Berlin. Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat steht seit längerem in der Kritik. Forscher haben nun untersucht ,wie das Mittel auf Nerven wirkt.

Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel können bestimmte Nervenzellen offenbar stark schädigen. Darauf deutet eine Studie von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Essen hin. Verantwortlich für diese Schädigung sei allerdings nicht alleine das Glyphosat, sondern auch das Zusammenspiel mit weiteren Hilfsstoffen, die nicht auf der Verpackung zu finden seien, schreiben die Autoren im Fachblatt „Acta Neuropathologica“.

Bisher waren vor allem mögliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Mittel untersucht worden. Dass auch das sogenannte periphere Nervensystem, also alle Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark, beeinträchtigt werden könnte, sei eine spannende neue Erkenntnis, erklärt Gerd Meyer zu Hörste, Neurologe am Universitätsklinikum Münster. Es handele sich aber zunächst nur um Grundlagenforschung, auf den Menschen übertragbar seien die Erkenntnisse noch nicht.

Das Team um Dr. Mark Stettner hatte geprüft, wie verschiedene Konzentrationen sowohl von reinem Glyphosat als auch von Herbiziden, die den Stoff enthalten, wie das Bayer-Produkt „Roundup“, auf embryonale Tierzellen wirken. Genauer gesagt auf die Myelinhülle, eine Schutz- und Isolierschicht, die Nerven umgibt und für ihr Überleben wichtig ist. „Wurde das glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf die Zellen gegeben, bildete sich diese Schutzschicht zurück. Kamen die Nervenzellen mit den Mitteln in Berührung, noch bevor sich diese Schutzschicht gebildet hatte, blieb die Entwicklung der Schutzschicht aus“, erklärt Stettner.

Ob „Roundup“ auch für Menschen gefährlich ist, muss sich zeigen

Glyphosat alleine habe keine so starke Wirkung gezeigt. „Die Gesamtsubstanz hat aber außergewöhnlich große Schäden angerichtet“, so der Neurologe. Dieser Effekt mache sich vor allem bei den sogenannten Schwann-Zellen bemerkbar, die für die Bildung der Myelinhülle verantwortlich sind. Für ihre Versuche verwendeten die Forscher hohe Konzentrationen der verschiedenen Stoffe.

„Wir gehen nicht davon aus, dass eine so hohe Konzentration im menschlichen Blut oder Gewebe erreicht wird und die Ergebnisse der Studie sind nicht auf den Menschen übertragbar“, sagt Stettner. Dennoch habe man mit den Konzentrationen versucht, innerhalb der zehntägigen Versuchszeit Gehalte abzubilden, die über Jahre bei regelmäßigem Kontakt entstehen könnten.

„Ob diese Werte realistisch sind und wie sie in einem Organismus wirken würden, lässt sich allerdings nicht sagen“, kommentiert Meyer zu Hörste, der nicht an der Studie beteiligt war. Vor einer Übertragung auf den Menschen müsste auch mit anderen Methoden wie etwa in Tierversuchen geprüft werden, ob die Nerven ähnlich reagieren, wenn der Pflanzenschutz nicht direkt hinzugegeben, sondern erst verstoffwechselt werde. „Interessant ist vor allem, dass die übrigen Inhaltsstoffe eine deutlich schädlichere Wirkung zu haben scheinen, als das Glyphosat allein“, so Meyer zu Hörste.

Auch dass die Zellen nicht direkt absterben, sondern zunächst ihre Schutzschicht verlieren, sei überraschend. Nun müsse in weiteren Versuchen geklärt werden, welche Stoffe in den Unkrautvernichtern dafür mitverantwortlich seien. Dafür müssen die Forscher nun wohl detektivisch tätig werden: Anders als bei Lebensmitteln müssen bei Pestiziden nicht alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung stehen.