiten erlaubt.