Berlin. Jährlich geben Eltern für Hefte und Bücher bis zu 600 Euro aus. Die Kosten für den Schulranzen sind dabei noch nicht mitgerechnet.

Die Anschaffung der zur Grundausstattung eines jeden Erstklässlers gehörenden Schultasche kostet die Eltern nicht nur Zeit. Sie müssen dafür auch ziemlich tief in die Tasche greifen. Manche Modelle von Edelmarken wie McNeill oder Scout schlagen mit 200 Euro und mehr zu Buche. Und das ist nicht die einzige Ausgabe für den ersten Schultag.

Schultüten, Malkasten, Stifte, Füllfederhalter oder Turnbeutel müssen ebenso angeschafft werden. Aktuelle Zahlen zu den Gesamtkosten für die Erstausstattung gibt es nicht. Eine Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kam 2013 jedoch auf eine Durchschnittssumme von 238 Euro. Billiger sind die Artikel in der Zwischenzeit in der Regel nicht geworden.

Es muss aber nicht der teure Ranzen sein. „Es gibt immer mehr Eltern, die sich das nicht leisten können“, stellt der Berliner Unternehmer Friedbert Baer fest. Sein Shop Toner-Dumping bietet Alternativen im günstigeren Preissegment an. „Einen guten Rucksack kann man für 25 Euro herstellen“, sagt er. „Hinzu kommen noch weitere Kosten für den Transport, das Marketing, den Großhändler und schließlich unsere Gewinnmarge.“ Am Ende stehen etwa 70 Euro auf dem Preisschild. Die gängigen Normen für eine Schultasche werden trotzdem alle erfüllt.

Kindern sind Marken meist egal

Doch das Marketing der großen Markenhersteller für Schulutensilien ist ausgefeilt. Pelikan etwa bietet Lehrern auf seiner Webseite kostenlose Unterrichtsmaterialien an. Unternehmer Baer beobachtet, dass die Eltern mit der von der Schule übermittelten Anschaffungsliste häufig auch schon den Namen einer teuren Marke mit auf den Weg bekommen. „Folgen die Eltern den Empfehlungen, kommen schnell 100 Euro zusammen“, kritisiert der Händler – ein Ranzen ist in dieser Summe noch nicht eingerechnet.

Dabei können die Schulanfänger mit Marken meist noch gar nichts anfangen. „Den Kindern ist es schnuppe, ob es ein Scout ist“, sagt Denise Ullrich vom auf Kindermarketing spezialisierten Forschungsinstitut Icon Kids, „Hauptsache, es ist ein Einhorn drauf abgebildet.“ Derlei Bildmotive prägen die Wünsche der angehenden Schüler auf sehr traditionelle Weise. Mädchen wollen das Einhorn oder die Prinzessin, Jungen den Fußball oder einen Saurier. „Eltern sind oft auch zähneknirschend bereit, dem Wunsch nachzugeben“, erläutert Ullrich.

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    Für die mittelständisch geprägte Branche eröffnet dies gleich noch eine zweite Verkaufschance. Denn der Geschmack ändert sich mit dem Alter. „In der dritten Klasse ist die Prinzessin nicht mehr angesagt“, sagt die Expertin. Dann orientieren sich die Kinder eher an den älteren Schülern. Ein neuer Ranzen oder Rucksack muss her.

    Im Schnitt fallen rund 1000 Euro pro Kind im Jahr an

    Angesichts von 725.000 Schulanfängern im vergangenen Jahr lässt sich erahnen, dass die Ausstattung der Schüler ein lukrativer Markt ist. Multipliziert man den von den Konsumforschern der GfK ermittelten Durchschnittsaufwand mit der Schülerzahl, ergibt allein dieses Segment 172 Millionen Euro. Die Unternehmen sind hinsichtlich ihrer Geschäftszahlen verschwiegen. Marktführer bei Ranzen ist nach eigenen Angaben die Nürnberger Steinmann-Gruppe. Zu ihr gehören Marken wie Scout oder DerDieDas und 4YOU. Anfragen beantwortete das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht.

    Der gesamte Markt ist weitaus größer, denn im Verlauf der Schulzeit werden weitere Ausgaben fällig. Der Kieler Forscher Olaf Köller hat die Ausgaben der Eltern in Schleswig-Holstein untersucht.

    Der Chef des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaft und Mathematik an der Uni Kiel kommt auf jährliche Bildungsausgaben von durchschnittlich rund 1000 Euro pro Kind. Davon entfielen 574 Euro auf Artikel fürs Lernen, Sport und Bücher. Dazu gehören Hefte und Stifte, aber auch Schreibtische, Stühle, Ranzen und Turnschuhe. Weitere Kosten von rund 190 Euro fließen in Ausflüge, 400 Euro in Fahrtkosten, Essen und Nachmittagsbetreuung.

    Zwischen dem Aufwand, den die Eltern betreiben, und dem schulischen Erfolg sieht der Wissenschaftler einen Zusammenhang. Darüber hinaus kann auch Nachhilfeunterricht kostspielig sein. Der Lernerfolg hängt zwar nicht von einzelnen Marken oder Produkten ab. Doch einen Zusammenhang zwischen Aufwand und Erfolg erkennt der Forscher schon. „Da sozial privilegierte Eltern mehr Geld für Lernmittel ausgeben und die Kinder aus diesen Familien im Mittel auch höhere Schulleistungen haben, besteht eine positive Korrelation zwischen Aufwendungen und Schulleistungen“, erläutert Köller.

    Die Frage, welcher Ranzen es zur Einschulung sein soll, wird auf einem Spielplatz in einem Berliner Szenebezirk ausführlich behandelt. „Manche Mütter machen aus dem Kauf des Schulranzens eine ergonomische Wissenschaft“, schildert dort eine Mutter ihre Erfahrungen. Auf der anderen Seite des Extrems stünden Eltern, die unbedingt einen Retro-Ranzen für ihr Kind wollen, weil sie selbst das Design der 1970er-Jahre so chic finden. „Das ist total cool für sie“, sagt die junge Mutter, „nur schlecht für den Rücken der Kinder.“