Berlin. Lerncoach Fabian Grolimund hat beobachtet, dass sich Jugendliche beim Lernen selbst demotivieren. Er weiß aber, wie es anders geht.

Lernen ist bei Schülern im Alter von zwölf bis 16 Jahren eine meist wenig geliebte Tätigkeit. Und doch – auf dem Weg zum Schulabschluss geht es nicht ohne. Fabian Grolimund betreibt seit 2010 die Akademie für Lerncoaching in der Schweiz. Sein aktueller Ratgeber für Jugendliche basiert auf aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft.

Herr Grolimund, wie können Jugendliche ihre Selbstmotivation fürs Lernen erhöhen?

Fabian Grolimund: Jugendliche demotivieren sich mitunter selbst, indem sie sich einreden, dass das alles keinen Sinn macht oder sie den Stoff nie raffen werden. Das raubt Energie. Es kann deshalb hilfreich sein, sich ernsthaft zu fragen: „Warum mache ich das?“. Ich kann mir zum Beispiel sagen: Ich mache das jetzt, weil ich die Lehre abschließen oder studieren, oder weil ich dieses Thema wirklich verstehen will.

Wie kann ich meine Lernbedingungen beeinflussen?

Grolimund: Vielen Jugendlichen stinkt zum Beispiel das Üben, weil sie sich dabei oft hilflos oder einsam fühlen. Dann können sie sich mit einer Freundin oder einem Freund treffen und zusammenarbeiten. Oder man trifft sich und jeder lernt seinen Stoff allein. Oder man macht es sich gemütlich, kocht sich einen Tee oder geht zum Üben ins Lieblingscafé. Ich kann auch mit den einfachen Sachen anfangen und mich dann erst den mühsameren Dinge zuwenden. Ich kann mich generell fragen: „Was macht mir das Lernen angenehmer?“

Sie haben von jungen Testlesern ihres Buchmanuskripts erfahren, dass auch der Weg der Abhärtung funktionieren kann. Was heißt das?

Grolimund: Das hat uns wirklich überrascht. Wenn Schüler für ihr Hass-Fach lernen sollen, können sich viele offenbar damit motivieren, dass sie bewusst ihr Durchhaltevermögen testen. Sie sagen sich dann: „Ich gehe da jetzt durch und lasse mich von diesem Fach oder Lehrer nicht auf meinem Weg aufhalten!“ Das ist wie beim Sport. Man muss den toten Punkt überwinden.

Was sollten Jugendliche in Sachen Lernsystematik beachten?

Grolimund: Viele Schüler haben Schwierigkeiten mit der Zeitplanung. Das gilt vor allem, wenn sie auf die weiterführende Schule wechseln und es plötzlich mit vielen Lehrern zu tun bekommen, die Prüfungen ansetzen, ohne sich dabei untereinander zu koordinieren. Ich empfehle, nicht nur den Termin für eine Klassenarbeit aufzuschreiben, sondern auch die Tage, an denen ich dafür lernen will. Eltern können ihre Kinder dabei anfangs unterstützen.

Gibt es allgemeine Lernstrategien?

Grolimund: Ja. Viele Schüler lesen den Stoff einfach x-mal durch in der Hoffnung, sich viel zu merken. Das aber ist die schlechteste Strategie überhaupt. Schüler sollten sich fragen: „Was muss ich am Ende wissen und können?“ Sie können sich dazu an den Lernzielen orientieren, bei Lehrern nachfragen. Darüber hinaus ist man sofort konzentrierter, wenn man sich kleine Ziele setzt: Nicht einfach zwei Stunden Geschichte lesen, sondern sich vornehmen: Heute Abend will ich verstanden haben, wie der griechische Staat funktioniert und die Lernzielfragen dazu beantworten können.

Was empfehlen Sie noch?

Grolimund: Es ist gut, nicht immer nur an einem Ort zu lernen. Wer an mehreren Orten lernt, kann sich besser an Sachen erinnern. Wichtig auch: Beim Lernen sollte man so viele Sinneskanäle nutzen wie möglich. Es wäre also wichtig, sich das Gelesene noch einmal selbst zu erzählen oder sich eine Vorstellung davon zu machen. Jugendliche lernen gern passiv, weil das bequem ist. Aktiv lernen ist aber besser. Effektives Lernen ist leider immer etwas anstrengend.

Sie sagen, es gibt auch Dinge, die jeder Schüler zunächst herausfinden muss.

Grolimund: Ja. Sie sollten ausprobieren, ob sie jemand sind, der Stille braucht oder Hintergrundmusik oder -geräusche. Eltern wollen ja immer, dass Kinder im stillen Kämmerlein lernen. Das ist für einige aber nicht gut. Sie fühlen sich dann innerlich kribbelig und werden von der empfundenen Langeweile abgelenkt. Ich bin auch ein Typ, der am liebsten im Café oder im Zug arbeitet. Da tauche ich dann ab und nehme das Drumherum gar nicht mehr wahr. Menschen sind da unterschiedlich.

Sie haben auch eine schlechte Nachricht für Schüler.

Grolimund: Ja. Das Handy lenkt wirklich ab, auch wenn viele Jugendliche behaupten, das sei gar nicht so. Zum Teil reicht es, das Gerät in der Hosentasche zu haben, um aus dem Lernen herauskatapultiert zu werden. Es ist wirklich gut, wenn das Handy beim Lernen in einem anderen Raum aufbewahrt oder abgeschaltet wird. Eltern sollten da aber nicht immer nur rumnörgeln, sondern auch mal fragen, wie sie ihre Kinder dabei unterstützen können. Und viele Jugendliche sind da auch empfänglich, entsprechende Abmachungen mit ihren Eltern zu treffen.

Zur Person

Fabian Grolimund
Fabian Grolimund © Privat | Privat

Fabian Grolimund ist 40 Jahre alt. Er ist Leiter der Akademie für Lerncoaching in Zürich. Sie bietet Weiterbildungen für Lehrpersonen, Eltern und Jugendliche an. Mit dem Thema Lernen beschäftigt sich Grolimund seit dem Studium im Jahr 2004. Er hat seine Abschlussarbeit zu den Themen Leistungsstress und Prüfungsangst geschrieben. Darüber hinaus hat er vier Bücher zum Thema Lernen verfasst.